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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.01.2006
Aktenzeichen: 20 U 159/05
Rechtsgebiete: AHB, ZPO, VVG, BGB, JGG


Vorschriften:

AHB § 4 Abs. 2 Nr. 1
AHB § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
ZPO § 264 Nr. 2
VVG § 152
BGB § 305c Abs. 2
JGG § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 20. Juni 2005 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der am 11.10.1987 geborene Kläger nimmt - als mitversicherte Person - den Beklagten aus einer von seinem Vater bei dem Beklagten unterhaltenen privaten Haftpflichtversicherung, der die AHB zugrunde liegen, auf Gewährung von Deckungsschutz aus Anlass eines Vorfalles vom 06.05.2003 in Anspruch.

Im Mai 2003 waren der (damals 15 Jahre 7 Monate alte) Kläger und der (rd. 2 Monate jüngere) L Schüler im einem Schulzentrum in W. Am 06.05.2003 gerieten der Kläger und L verbal und mit Rempeleien aneinander. Nach der Schule trafen sich beide - in Anwesenheit diverser Mitschüler - im Bereich eines - in der Nähe der Schule befindlichen - Container-Abstellplatzes. Dort entwickelte sich eine Auseinandersetzung, bei der der Kläger den L mit der Faust im Gesicht traf. L fiel nach hinten und erlitt eine Orbitabodenfraktur links. Deswegen wurde er vom 06.05.2003 - 12.05.2003 im Krankenhaus behandelt.

Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren endete am 25.02.2004 mit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Gegen den Kläger wurde ein Freizeitarrest verhängt.

Der Gemeindeunfallversicherungsverband (GUVV) erbrachte in Zusammenhang mit der Verletzung des L Leistungen an diesen und kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 23.06.2004 Rückgriff an. L hatte - anwaltlich vertreten - bereits mit Schreiben vom 29.04.2004 die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000,00 € verlangt.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 18.05.2004, ihm Deckungsschutz zu gewähren, mit Schreiben vom 24.05.2004 mit der Begründung ab, der Kläger habe den Schaden vorsätzlich herbeigeführt.

Der Kläger hat behauptet, er habe sich verteidigt, da er von L angegriffen worden sei. Um sich zu verteidigen, habe er einmal zurückgeschlagen. Dabei habe er L nicht im Gesicht treffen und/oder einen Bruch herbeiführen wollen. Er habe L lediglich auf Distanz halten wollen. Auch sei er davon ausgegangen, dass der Streit verbal habe ausgeräumt werden können.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte ihn von allen Haftpflichtansprüchen freistellt, die gegen diesen aufgrund des Schadensfalles am 06.05.2003 geltend gemacht werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf den Ausschluss nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 AHB berufen und insoweit behauptet, dass der Kläger den Schaden vorsätzlich herbeigeführt habe.

Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört, die Zeugen A, L2, X und E vernommen und den Beklagten antragsgemäß verurteilt: Zwar könne sich der Kläger nicht erfolgreich auf Notwehr berufen, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass sich der Kläger und L zu einer Schlägerei verabredet hätten. Der Beklagte sei aber nicht leistungsfrei geworden. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger auch die Folgen seines Faustschlages entsprechend einem bedingten Vorsatz in Kauf genommen habe. Der Kläger habe zu Begin der Auseinandersetzung Unsicherheiten gezeigt. Auch habe er den Platz für die Auseinandersetzung bewusst außerhalb des Schulhofes gewählt, da er Schwierigkeiten befürchtet habe. Es lasse sich daher nicht ausschließen, dass der Kläger nicht mehr als einige "Blaue Flecken" bei L einkalkulierte habe.

