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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 20 U 13/01
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 8
AGBG § 9
BGB § 242
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgeltes" für die Bemessung der Rentenleistung anders als im Steuerrecht nur nach den Steuerklassen I und III unterschieden wird.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 13/01 OLG Hamm

Verkündet am 20. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

Satzung einer Zusatzversorgungskasse

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Oktober 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)

I.

Die Klägerin ist Versicherte bei der Beklagten und bezieht dort seit dem 01.07.1999 eine Zusatzversorgungsrente. Zunächst erhielt sie monatlich 346,64 DM ausgezahlt, ab dem 01.03.2000 nach Vollendung ihres 62. Lebensjahres 693,79 DM monatlich.

Die Höhe dieser Rente berechnet sich nach den §§ 31ff. der Satzung in der Weise, daß sonstige Altersrenten um den von der Beklagten zu leistenden Rentenbetrag aufgestockt werden bis zur Höhe der nach Maßgabe der §§ 32 bis 34 b der Satzung zu berechnenden Gesamtversorgung. Deren Höhe wird gem. § 32 Abs. 3 a und 3 b der Satzung durch einen gewissen Prozentsatz des "fiktiven Nettoarbeitsentgelts" begrenzt. Je niedriger das "fiktive Nettoarbeitsentgelt" ist, um so niedriger ist der von der Beklagten zu erbringende Aufstockungsbetrag.

Das fiktive Nettoarbeitsentgelt wird nach § 32 Abs. 3 c der Satzung berechnet, welcher lautet:

(3 c) Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist dadurch zu errechnen, daß von dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt

a)

bei einem am Tag des Beginns der Versorgungsrente (§ 52) nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsrentenberechtigten sowie bei einem Versorgungsrentenberechtigten; der an diesem Tag Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung für mindestens ein Kind hat, der Betrag, der an diesem Tag als Lohnsteuer nach Steuerklasse III/0 zu zahlen wäre,

b)

bei allen übrigen Versorgungsrentenberechtigten der Betrag, der am Tag des Beginns der Versorgungsrente als Lohnsteuer nach Steuerklasse I/0 zu zahlen wäre.

Die Klägerin ist seit dem 29.10.1998 verwitwet. Am Tag des Beginns der Zusatzversorgungsrente, dem 01.07.1999, ordnete sie die Beklagte deshalb in die Kategorie des § 32 Abs. 3 c Satz 1 b ein und errechnete das fiktive Arbeitsentgelt nach der Steuerklasse I/0. Diese Vorgehensweise hält die Klägerin für rechtswidrig und die zugrundelegende Bestimmung des § 32 Abs. 3 c der Satzung für unwirksam. Sie meint, ihr müsse aufgrund der Nachwirkung ihres früheren Ehestandes eine Berechnung unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/0 zugutekommen. Dazu sah sich die Beklagte infolge ihrer Satzung außerstande. Die entsprechende Klage der Klägerin, mit welcher diese die Verpflichtung der Beklagten festgestellt wissen wollte, daß ihre Versorgungsrente auf der Grundlage eines gesamtversorgungsfähigen Entgelts zu zahlen sei, das nach der Steuerklasse III/0 zu ermitteln sei, hat das Landgericht abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Unstreitig ist die Rente nach der Satzung der Beklagten richtig berechnet. Die Parteien streiten lediglich darüber, ob die derzeitige Fassung der Satzung rechtmäßig ist und ob die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Rente in anderer Weise zu berechnen. Das setzt jedoch voraus, dass die Bestimmung in der Satzung in der gegenwärtigen Fassung unwirksam ist und dass sich aus der verbleibenden Satzung -- ggfs. im Wege ergänzender Auslegung (zur ergänzenden Auslegung bei unwirksamen AGB Bestimmungen BGH VersR 1992, 479) -- die Verpflichtung der Beklagten ergibt, die durch den Wegfall der unwirksamen Bestimmung entstandene Lücke gerade in der Weise zu schließen, daß eine Berechnung, zumindest für den Fall, der hier in Person der Klägerin vorliegt, nach der begehrten Steuerklasse III/0 stattzufinden hat.

