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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.01.2002
Aktenzeichen: 20 U 108/01
Rechtsgebiete: MB/KT 78, MB-BUZ


Vorschriften:

MB/KT 78 § 15 a
MB-BUZ § 2 III
Ist im Tarif einer Krankentagegeldversicherung bestimmt, dass die Versicherungsfähigkeit nur solange besteht, als der Versicherte noch keine Rente wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bezieht oder beanspruchen kann, entfällt die Leistungspflicht des Versicherers im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu § 15 lit. a MB/KT 78 bereits dann, wenn der Versicherte eine Berufsunfähigkeitsrente wegen sog. fingierter Berufsunfähigkeit i.S.d. § 2 III MB-BUZ bezieht (i.A. an BGH VersR 1989, 392). Ob er berufsunfähig i.S.d. § 15 lat. b MB/KT 78 ist, ist unerheblich.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 108/01 OLG Hamm

Verkündet am 18. Januar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18 Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lücke, den Richter am Oberlandesgericht Rüther und die Richterin am Landgericht Dr. Jansen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26. April 2001 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages anzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Krankentagegeldversicherung - vereinbart sind die MB/KT 78 und die Tarifbedingungen des Tarifs 8 (Bl. 54 f d.A.) - auf Zahlung von Krankentagegeld (täglich 150,00 DM) für den Zeitraum vom 01.03.2000 bis 28.02.2001 in Höhe von 54.900,00 DM in Anspruch.

Widerklagend beansprucht die Beklagte in Höhe von 12.517,25 DM die Rückzahlung der von ihr im Zeitraum vom 01.12.1999 bis 28.02.2000 an den Kläger erbrachten Tagegeldzahlungen (unter Berücksichtigung eines anderweitigen Guthabens des Klägers).

Aufgrund einer seit dem 09.02.1999 bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers wegen psychischer Beschwerden (depressive Erkrankung) zahlte die Beklagte das vereinbarte Tagegeld bis einschließlich 28.02.2000.

Mit Schreiben vom 20.03.2000 (Bl. 15 f. d.A.) forderte sie die von ihr ab 01.12.1999 erbrachten Zahlungen mit der Begründung zurück, sie habe erst jetzt erfahren, daß der Kläger seit dem 01.09.1999 Leistungen aus einer bei der bestehenden Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (im folgenden BUZ) beziehe. Deshalb sei sein Anspruch auf Krankentagegeldleistungen wegen Wegfalls der Versicherungsfähigkeit gem. § 15 lit. a MB/KT 78 i.V.m. Tarifbedingungen zu Tarif 8 (Vorbem. vor Nr. 1.) mit Ablauf des 30.11.1999 erloschen Gleichzeitig wurde dem Kläger der Abschluß einer Anwartschaftsversicherung angeboten.

Der Kläger hält den Bezug von Rentenleistungen aus der BUZ für unschädlich, weil die Rente nur wegen einer (fiktiven) Berufsunfähigkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung S I geleistet werde.

Durch das angefochtene Urteil, auf das verwiesen wird (Bl. 101 ff d.A.), hat das Landgericht sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt und die Abwehr der Widerklage erstrebt. Er meint, er sei nicht berufsunfähig i.S.d. § 15 lit. b MB/KT 78, weil nach ärztlichem Befund von einer hohen Genesungswahrscheinlichkeit auszugehen sei. Da der Begriff der Berufsunfähigkeit in § 15 lit. b MB/KT 78 eigenständig definiert sei, sei dieser Begriff auch bei der Beurteilung der Versicherungsfähigkeit in den Tarifbedingungen zu Tarif 8 maßgeblich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 54.900,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes aus 39.300,00 DM seit dem 10.12.2001 sowie aus weiteren 15.000,00 DM seit Klagezustellung zu zahlen;

2. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, es komme nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger berufsunfähig i.S.d. § 15 lit. b MB/KT 78 sei, weil die Regelungen des § 15 lit. a und b MB/KT 78 alternativ nebeneinander stünden. Maßgeblich für die Beendigung ihrer Leistungspflicht zum 30.11.1999 sei somit allein, daß der Kläger gem. § 15 lit. a MB/KT 78 Leistungen aus einer BUZ beziehe, da wegen der Spezialität der BUZ einerseits und der Krankentagegeldversicherung andererseits Leistungen aus beiden Versicherungen zwar nacheinander, nicht jedoch gleichzeitig gewährt werden könnten.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Seine Klage auf weitere Krankentagegeldzahlungen über den 28.02.2000 hinaus ist unbegründet, die Widerklage der Beklagten auf Rückzahlung für von ihr in der Zeit vom 01.12.1999 bis 28.02.2000 erbrachter Krankentagegeldzahlungen hingegen begründet.

Nach § 15 lit. a MB/KT 78 i.V.m. den Tarifbestimmungen zu Tarif 8 (Vorbem. vor Nr. 1.) besteht eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung bedingungsgemäßen Krankentagegeldes über den 30.11.1999 hinaus nicht.

§ 15 lit. a MB/KT 78 bestimmt die Beendigung des Versicherungsverhältnisses hinsichtlich der betroffenen versicherten Person bei Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzung weggefallen ist.

Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Wegfall der Voraussetzung.

Diese Klausel ist zwar - was die von ihr angeordnete Beendigung des Versicherungsverhältnisses anbetrifft - wegen des sozialen Schutzzwecks der Krankentagegeldversicherung unwirksam (BGH VersR 1992, 477). Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist jedoch davon auszugehen, daß mit dem Wegfall der Versicherungsfähigkeit die Leistungspflicht des Versicherers entfällt (BGH a.a.O.).