Der Beklagte lässt diese Begründung nicht gelten und hält - mit seiner frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung - an seinem Klageabweisungsantrag fest: Es sei nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht zwar selbst von Vorsatz ausgehe, gleichwohl aber den Ausschluss nicht greifen lasse. Es könne nicht zweifelhaft sein, dass der Kläger, der L mit einem heftigen und gezielten - eine Orbitalfraktur herbeiführenden - Schlag "niedergestreckt" habe, es billigend in Kauf genommen habe, L zu verletzen. Ein 16jähriger sei sich auch bewusst, dass ein Schlag in die Augengegend mehr als nur blaue Flecken herbeiführe.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, den Feststellungsanspruch des erstinstanzlichen Urteils dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ##### zwischen T als Versicherungsnehmer und dem Beklagten für das Schadensereignis vom 06. Mai 2003 Deckungsschutz zu gewähren.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil:

Er habe in Notwehr gehandelt. Der Beklagte habe nicht bewiesen, dass er widerrechtlich und (zumindest) mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und die Akten 55 Js 1048/03 StA Bielefeld beigezogen.

Wegen des Ergebnisses der Anhörung des Klägers wird auf den Berichterstattervermerk vom 18.01.2006 verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil war abzuändern, die Klage abzuweisen. Die Klage ist unbegründet; dem Kläger steht der geltend gemachte Deckungsanspruch nicht zu.

1.) Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung - in zulässiger Form, § 264 Nr. 2 ZPO - ergänzten Antrag zulässig.

Der ursprünglich gestellte Antrag des Klägers war unzulässig. Der Kläger (der trotz § 7 Abs. 1 AHB aktivlegitimiert ist, weil der Beklagte damit einverstanden ist) hat keinen Anspruch auf Befreiung bzw. Freistellung von "allen Haftpflichtansprüchen", die gegen ihn geltend gemacht werden. Dies könnte allenfalls für "berechtigte" Haftpflichtansprüche gelten. Im Übrigen besteht ein Befreiungsanspruch, der mit einer Leistungsklage geltend zu machen ist, nur dann, wenn das Bestehen eines Haftpflichtanspruches rechtskräftig festgestellt wird (vgl. § 156 Abs. 2 VVG). Kommt das (noch) nicht in Betracht, hat der Versicherungsnehmer auf Feststellung zu klagen, dass der Versicherer verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer aus dem relevanten Haftpflichtversicherungsvertrag für das bestimmte Schadensereignis Deckungsschutz zu gewähren. Denn es ist Sache des Versicherers, wie er Deckung gewährt (Zahlung oder Rechtsschutz und Abwehr).

Der Kläger hat seinen Antrag entsprechend angepasst.

2.) Die Klage ist aber unbegründet. Der Beklagte ist nach § 4 II Nr. 1 Satz 1 AHB, § 152 VVG leistungsfrei geworden. Der Kläger hat den Schaden widerrechtlich und vorsätzlich herbeigeführt.

a) Der Versicherer ist für alle Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des § 4 II Nr. 1 Satz 1 AHB beweispflichtig. Demnach muss er beweisen, dass der Versicherungsnehmer vorsätzlich iSd der vorgenannten Norm gehandelt hat. Daneben ist er aber auch beweispflichtig dafür, dass der Versicherungsnehmer widerrechtlich handelte. Zwar ist dieses Tatbestandmerkmal nicht ausdrücklich in § 4 II Nr. 1 Satz 1 AHB aufgeführt. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einer vorsätzlichen Herbeiführung aber (auch) eine widerrechtliche Herbeiführung zu verstehen, also ohne das Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes. Jedenfalls wäre die Klausel nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Beklagten entsprechend auszulegen (vgl. Prölss/Martin-Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., zu § 152, RdNr. 6; OLG Frankfurt VersR 1989, 732).

b) Der Kläger hat widerrechtlich gehandelt. Er kann sich nicht auf Notwehr (§ 227 BGB) berufen.

aa) Der rechtliche Ansatzpunkt des Landgerichts, wonach sich der Kläger nicht auf Notwehr berufen kann, da er und L sich zu einer Schlägerei verabredet hatten, ist zutreffend, leuchtet unmittelbar ein und wird vom Senat geteilt (vgl. BGH NJW 1990, 2263).

bb) Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung, wonach sich der Kläger und L zu einer Schlägerei verabredet hatten, ist nicht zu beanstanden. Auch der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger zumindest damit rechnete, dass es zu einer körperlich ausgetragenen Auseinandersetzung kommen würde, als er in Richtung der Glascontainer ging. Die Aussage des Klägers. wonach er "die Angelegenheit verbal bereinigen" wollte, überzeugt nicht.