Bereits das Vorliegen der ersten der genannten Voraussetzungen, nämlich die Unwirksamkeit des § 32 Abs. 3 c der Satzung, kann nicht festgestellt werden. Insoweit gehen die Parteien allerdings zutreffend übereinstimmend davon aus, daß es sich bei der Satzung der Beklagten um allgemeine Versicherungsbedingungen und damit auch um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Das hat der Senat bereits in einer die Satzung der Beklagten betreffenden Entscheidung (VersR 87, 1202) unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 48, 35, BGH VersR 1971, 1016) und des Senats (VersR 1987, 145 sowie unter Hinweis auf die Monographie von Hautmann, Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst und ihre Rechtsverhältnisse, 1984, S. 169ff.) ausgesprochen.

Die Klägerin ist seit September 1977 Versicherte bei der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt war das AGBG bereits in Kraft getreten. Der Gruppenversicherungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber der Klägerin und der Beklagten dürfte aber bereits am 01.04.1977 bestanden haben (§ 28 Abs. 1 AGBG). Für die rechtliche Bewertung kann das aber dahinstehen. Soweit § 32 Abs. 3 c nicht überhaupt eine bloße Leistungsbeschreibung darstellt, die gem. § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogen ist, käme eine Unwirksamkeit allenfalls nach der Generalklausel des § 9 AGBG in Betracht. Danach sind Bestimmungen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nur unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies ist nach Absatz 2 Satz 2 dieser Generalklausel im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Damit konkretisiert die Generalklausel lediglich dasjenige, was sich vor Inkrafttreten des AGBG bereits aus der Anwendung des § 242 BGB ergeben hatte, welcher bestimmt, daß der Schuldner seine Leistung so zu bewirken hat, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Eine danach erforderliche unangemessene Benachteiligung wider den Grundsatz von Treu und Glauben, etwa, weil sie die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet, kann aber im konkreten Fall nicht festgestellt werden. Insoweit fällt bei der Bestimmung des § 32 Abs. 3 c zunächst auf, daß sie, anders als die Regelungen des Steuerrechts, auf welches sie Bezug nimmt, eine gröbere Einteilung vornimmt. Die Bestimmung kennt lediglich die Steuerklassen I und III. Nach welcher Steuerklasse das für die Rentenberechnung maßgebende "fiktive Nettoeinkommen" berechnet wird, gliedert sich demgemäß ebenfalls grober als im Steuerrecht. Auffällig ist, daß der Personenkreis der Privilegierten, denen die Steuerklasse III zugute kommt, nicht deckungsgleich mit der steuerrechtlichen Handhabung ist und auch nicht auf diese Regelung aufbaut. Die Kriterien, wer in die beiden alternativ in Betracht kommenden Steuerklassen III und 1 einzuordnen ist, werden grundlegend verschieden als im Steuerrecht aufgestellt.

Verheiratete werden prinzipiell in die Steuerklasse III eingeordnet, obwohl steuerrechtlich für sie auch die Steuerklassen V und insbesondere IV in Betracht kommen. Auch Nichtverheiratete, die mindestens für ein Kind unterhaltspflichtig sind, kommen in den Genuß der Steuerklasse III, wahrend andernfalls für sie die Steuerklasse I maßgeblich wäre. Die Systematik stellt insbesondere darauf ab, ob der Versorgungsempfänger für einen Ehegatten oder ein Kind unterhaltspflichtig ist und knüpft daran die Vergünstigung der Steuerklasse III, während alle übrigen pauschal in Steuerklasse I eingeordnet werden. Damit ergibt sich eine Besserstellung gewisser unterhaltspflichtiger Versorgungsempfänger gegenüber anderen. Vor dem Hintergrund des bei ihnen typischerweise bestellenden grundsätzlich höheren Bedarfs ist eine derartige Bestimmung aber nicht von vornherein unbillig. Vertragszweck ist die Versorgung der entsprechenden Berechtigten, ihre Bevorzugung in Satz 1 a der genannten Bestimmung ist daher einfühlbar. Nicht ersichtlich ist indessen, daß durch die Bevorzugung gewisser, einen erhöhten Versorgungsbedarf aufweisender Personenkreise die Rechte der Versicherten oder die Pflichten der Beklagten so eingeschränkt würden, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre. Das gilt jedenfalls in Bezug auf die Person der Klägerin. Sie ist nach dem Tode ihres Mannes alleinstehend, hat -- soweit ersichtlich -- keine weiteren Unterhaltsverpflichtungen und deshalb keinen erhöhten Versorgungsbedarf, wie er typischerweise bei den Privilegierten der Bestimmung in Satz 1 a des § 32 Abs. 3 c der Satzung festzustellen ist. Jedenfalls in Bezug auf die Klägerin erscheint auch die Abstufung der Höhe nach gegenüber den Personen, die wegen bestehender Unterhaltsverpflichtungen durch einen erhöhten Versorgungsbedarf gekennzeichnet sind, nicht unangemessen hoch.

