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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 80/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 454
StGB § 56 f
Eine Anhörung, die mehr als fünf Monate zurück liegt, kann grundsätzlich nicht Grundlage für eine Entscheidung über den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung sein.
Beschluss

Strafsache

gegen R.O.

wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a. (hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 14. März 2005 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 07. März 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 04. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

I.

Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 24. Juli 2002 u.a. wegen versuchten Diebstahls und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Durch Beschluss vom 19. September 2003 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Vollstreckung des Strafrestes nach Verbüßung von zwei Dritteln dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Als Weisung ist dem alkoholkranken Verurteilten u.a. aufgegeben worden, sofort nach der Entlassung das Kontakt- und Beratungszentrum Pavillon aufzusuchen und, falls die Betreuer es für erforderlich halten, weitergehende Therapiemaßnahmen zu ergreifen.

Der Verurteilte hat keine Therapie aufgenommen. Er hat zwar Entgiftungen begonnen, diese aber immer wieder angebrochen und weiter in erheblichem Umfang Alkohol konsumiert. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung beantragt. Die Strafvollstreckungskammer hat den Verurteilten am 5. Oktober 2004 angehört und ihm in der mündlichen Anhörung mitgeteilt, dass er nur dann eine Chance auf Aufrechterhaltung der Bewährung habe, wenn er eine Therapie aufnehme. Anderenfalls werde die Strafaussetzung zur Bewährung ohne erneute mündliche Anhörung widerrufen.

Der Verurteilte hat eine Therapie nicht aufgenommen, obwohl ihm ein Therapieplatz zur Verfügung gestanden hätte. Die Strafvollstreckungskammer hat den Verurteilten so dann mit Schreiben vom 13. Januar 2005 nochmals aufgefordert, die Therapie aufzunehmen und auch nochmals auf den drohenden Widerruf, der ohne weitere mündliche Anhörung erfolge, hingewiesen. Nachdem die Bewährungshelferin dann mit Schreiben vom 3. März 2005 mitgeteilt hat, dass der Verurteilte sich nicht in Therapie begeben habe, hat die Strafvollstreckungskammer durch den angefochtenen Beschluss die Bewährung widerrufen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB kann eine Strafaussetzung zur Bewährung u.a. dann widerrufen werden, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit gegen Weisungen gröblich und beharrlich verstößt. Die Strafaussetzung kann grundsätzlich aber nur dann widerrufen werden, wenn der Verurteilte zuvor zu dem Widerruf mündlich gehört worden ist (§ 453 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. dazu grundlegend Senat StraFo 1998, 354).

Zwar hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten vorliegend am 5. Oktober 2004 angehört, diese Anhörung lag aber zum Zeitpunkt der Entscheidung des Strafvollstreckungskammer über den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft mehr als fünf Monate zurück. Eine so lange zurückliegende Anhörung kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Regel nicht mehr Grundlage für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung sein (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 454 Rdnr. 31 mit weiteren Nachweisen; Beschlüsse des erkennenden Senats vom 13. Juni 2000 in 2 Ws 142 u. 143/2000, VRS 99, 208 und vom 1. März 2001 in 2 Ws 51 und 52/2001, StV 2001, 413, sowie vom 19. März 2003 in 2 Ws 73/03). Sinn und Zweck der Anhörung ist es u.a., der Strafvollstreckungskammer einen zeitnahen Eindruck vom Verurteilten zu verschaffen und diesem die Gelegenheit zu geben, zeitnah zur Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über den Widerrufsantrag auf für ihn günstige Umstände hinzuweisen. Dem wird eine Anhörung, die mehr als fünf Monate zurück liegt, aber in der Regel nicht mehr gerecht. Vorliegend kann der Senat die allgemeine Frage, wie lange die Anhörung höchstens zurückliegen darf offen lassen, da nach seiner Auffassung mehr als fünf Monate auf jeden Fall zu lang sind (vgl. auch Beschluss des Senats vom 1. März 2001, wo schon mehr als vier Monate als zu lang angesehen worden sind).

Dieser Verfahrensverstoß führt vorliegend jedoch ausnahmsweise nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung zur nochmaligen Entscheidung durch die Strafvollstreckungskammer. Denn hier hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten bei der mündlichen Anhörung am 5. Oktober 2004 darauf hingewiesen, dass er, wenn er nun nicht alsbald eine Therapie antrete, mit dem Widerruf ohne erneute mündliche Anhörung rechnen müssen. Entsprechendes ist dem Verurteilten dann auch noch einmal mit Schreiben vom 15. Januar 2005 mitgeteilt worden. Damit hatte der Verurteilte genügend Gelegenheit, sich auf das beabsichtigte Vorgehen der Strafvollstreckungskammer einzustellen und den Widerrufsgrund durch Aufnahme der Therapie aus der Welt zu schaffen. Ein Therapieplatz hat dem Verurteilten auch zur Verfügung gestanden. Diese Chance hat der Verurteilte jedoch nicht ergriffen, sondern hat vielmehr die angebotene Therapie nicht angetreten. Damit hat er gezeigt, dass er letztlich nicht gewillt ist, freiwillig die aufgegebene Therapie durchzuführen. Der Verurteilte hat auch in der Beschwerde zur deren Begründung keine neuen Tatsachen vorgetragen, sondern lediglich mitgeteilt, dass sich ein Rechtsanwalt für ihn melden werde. Das ist jedoch nicht geschehen.

Nach allem ist daher die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung im Ergebnis zu Recht widerrufen worden. Demgemäß war die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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