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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 22.02.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 9/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 203
StPO § 172
Leitsatz

Der Begriff des Geheimnisses im Sinn von § 203 StGB enthält drei Elemente, und zwar das Geheimsein, den Geheimhaltungswillen und das objektive Geheimhaltungsinteresse. Gibt der Betroffene ein Geheimnis bewusst und zielgerichtet an einen Personenkreis weiter, fehlt es am Geheimhaltungswillen.


Beschluss

Ermittlungsverfahren, (Klageerzwingungsverfahren)

gegen den Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Münster

wegen Verletzung von Privatgeheimnissen (hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO).

Antragsteller:

Auf den Antrag des Antragstellers vom 27. Dezember 2000 auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 23. November 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.02.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller bezichtigt den Beschuldigten der Verletzung von Privatgeheimnissen. Diesen Tatvorwurf begründet er zusammengefasst wie folgt:

In den 90-iger Jahren habe er sich der Promotionsprüfung an der Juristischen Fakultät der Westf. Wilhelms-Universität in Münster unterzogen. Mit dem Zulassungsantrag für das Promotionsstudium habe er auch die Noten seines ersten und zweiten juristischen Staatsexamens mitgeteilt. Dies sei aber schon nach der Promotionsordnung nicht erforderlich gewesen. Am 22. Juli 1998 habe er die Promotionsprüfung mit der Note "cum laude" erfolgreich durchlaufen. Wegen verschiedener Unregelmäßigkeiten im Prüfungsverfahren habe er mit Schriftsatz vom 29. September 1999 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Mit der Klageerwiderung habe der Beschuldigte die Übersendung der Promotionsunterlagen an das Verwaltungsgericht veranlasst. Dabei sei dem Verwaltungsgericht auch ein Formblatt übersandt worden, auf dem das Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens durch die Fakultät notiert gewesen sei.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass durch die Mitteilung dieses Ergebnisses unbefugt ein Privatgeheimnis mitgeteilt worden sei. Da das Ergebnis des zweiten juristischen Staatsexamens für die Durchführung des Promotionsverfahrens ohne Belang sei, habe der Beschuldigte diese Note dem Verwaltungsgericht nicht mitteilen dürfen. Der Beschuldigte habe auch erkennen können, dass er, der Antragsteller, mit der Weitergabe dieser Note nicht einverstanden gewesen sei. In der verwaltungsgerichtlichen Klage habe er nämlich lediglich vorgetragen, dass er im ersten juristischen Examen 8,29 Punkte erzielt und im zweiten juristischen Examen die Note "vollbefriedigend" nicht erreicht habe. Auf die Angabe der Note des zweiten juristischen Staatsexamens habe er bewusst verzichtet. Aufgrund dieses bewussten Verzichtes sei dem Beschuldigten erkennbar gewesen, dass der Antragsteller die Bekanntgabe dieser Note nicht mehr genehmigte.

Am 28. Juni 2000 erstattete der Antragstellers gegen den Beschuldigten zum einen wegen dieses Sachverhaltes Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Münster. Zum anderen unterrichtete er mittels einer Strafanzeige die genannte Strafverfolgungsbehörde darüber, dass in der dem Verwaltungsgericht übersandten Akte auch Tatsachen über eine japanische Studentin enthalten waren.

Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Ermittlungsverfahren mit Schreiben vom 13. September 2000 eingestellt, da der Beschuldigte nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen sei, dem Verwaltungsgericht die Informationen zukommen zu lassen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers vom 21. Oktober 2000 hat der Generalstaatsanwalt in Hamm mit Bescheid vom 23. November 2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich der Klageerzwingungsantrag des Antragstellers vom 27. Dezember 2000. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt der Antragsschrift verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Gegenstand des Klageerzwingungsverfahrens ist allein der Vorwurf der Verletzung von Privatgeheimnissen. Soweit der Antragsteller nämlich überdies Strafantrag wegen einer Beleidigung gestellt hat, ist das Verfahren gemäß § 172 Abs. 2 S. 3 StPO unzulässig. Schließlich folgt die Unzulässigkeit des Verfahrens hinsichtlich der Strafanzeige wegen der Preisgabe von Geheimnissen einer dritten Person aus der fehlenden Verletzteneigenschaft des Antragstellers; § 172 Abs. 1 StPO.

