Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 20 U 170/04
Rechtsgebiete: AHB, VVG, BGB


Vorschriften:

AHB § 4 Abs. 2 Ziff. 1
VVG § 1
VVG § 152
BGB § 7
BGB § 305 c I
BGB § 307 Abs. 1 S. 2 nF
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Juni 2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer bei dieser im Juli 2000 unter Einbezug der geltenden Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen der Beklagten (Bl. 10 - 18 GA) geschlossenen Forderungsausfallversicherung mit der Begründung in Anspruch, er sei bedingungsgemäß mit einer rechtskräftig titulierten Schmerzensgeldforderung über 7.500 EUR gegen Herrn T ausgefallen; Vollstreckungsversuche seien bei dem der Obdachlosenszene angehörenden Schädiger gescheitert und aussichtslos. Die Beklagte hat die Leistung abgelehnt. Sie hat sich u.a. darauf berufen, dass ihre Leistungspflicht nach ihren Bedingungen ausgeschlossen sei, weil T vorsätzlich gehandelt habe. Ausserdem hat sie mit Nichtwissen bestritten, dass T entsprechend Ziffer X.3 a ihrer Versicherungsbedingungen zur Zeit des Schadenereignisses und zum Zeitpunkt des Scheiterns der Vollstreckungsversuche einen festen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Das Landgericht hat in der Verhandlung vom 11.3.2004 gegen den nichterschienenen Kläger ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen (Bl. 70 f GA). Auf den fristgerecht eingelegten Einspruch des Klägers hat es in seinem Urteil vom 1.6.2004 (Bl. 85 f GA), auf das zur näheren Sachdarstellung und Begründung Bezug genommen wird, das Versäumnisurteil aufrechterhalten mit der Begründung, die Beklagte sei schon nicht leistungspflichtig, weil der dem Kläger entstandene Schaden durch eine Vorsatztat herbeigeführt worden sei und dieses Risiko gemäß Ziffer X.1. iVm § 4 II Ziff 1. der Versicherungsbedingungen nicht versichert sei. Außerdem sei der Anspruch nach Ziffer X.3 a der Bedingungen ausgeschlossen, weil T weder zum Zeitpunkt der Tat noch zum Zeitpunkt der Vollstreckungsversuche einen festen Wohnsitz gehabt habe. Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er macht geltend: Ziffer X.1 der Versicherungsbedingungen der Beklagten sei, wenn damit ausgefallene Forderungen, die auf einer Vorsatztat des Schädigers beruhen, ausgeschlossen sein sollten, überraschend und intransparent und damit unwirksam. Gleiches gelte für Ziffer X 3 a der Bedingungen. Dessen Voraussetzungen seien aber auch nicht gegeben, weil T - wie in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen - zwischenzeitlich einen ordentlichen Wohnsitz genommen habe. Er beantragt, unter Abänderung des am 1.6.04 verkündeten Urteils des Landgerichts Bielefeld die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.500 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.4.2002 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Kl. aus dem Versäumnisurteil des LG Bielefeld vom 29.10.02 (2 0 131/02) gegen Herrn T zu zahlen Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das Urteil. II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten aus § 1 VVG, Ziffer X. 1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung (folgend: Besondere Bedigungen) der Beklagten iVm dem Versicherungsvertrag keinen Ausgleich der ihm gegen T zustehenden Forderung über 7.500 EUR verlangen. Sein Anspruch ist gemäß Ziffer X. 3 a der Besonderen Bedingungen der Beklagten vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. 1.) Allerdings steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, dass er - was im Tatbestand des angefochtenen Urteils bindend (§ 314 ZPO) festgestellt worden ist - Opfer einer Vorsatztat wurde. a) Die Versicherungsbedingungen der Beklagten nehmen Ansprüche des Versicherungsnehmers, denen eine vorsätzliche Schädigung durch einen Dritten zu Grunde liegt, vom Versicherungsschutz der Forderungsausfallversicherung nicht aus. aa) Ziffer X. 6 b der Besonderen Bedingungen ("Nicht versichert sind Ansprüche, soweit für den Schaden Leistungen aus ... einer für den Schädiger bestehenden Privathaftpflichtversicherung beansprucht werden