(1) Dafür spricht bereits der Inhalt der Aussage des Klägers. So hat er vor dem Landgericht erklärt, dass sie sich "nach der Schule treffen" wollten und dass L ihm erklärt habe, dass "er mich zusammenschlagen könne" (Bl. 59 d.A.). Wer in Kenntnis dieser Aussagen zu dem Kontrahenten geht, ist sich bewusst, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommen wird. Vor dem Senat hat der Kläger erklärt, bereits von weitem gesehen zu haben, dass sich seine Mitschüler auf dem Hof in einem Kreis aufgestellt hatten. Für einen informierten - objektiven - Beobachter musste sich bereits daraus der Endruck aufdrängen, dass es in diesem "Ring" demnächst zu einer Auseinandersetzung kommen würde. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang erklärt hat, daß es sich dabei um seinen Weg nach Hause gehandelt und er keinen Grund gesehen habe, umzukehren, so stützt diese Erklärung die Auffassung des Senats. Denn hätte der Kläger die bevorstehende Auseinandersetzung tatsächlich nicht gewollt, so hätte er ohne weiteres im Schulgebäude warten können, bis sich der Kreis auflöste. Auch der Umstand, dass der Kläger die von ihm beabsichtigte "Besprechung" mit L nicht auf dem Schulgelände, sondern außerhalb abhalten wollte, lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger in dem Bewusstsein zum Containerplatz gegangen ist, sich mit L zu schlagen. Die von ihm ins Feld angeführte Erklärung, er habe sich außerhalb des Schulgebäudes mit L treffen wollen, um mit diesem zu "reden", weil er keine "Schwierigkeiten" mit der Schule haben wollte, hält der Senat für nicht nachvollziehbar. Wenn der Kläger mit L nur reden wollte, so hätte er das ohne Probleme auf dem Schulgelände bewerkstelligen können. Es ist nicht ersichtlich, warum die Schulverwaltung ihm wegen eines Gespräches Schwierigkeiten machen würde und könnte. Der Kläger musste nur im Falle einer auf dem Schulgelände körperlich ausgetragenen Auseinandersetzung mit Konsequenzen seitens der Schule rechnen. Diesen wollte der Kläger durch Verlagerung der Auseinandersetzung auf den Glascontainerplatz aus dem Weg gehen. Das setzt aber voraus, dass er es zumindest für wahrscheinlich hielt, dass es zu einer Schlägerei kommen würde.

(2) Schließlich stützen auch die Bekundungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen X, E und L2 die Auffassung des Senats. So hat der Zeuge X - der zum damaligen Zeitpunkt mit dem Kläger befreundet war - bekundet, dass "sie sich nach der Schule schlagen wollten"; jedenfalls "sei das so verabredet"; "ich habe das dahin verstanden, dass man sich schlagen wollte"(Bl. 79 d.A.). In die gleiche Richtung geht die Aussage des - ebenfalls mit dem Kläger befreundeten - Zeugen E, wonach er das Gespräch zwischen dem Kläger und L so verstanden hat, "dass das mit Gewalt geschehen sollte" (Bl. 64 d.A.). Der - sowohl mit dem Kläger als auch mit L befreundete - Zeuge L2 hat die Einschätzung der gesamten Schülergruppe mit den Worten "Komm mit, da gibt es gleich eine Schlägerei" zusammengefasst (Bl. 62 d.A.).

c) Der Kläger hat den Schaden auch vorsätzlich iSd § 4 II Nr. 1 Satz 1 AHB herbeigeführt.

aa) Allerdings entfaltet der Umstand, dass der Kläger im Strafprozess wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, keine Bindungswirkung für den Deckungsprozess. Eine Bindungswirkung könnte sich nur aus Umständen, die in einem vorangegangenen Haftpflichtprozess festgestellt worden sind, ergeben. Haftpflichtprozesse sind bislang aber nicht geführt worden.