Versicherungsfähig nach Tarifs (Vorbem. vor Nr. 1.) sind Selbständige und Angehörige freier Berufe, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, aus dieser Tätigkeit regelmäßige Einkünfte haben und noch keine Rente wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit beziehen oder beanspruchen können.

Unstreitig bezieht der Kläger ab 01.09.1999 ununterbrochen eine Rente aus einer von ihm bei der genommenen BUZ.

Dadurch ist seine Versicherungsfähigkeit entfallen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, daß die Regelungen in § 15 lit. a und b MB/KT 78 einen unterschiedlichen Regelungsgegenstand haben und deshalb alternativ nebeneinander stehen. Während § 15 lit. b den Eintritt der - dort definierten - Berufsunfähigkeit als Grund für die Beendigung des Versicherungsverhältnisses nennt, knüpft § 15 lit. a an den Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit an. Dies wird auch für den durchschnittlichen VN als verständigem Leser des Bedingungswerks hinreichend deutlich. Aus der eingangs der Tarifbedingungen zum Tarif 8 vorgenommenen Beschreibung der Versicherungsfähigkeit wird er erkennen, daß eine solche nur solange gegeben ist, als er nicht Rente wegen einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bezieht oder eine solche Rente beanspruchen kann. Maßgebend ist danach allein, ob eine solche Rente von einem - öffentlich oder privaten - Leistungserbringer aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer von ihm angenommenen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit des Versicherten gezahlt wird oder gezahlt werden muß. Ob der Berufsunfähigkeitsbegriff des Leistungserbringers der in § 15 lit. b MB/KT 78 definierten Berufsunfähigkeit entspricht oder nicht, ist für § 15 lit. a und die darin angesprochene Versicherungsfähigkeit unerheblich (BGH VersR 1989, 392). Auch der durchschnittliche VN muß und wird erkennen, daß der Zweck der von der Beklagten in § 15 lit. a MB/KT 78 i.V.m. den Tarifbedingungen zum Tarif 8 getroffenen Regelung - Spezialität zwischen Krankentagegeldversicherung und BUZ - ein Nebeneinander von Krankentagegeldzahlung und BUZ-Rentenbezug ausschließt. Deshalb ist es auch unerheblich, ob die von einem privaten BUZ-Versicherer gezahlte Rente wegen dauernder (§ 2 Abs. 1 MB-BUZ) oder sog. fingierter Berufsunfähigkeit (§ 2 Abs. 3 MB-BUZ) gezahlt wird. Für die Versicherungsfähigkeit des Klägers schädlich sind Rentenzahlungen aus jedem der beiden genannten Rechtsgründe (BGH aaO. zu 6.).

Nach Auffassung des Senats wird der Wegfall der Versicherungsfähigkeit des Klägers auch nicht deshalb in Frage gestellt, weil die in ihrem Schreiben vom 01.03.2000 an den Kläger (Bl. 56 f. d.A.) die von ihr (zunächst) ab 01.09.1999 bis längstens 31.12.2000 angekündigten Rentenleistungen nicht aufgrund eines förmlichen Anerkenntnisses i.S.d. § 5 MB-BUZ, sondern "kulanzweise, analog § 2 Abs. 3 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erbracht hat. Entscheidend ist die Tatsache der Rentenzahlung aus dem Gesichtspunkt der Berufsunfähigkeit (BGH aaO; vgl. auch OLG Oldenburg OLGR 2000, 48). Unstreitig hat der BUZ-Versicherer seine Rentenleistung an den Kläger auch über den 31.12.2000 hinaus festgesetzt.

Abgesehen davon ist für die Versicherungsfähigkeit bereits die Anspruchsberechtigung hinsichtlich einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ausreichend. Aus dem o.g. Schreiben der ergibt sich eine derartige Anspruchsberechtigung des Klägers auf BUZ-Leistungen nach § 2 Abs. 3 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ohne weiteres. Die darin als Grund für eine "Kulanzentscheidung analog § 2 Absatz 3 AVB" angegebene Unsicherheit über die Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit des Klägers, die ein Abwarten des weiteren medizinischen Behandlungsverlaufs erforderlich mache, hat für die Leistungsberechtigung des Versicherten nach § 2 Abs. 3 und einer entsprechenden Anerkenntnis- und Leistungspflicht der keinerlei Bedeutung.

Eine unzutreffende Anwendung der in § 15 lit. a MB/KT 78 enthaltenen Nachhaftungsbestimmung macht der Kläger zu Recht nicht geltend. Der bedingungsgemäß für den Beginn der Nachhaftung maßgebliche Zeitpunkt des Wegfalls seiner Versicherungsfähigkeit war der 01.09.1999 (Beginn des BUZ-Rentenbezugs). Da zu diesem Zeitpunkt eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand, endete die Leistungspflicht der Beklagten drei Monate nach Wegfall der Voraussetzung (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1991, 650).

Nach alledem kann der Kläger eine Fortzahlung von Krankentagegeld über den 30.11.1999 nicht beanspruchen. Gleichzeitig ist er der Beklagten aufgrund ergänzender Vertragsauslegung des Versicherungsvertrages (vgl. BGH VersR 1992, 477) zur Rückzahlung der von ihr rechtsgrundlos für die Zeit vom 01.12.1999 bis 28.02.2000 erbrachten Tagegeldzahlungen in unstreitiger Höhe von 12.517,25 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungsgesetzes ab dem 04.04.2001 verpflichtet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO n.F.) war nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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