Die Unangemessenheit ergibt sich insbesondere auch nicht aus einem Vergleich mit dem Steuerrecht. Denn dieses ist weder Maßstab noch, wie der konkrete Fall zeigt, Vorbild der hier getroffenen Versorgungsregelung. Eine Rechtsgrundverweisung auf die Kriterien, nach denen im Steuerrecht eine Einteilung in die verschiedenen Steuerklassen vorgenommen wird, ist hier an keiner Stelle erfolgt, nicht beabsichtigt und auch nicht geboten gewesen. Eine inhaltlich abweichende Regelung gegenüber den Bestimmungen des Steuerrechts rechtfertigt insbesondere nicht die Annahme, daß ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Artikel 3 GG vorliege. Denn daß die Beklagte einige Versorgungsempfanger abweichend von ihrer Satzung nach den Bestimmungen des Steuerrechts behandle, ist weder ersichtlich noch dargelegt. Eine abweichende Behandlung desselben Personenkreises in versorgungsrechtlicher Hinsicht einerseits und steuerrechtlicher Hinsicht andererseits ist aber für die Annahme eines Verstoßes gegen Artikel 3 GG weder erforderlich noch ausreichend. Aus diesem Grunde ist es auch bedeutungslos, daß die Klägerin steuerrechtlich für eine Übergangszeit von einem Jahr nach dem Tode ihres Ehemanns noch in den Genuß der Steuerklasse III gelangt. Die Satzung der Beklagten sieht eine derartige Übergangsregelung nicht vor. Ein nachvollziehbarer Grund, warum die Beklagte eine derartige Bevorzugung vornehmen sollte, ist auch nicht ersichtlich, erst recht nicht vor dem Hintergrund der von ihr getroffenen Entscheidung, daß nur gewisse Personenkreise mit erhöhtem Versorgungsbedarf privilegiert sind. Der Senat hat in seiner zitierten Entscheidung (VersR 87, 1202, insoweit nicht veröffentlicht) ausgeführt:

"Die Bestimmungen über die Berechnungen des fiktiven gesamtversorgungsfähigen Nettoarbeitsentgelts gem. § 32 Abs. 3 c der Satzung .... verstoßen auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 GG). Die Anwendung der Steuerklasse I/0 auf alle Versicherten, die bei Beginn der Versorgungsrente nicht verheiratet, also ledig, verwitwet oder geschieden sind, oder zwar verheiratet sind, aber dauernd getrennt leben und keinen Anspruch auf Kindergeld haben, unter Steuerklasse III/0 auf alle anderen Versicherten ist sachgerecht. Sie trägt dem Umstand Rechnung, daß die Angehörigen der ersten Gruppe auch als aktive Arbeitnehmer steuerlich schlechter behandelt werden. Dies muß sich konsequenter Weise bei der Berechnung des fiktiven gesamtversorgungsfähigen Nettoarbeitsentgelts und damit bei der Gesamtversorgung auswirken.

Der Einwand, Ledige würden schlechter behandelt als Geschiedene oder Verwitwete, bei denen die Steuerklasse III/0 Anwendung findet, findet in § 32 Abs. 3 c S. 1 a) und b) der Satzung der Beklagten keine Stütze. Ledige würden danach genauso behandelt wie Geschiedene und Verwitwete. Daß die Berechnung der fiktiven Steuerabzüge nur nach zwei Steuerklassen ohne Berücksichtigung der Steuerfreibeträge und steuerlichen Entlastungstatbestände im jeweiligen Einzelfall erfolgt, ist angesichts der Notwendigkeit, eine praktikable Berechnungsmethode zu wählen, nicht zu beanstanden."

Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sieht der Senat auch durch die Ausführungen der Klägerin keine Veranlassung.

Die Berufung der Klägerin war nach alledem mit den sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO ergebenden Nebenfolgen zurückzuweisen.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM nicht.



Ende der Entscheidung

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