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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 74/2003
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 453
StPO § 454
Liegen zwischen der Anhörung des Verurteilten zum Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft und der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nahezu sechs Monate kann diese Anhörung nicht mehr Grundlage der Widerrufsentscheidung sein.
Beschluss Strafsache gegen F.Z. Diebstahls u.a.

(hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich eines Strafrestes).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 24. Februar 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 17. Februar 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 03. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Recklinghausen vom 13. Oktober 1997 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts - Jugendkammer - Bochum vom 12. März 1998 wegen Diebstahls u.a. zu einer Einheitsjugendstrafe in Höhe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Durch Beschluss vom 30. März 2000 hat das Amtsgericht Recklinghausen die gewährte Strafaussetzung wegen erneuter Straffälligkeit des Verurteilten widerrufen. Nach Verbüßung von zwei Dritteln dieser Strafe hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Vollstreckung des Strafrestes durch Beschluss vom 19. September 2001 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit ist auf drei Jahre festgesetzt worden; ferner ist der Verurteilte gemäß §§ 57 Abs. 3, 56 c StGB u.a. angewiesen worden, "sich übergangslos nach seiner Entlassung in die stationäre Therapieeinrichtung der psychosomatischen Klinik Bergisch Gladbach zu begeben, die Aufnahme und den ordnungsgemäßen Ablauf der Therapie der Kammer durch Vorlage einer Bescheinigung nachzuweisen und die Therapie nicht vorzeitig abzubrechen".

Unter dem 7. August 2002 hat die Staatsanwaltschaft Bochum den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung beantragt, da der Verurteilte die ihm auferlegte Therapie abgebrochen habe. Bei der daraufhin vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum am 23. August 2002 anberaumten mündlichen Anhörung sagte der Verurteilte zu, er werde sich sofort um die Aufnahme in eine stationäre Therapieeinrichtung bemühen. Angesichts dieser erklärten Therapiebemühungen hat die Strafvollstreckungskammer die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zunächst zurückgestellt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 17. Februar 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 19. September 2001 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Zur Begründung wird ausgeführt, der Verurteilte habe grob und beharrlich gegen die ihm im vorgenannten Beschluss erteilten Auflagen und Weisungen verstoßen. Er habe trotz seines Versprechens anlässlich der mündlichen Anhörung am 23. August 2002 einen Platz für eine stationäre Therapie nicht nachgewiesen. Durch sein Verhalten gebe der mehrfach vorbestrafte Verurteilte Anlass zu der Besorgnis, dass er erneut Straftaten begehen werde.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 24. Februar 2003, die am 25. Februar 2003 beim Landgericht Bochum eingegangen ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist rechtzeitig binnen der in § 311 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Wochenfrist eingelegt worden.

Zwar befindet sich in den Akten kein Empfangbekenntnis des Verurteilten, so dass das Datum des Zugangs des Beschlusses nicht belegt ist. Ausweislich des in den Akten befindlichen Abvermerks der Kanzlei vom 18. Februar 2003 ist der Beschluss an diesem Tag im Landgericht zur Post gegeben worden, so dass er dem Verurteilten frühestens am 19. Februar 2003 zugegangen sein kann. Da die sofortige Beschwerde am 25. Februar 2003 beim Landgericht Bochum eingegangen ist, ist folglich die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO gewahrt.

2. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg, da die angefochtene Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist.

Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB kann eine Strafaussetzung zur Bewährung zwar unter anderem dann widerrufen werden, wenn der Verurteilte gegen Weisungen gröblich und beharrlich verstößt und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Verurteilte vor dem Widerruf gehört worden ist (§ 453 Abs. 1 S. 2 StPO). An einer solchen dem Gesetzeszweck gerecht werdenden Anhörung des Verurteilten fehlt es vorliegend.

Zwar hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten am 23. August 2002 angehört. Aufgrund des Zeitablaufs zwischen der Anhörung und der Widerrufsentscheidung von nahezu sechs Monaten konnte diese Anhörung aber nicht mehr als Entscheidungsgrundlage für den angefochtenen Beschluss dienen (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 454 Rdnr. 31 m.w.Nachw.; Beschlüsse des erkennenden Senats vom 13.Juni 2000 in 2 Ws 142 u. 143/2000, VRS 99, 208 und vom 1. März 2001 in 2 Ws 51 und 52/2001, StV 2001, 413). Die mündliche Anhörung des Verurteilten ist auch nicht etwa durch die seitens der Strafvollstreckungskammer unter dem 24. September 2002 und unter dem 28. Januar 2003 veranlassten schriftlichen Anhörungen des Verurteilten entbehrlich geworden. Denn nur aufgrund einer mündlichen Anhörung ist die Strafvollstreckungskammer in der Lage, sich einen umfassenden Eindruck von der Persönlichkeit des Verurteilten zu verschaffen. Dies muss vorliegend - worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 12. März 2003 zutreffend hingewiesen hat - um so mehr gelten, als der Verurteilte sich ausweislich der in den Akten befindlichen schriftlichen Auskunft der Jugend- und Drogenberatung Marl vom 2. Oktober 2002 aus der Haft heraus mit der Beratungsstelle in Verbindung gesetzt hat, um sich über eine für ihn geeignete Hilfsmaßnahme zu informieren. Die Bewährungshelferin hat in ihrem Bericht vom 23. Januar 2003 bestätigt, dass der Verurteilte sich auch während des derzeitigen Strafvollzuges in der Justizvollzugsanstalt Hagen um eine Therapie zur Behandlung seiner Drogenabhängigkeit bemüht hat. In der sofortigen Beschwerde macht sein Verteidiger überdies unter Bezugnahme auf ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Essen vom 13. Februar 2003 geltend, der Verurteilte könne innerhalb weniger Wochen eine stationäre Therapie in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Lippstadt zur Behandlung seiner Drogenabhängigkeit antreten; die Staatsanwaltschaft habe in dem Verfahren 14 Js 838/99 die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG bei Therapieantritt in Aussicht gestellt.

Der Verfahrensmangel führt zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer. Der Senat kann das mit einer mündlichen Anhörung verbundene erforderliche Verfahren nicht im Beschwerdeverfahren nachholen, da eine mündliche Anhörung im Beschwerdeverfahren regelmäßig nicht stattfindet. Dies entspricht der allgemeinen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. BGH NStZ 1995, 610,611; OLG Düsseldorf StV 1996, 221; KG NStZ 1999, 319, 320; Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO, § 454 Rdnr. 31 und § 454 Rdnr. 69; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 309 Rdnr. 8 und § 453 Rdnr. 15 m.w.Nachw.).

Ende der Entscheidung

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