können") , auf den die Beklagte insoweit in ihrer Klageerwiderung abgestellt hat, enthält einen entsprechenden Ausschluss schon deshalb nicht, weil von der Privathaftpflichtversicherung des Schädigers für dessen Vorsatztaten wegen § 152 VVG (bzw § 4 Absatz II, Ziff. 1 AHB) Leistungen regelmäßig nicht verlangt werden können. bb) Auch der Regelung in Ziffer X.1. der Besonderen Bedingungen ("Eingeschlossen sind nach den für die eigene Privathaftpflichtversicherung geltenden Bedingungen...Schäden, die der Versicherte selbst durch einen Dritten erleidet...") ist eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf fahrlässig durch Dritte herbeigeführte Schäden nicht zu entnehmen. Die erforderliche Auslegung der Klausel ist nach gefestigter Rechtsprechung des BGH daran auszurichten, wie ein durchschnittlicher VN sie bei aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß; dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (so zB BGH in VersR 1993, 957). Der durchschnittliche VN, der die Besonderen Bedingungen der Beklagten aufmerksam liest und verständig würdigt, wird der vorzitierten Klausel allenfalls entnehmen können, dass die im Rahmen seiner allgemeinen Privathaftpflichtversicherung geltenden Bedingungen und Ausschlüsse auch im Rahmen der Ausfalldeckungsversicherung Anwendung finden. Er wird in seine Überlegungen einbeziehen, dass auch bei Schädigung durch einen Dritten sein Versicherungsschutz bei eigenem Fehlverhalten ausgeschlossen ist, zB gemäß § 4 Absatz II Ziffer 1 AHB ( "Ausgeschlossen von der Versicherung bleiben... Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben..."), wenn er, der anspruchstellende VN selber, das zum Schaden führende Verhalten des Dritten vorsätzlich provoziert hat. Anhalt zu der Annahme, dass das vorsätzliche Verhalten des Schädigers den Versicherungsschutz entfallen lassen kann, bietet sich für ihn indessen nicht - das Verhalten des mit dem versicherten Anspruchsteller nicht identischen Schädigers ist weder in § 4 Abs II Ziffer 1 AHB noch in Ziffer X. 1 der Besonderen Bedingungen erwähnt. Der VN wird (deshalb) auch nicht erwarten, dass er aufgrund eines Fehlverhaltens des Dritten, auf den er keinerlei Einfluss nehmen kann, seinen Versicherungsschutz verliert. Ergibt schon die Auslegung von Ziffer X.1. der besonderen Bedingungen keinen Risikoausschluss für Vorsatztaten Dritter, kommt es auf die Frage, ob die Klausel gemäß § 307 Absatz I Satz 2 BGB nF unwirksam, weil unklar, ist und den VN unangemessen benachteiligt, nicht (mehr) an. 2.) Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, scheitert der Anspruch des Klägers aber an Ziffer X. 3 a der Besonderen Bedingungen. a) Wenn Ziffer X. 3 a der Besonderen Bedingungen verlangt, dass " der Schädiger sowohl zum Zeitpunkt des Schadensereignisses als auch zum Zeitpunkt des Scheiterns des Vollstreckungsversuches seinen festen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat", muss der durchschnittliche VN das dahin verstehen, dass immer dann kein Versicherungsschutz besteht, wenn sein Forderungsschuldner zu den genannten Zeitpunkten keinen festen Wohnsitz hat oder wenn er seinen festen Wohnsitz im Ausland hat. Trotz der Verwendung eines Possessivpronomens ("seinen") erstreckt sich durch die ausdrückliche Einbeziehung des Adjektives "fest" der Ausschluss für den VN erkennbar nicht nur auf den Fall, in dem der Schädiger im Ausland residiert, sondern auch auf die Alternative, in der der Schädiger wohnsitzlos ist. b) Die Klausel ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht überraschend im Sinne von § 305 c I BGB, sie ist Vertragsbestandteil geworden und hält auch einer Inhaltskontrolle statt. Überraschend im Sinne von § 305 c I BGB nF sind Klauseln dann, wenn ihnen ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie müssen eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (BGHZ 109, 197). Mit der von der Beklagten angebotenen Ausfall- Deckungsversicherung bietet die Beklagte in Ziffer X. 1. der Besonderen Bedingungen Versicherungsschutz für Schäden, die der VN erleidet, wenn und soweit er seine