bb) Der Senat hat im Urteil vom 26.11.2003 - 20 U 143/03, r+s 2004, 145 - die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ausschlusses wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens nach § 4 II Nr. 1 AHB - in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung - im Falle der Verletzung durch einen - gezielten - Faustschlag bereits näher umschrieben. Danach erfolgt ein gezielter Faustschlag nicht unwillkürlich, sondern stellt eine vorsätzliche Handlung dar. Vorsatz ist das "Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges"; zum Begriff des Vorsatzes gehören sowohl Wissens- als auch Willenselemente. Der vorsätzlich Handelnde muss den rechtswidrigen Erfolg voraussehen und in seinen Willen aufnehmen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., zu § 276 RdNr. 10). Da es sich dabei um innere Vorgänge handelt, sind diese, soweit der Täter sie nicht darlegt, schlussfolgernd aus dem äußeren Geschehensablauf abzuleiten (Baumann in Berliner Kommentar zum VVG, § 152, Rn. 19). Wer einen gezielten und kraftvollen Schlag in das Gesicht seines Gegners setzt, handelt willentlich und ist sich regelmäßig bewusst, dass er damit in die körperliche Integrität des anderen eingreift und dass er ihn verletzt. Es gibt keinen Anscheinsbeweis für den direkten oder den bedingten Vorsatz, da grundsätzlich keine allgemeinen Erfahrungssätze für die Aufklärung individueller innerer Vorgänge aufzustellen sind (Baumann, aaO. Rn. 30 m.w.N.). Jedoch gelten auch insoweit die Grundsätze des Indizienbeweises, wenn der Täter selbst kein Geständnis ablegt (Baumann, aaO. Rn. 31). So kann aus der Intensität eines Angriffs indiziell auf eine gewollte Körperverletzung geschlossen werden, wobei allerdings nicht erforderlich ist, dass sich der Täter den Schadensumfang in allen Einzelheiten schon vorher vorstellt (OLG Köln, Urt. v. 11.11.1993 - 5 U 271/92 - VersR 1994, 339). In der Rechtsprechung ist wiederholt aus der Intensität und Heftigkeit eines Angriffs auf die Vorgänge im Innern des Täters und auf einen zumindest bedingten Vorsatz geschlossen worden, der sich auch auf Verletzungsfolgen erstreckte. Wer jemandem heftig mit der Faust ins Gesicht schlägt, nimmt in aller Regel zumindest billigend in Kauf, dass sein Gegner schwere Verletzungen davontragen kann. Für ein Handeln mit bedingtem Vorsatz ist nicht Voraussetzung, dass der Handelnde die Wirkungen seines Handelns im genauen Umfang und in Einzelheiten voraussieht (so Senat, Urteil vom 11.06.1986 - 20 U 46/86 - r+s 1986, Seite 305). Nach der Lebenserfahrung liegt es für jedermann auf der Hand, dass bei einem mit erheblichem körperlichen Einsatz geführten Angriff und einem darauf beruhenden Sturz des Angegriffenen weitere Verletzungen eintreten können. Vom äußeren Geschehensablauf kann darauf geschlossen werden, dass der Angreifer sich derartige Verletzungen als möglich vorgestellt und für den Fall ihres Eintritts gebilligt hat (so OLG Köln, Urt. v. 11.07.1991 - 5 U 198/90 - VersR 1992, 89).

cc) Der Senat schließt auch im vorliegenden Fall aus den Verletzungsfolgen und aus der Art und Weise der Ausführung der Verletzungshandlung auf einen bedingten Vorsatz des Klägers auch in Bezug auf die Verletzungsfolgen. Der Kläger hat Klocke mit einem gezielten, heftigen Schlag ins Gesicht "niedergestreckt", mit der Folge, dass L eine Orbitabodenfraktur erlitt. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger diesen Faustschlag ohne Rücksicht auf etwaige schwere Folgen geführt und diese damit auch in Kauf genommen hat.

Bei dem Versuch des Klägers, die bei L eingetretene Verletzung damit zu erklären, dass er Klocke beim Ausweichen "versehentlich" am Kopf getroffen habe, handelt es sich um eine nicht nachvollziehbare Schutzbehauptung.