2. Soweit der Antrag zwar zulässig ist, ist er aber unbegründet. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob das Verwaltungsgericht zur Entscheidung über die Klage des Antragstellers Kenntnis von der Note des zweiten Staatsexamens haben musste. Denn unabhängig von dieser Frage handelte es sich bei dieser Note nicht um ein Geheimnis im Sinn des § 203 StGB.

Geheimnis im Sinne dieser Norm ist eine Tatsache, die nur einem Einzelnen oder einem beschränkten Personenkreis bekannt ist und an deren Geheimhaltung der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse hat (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 203 Rdnr. 2). Der Begriff des Geheimnisses enthält damit drei Elemente: erstens das Geheimsein, zweitens der Geheimhaltungswille und drittens das objektive Geheimhaltungsinteresse (vgl. LK-Schünemann, StGB, 11. Auflage, § 203 Rdnr. 19 m.w.N.). Gibt der Betroffene ein Geheimnis bewusst und zielgerichtet an einen anderen Personenkreis weiter, so fehlt es -wie hier- schon am Geheimhaltungswillen.

Der Antragsteller hat nämlich mit seinem Antrag auf Zulassung zum Promotionsstudium bewusst und eigenverantwortlich seine im zweiten juristischen Staatsexamen erreichte Note mitgeteilt. Dadurch wurde nicht allein eine einzelne Person, sondern alle, die in der Sache mit dem Promotionsverfahren befasst waren und deshalb das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen hatten, unterrichtet. Damit stellte diese Note für diesen Personenkreis kein Geheimnis mehr dar. Dies erstreckt sich naturgemäß auch auf das Klageverfahren, da in diesem die Rechtmäßigkeit des Promotionsverfahrens überprüft werden sollte.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Angaben des Antragstellers durch die Universität auf ein Formblatt übertragen und dieses mit den weiteren Akten dem Verwaltungsgericht vorgelegt worden ist. Auf Aufforderung des Verwaltungsgerichts sind diesem gemäß § 99 VwGO sämtliche Akten, die im Zusammenhang mit dem Verfahren stehen, zu überreichen. Zum Verwaltungsvorgang gehören aber auch die Anträge des Antragstellers nebst Lebenslauf, in dem dieser seine Note des zweiten juristischen Staatsexamens eigenverantwortlich preisgegeben hat. Damit ist diese Note aber auch für das Verwaltungsgericht kein Geheimnis, ohne dass es darauf ankommt, ob die Note durch das Dekanat zusätzlich auf einem Formblatt notiert worden ist. Denn der Beschuldigte war nicht befugt, die Anträge bzw. den Lebenslauf des Antragstellers zu verändern, indem er die Examensnote in diesen schwärzte oder anonymisierte.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthält seine Klageschrift auch nicht einen Hinweis darauf, dass er die Weitergabe seiner bis dahin mitgeteilten Informationen habe untersagen wollen. Der Klageschrift ist allenfalls mittelbar zu entnehmen, dass der Antragsteller das zweite juristische Staatsexamen erlangt hat. Ein konkreter Hinweis auf das zweite juristische Staatsexamen unter Verzicht der Notenabgabe -wie sie vom Antragsteller in der Antragsschrift behauptet wird- beinhaltet die Klageschrift nicht. Schon deshalb ist ein ausdrücklicher Verzicht auf die Notenabgabe nicht gegeben.

Auch aus den weiteren Umständen war für den Beschuldigten nicht erkennbar, dass der Antragsteller der Preisgabe der Note an das Verwaltungsgericht nicht zustimmen wollte. Seine Erwägung, die Note des zweiten juristischen Staatsexamens sei für das Promotionsverfahren ohne Belang, greift insoweit nicht durch. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit das Verwaltungsgericht diese Note bei der Überprüfung der Promotionsverfahrens berücksichtigt. Denn der Antragsteller selbst trägt in seiner Klageschrift zahlreiche Noten verschiedener Abschlüsse vor, die nach der Promotionsordnung ebenso wenig von Bedeutung sind. Schon deshalb war es für einen objektiven Empfänger nicht zu erkennen, dass der Betroffene den Vortrag allein auf die Umstände beschränkt wissen wollte, die nach der Promotionsordnung zwingend erforderlich, aber auch ausreichend sind.

Nach alledem war der Antrag des Betroffenen mit der sich aus § 177 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen.



Ende der Entscheidung

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