(1) Die Überzeugung des Senats gründet sich zunächst auf das festgestellte Verletzungsmuster. Der Geschädigte L hat eine Orbitabodenfraktur erlitten. Es handelt sich dabei um einen Bruch des knöchernen Bodens der Augenhöhle. Sie tritt bei direktem Druck aufgrund einer stumpfen Gewalteinwirkung gegen den Augapfel ein. Dabei wird das Auge nach allen Richtungen gedehnt. Der Bruch tritt dann am Boden ein, da dort der geringste Widerstand besteht (Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl., München 2003). Eine solche Verletzung kann nur entstehen, wenn erhebliche Kraft angewandt wird. Dies kommt aber nur bei Verabreichung eines gezielten Schlages in Betracht und nicht bei einem aus Anlass einer Ausweichbewegung erfolgten Hochheben des Armes. Für den Umstand, dass der Kläger erhebliche Kraft angewandt hat, spricht, dass L durch die Wucht des - einen - Schlages unstreitig nach hinten zu Boden fiel und er danach benommen war.

(2) Die Überzeugung des Senats gründet sich weiter auf die Bekundungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen sowie auf die Aussagen der im Ermittlungsverfahren gehörten Zeugen. So haben die Zeugen L2, E, X bei ihrer Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, dass es sich um einen direkten Schlag ins Gesicht gehandelt hat (Bl. 62, 64, 78 d.A.). Soweit die Zeugen weiter ausgeführt haben, dass sie nicht glaubten, dass der Kläger L schwere Verletzungen am Auge beifügen wollte, so ist das nicht von Relevanz. Es handelt sich dabei lediglich um eine subjektive Einschätzung der Zeugen, die durch die Schilderung des tatsächlichen objektiven Geschehensablaufes, wonach der Kläger einen Schlag mit erheblicher Kraft in das Gesicht des L geführt hat (s.o.), überlagert wird. Die Aussage des Zeugen A steht den Aussagen der vorgenannten Zeugen nicht entgegen. Die Aussage des Zeugen ist widersprüchlich. Zwar hat er erklärt, dass er den Schlag für einen Reflex gehalten hat. Dies steht aber im Widerspruch zu seiner weiteren Aussage, wonach der Kläger dann "von unten herauf mit der Faust hochgeschlagen" hat (Bl. 61), was für einen gezielten Schlag sprechen dürfte.

Die Richtigkeit der Aussagen der Zeugen L2, E, X wird durch die Aussagen der - im Ermittlungsverfahren vernommenen - Zeugen E2, L3 und L bestätigt. Auch diese Zeugen haben bekundet, dass der Kläger L direkt ins Gesicht geschlagen hat (Bl. 39, 43 und 5 d. Beiakten).

(3) Das vom Landgericht für die Verneinung eines bedingten Vorsatz angeführte Argument, wonach der Kläger lediglich mit einigen blauen Flecken bei L gerechnet habe, weil der Kläger die Auseinandersetzung außerhalb des Schulgeländes durchführen wollte, hält der Senat nicht für überzeugend. Die Durchführung der Auseinandersetzung außerhalb des Schulgeländes spricht eher für das Inkaufnehmen schwerer Verletzungen. Wenn der Kläger sich nicht auf dem Schulgelände schlagen wollte, weil er Schwierigkeiten seitens der Lehrer befürchtete, so macht diese Befürchtung nur Sinn, wenn dem Kläger objektiv gesehen Schwierigkeiten drohten. Das Maß der erwarteten Schwierigkeiten hing aber naturgemäß von der Schwere der - erwarteten - Verletzungen ab. Von seinem Standpunkt aus hätte der Kläger keine Schwierigkeiten mit der Schule zu befürchten gehabt, wenn er keine oder nur nicht relevante Verletzungen bei L erwartete. In diesem Falle hätte der Kläger die Auseinandersetzung aber auf dem Schulgelände suchen können. Folgerichtig kann - vom Standpunkt des Klägers aus - gerade aus dem Umstand, dass der Kläger die Auseinandersetzung außerhalb des Schulgeländes suchte, geschlossen werden, dass er nicht nur mit "einigen blauen Flecken" rechnete.

d) Die vom BGH (ZfS 2005, 562) für einen leistungsbefreienden Ausschluss geforderte Verantwortlichkeit eines Jugendlichen nach § 3 JGG ist im Hinblick auf den Bericht der Jugendgerichtshilfe (Bl. 55 d. Beiakten) und auf die erfolgte Verurteilung nicht zweifelhaft.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 543 ZPO).

Ende der Entscheidung

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