Schadensersatzforderung gegen den Schädiger nicht durchsetzen kann. Davon, dass dieser erkennbar weit gesteckte Leistungsrahmen der näheren Ausgestaltung und Einschränkung bedarf, wird der verständige VN ohne weiteres ausgehen. Hierauf wird er zudem mit der Überschrift in Ziffer X. 3. (" Weitere Voraussetzungen für die Leistungspflicht sind...") ausdrücklich hingewiesen. Die Einschränkung in Ziffer X. 3 a) der Besonderen Bedingungen enthält für sich genommen entgegen der Auffassung des Klägers auch keine erhebliche Reduzierung des versicherten Kernbereichs. Es sollen vielmehr nur solche Forderungen vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, die aus einem anderen Grund als dem der bloßen Vermögenslosigkeit des Forderungsschuldners nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen - wegen eines fehlenden Wohnsitzes oder eines Wohnsitzes im Ausland - durchgesetzt werden können. Mit Einschränkungen dieser Art wird der verständige VN indessen rechnen, insbesondere, wenn er berücksichtigt, dass die Beklagte das Risiko der Beitreibung der ihr nach Ziffer X.7. der Besonderen Bedingungen abzutretenden Forderung übernimmt. Im Hinblick auf diesen Sinn und Zweck der Klausel kann auch eine den VN nach Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung (§ 307 I 2 BGB) nicht erkannt werden. c) Weil T weder zum Zeitpunkt des Schadensfalles, noch zum Zeitpunkt der späteren Vollstreckung über einen festen Wohnsitz verfügte, ist die gegen ihn gerichtete Forderung des Klägers vom Versicherungsschutz der Ausfallversicherung nicht umfasst. aa) Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hat, umgangssprachlich habe auch der regelmäßig eine Stelle - zB eine Parkbank - aufsuchende Obdachlose einen festen Wohnsitz, geht er fehl. Was unter dem Begriff "fester Wohnsitz" zu verstehen ist, wird in Ziffer X 3.a der Besonderen Bedingungen nicht näher ausgeführt und ist deshalb durch Auslegung des Begriffs zu ermitteln. Dabei gilt, dass dann, wenn die Rechtssprache mit einem verwendeten Ausdruck einen bestimmten Begriff verbindet, im Zweifel anzunehmen ist, dass auch die AVB darunter nichts anderes verstehen wollen (BGH in: RuS 1992, 168 (169)). Mit dem vorliegend verwendeten Ausdruck des "Wohnsitzes", der in § 7 BGB als der Ort der ständigen Niederlassung definiert wird, verbindet die Rechtssprache begrifflich eine eigene Unterkunft und den Willen, diese zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen (Palandt: BGB, 64. Auflage, Rn 6 zu § 7 BGB (Heinrichs)). Diese Voraussetzungen liegen bei einem Obdachlosen nicht vor. Dass dies auch von einem juristischen Laien so gesehen wird, erschließt sich schon daraus, dass im allgemeinen Sprachgebrauch als Synonym für den dem Wortsinn nach eine eigene Unterkunft ausschliessenden Begriff "obdachlos" der Ausdruck "wohnsitzlos" verwendet wird. bb) Weder zum Zeitpunkt des Schadenfalles, noch zum Zeitpunkt der späteren Vollstreckung verfügte T über einen festen Wohnsitz im vorstehend ausgeführten Sinn. Wie der Kläger selber vortragen lässt, gehörte T jedenfalls zum Tatzeitpunkt am 7.9.2001 der C "Obdachlosenszene" an; bei der Adresse "L-Strasse" handelt es sich ausweislich des Hinweises des Landgerichts vom 18.2.2004, dessen Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, um eine Kontaktadresse für Obdachlose. Der fruchtlose Versuch der Vollstreckung fand - wie das Landgericht im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgestellt hat - statt, als T postalisch unter der Anschrift "I-Weg" gemeldet war; da es sich auch dabei unstreitig um eine Kontaktadresse für Obdachlose handelt, verfügte er auch zu diesem Zeitpunkt nicht über einen festen Wohnsitz. Soweit der Kläger hat vortragen lassen, T habe "zwischenzeitlich" einen "ordnungsgemäßen" Wohnsitz in C genommen, sind allein damit die Voraussetzungen der Ziffer X. 3 a der Besonderen Bedingungen nicht erfüllt. Außerdem ist dieser Vortrag - worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat - nicht ausreichend substantiiert: Vor dem Hintergrund, dass der als Zeuge für die klägerische Behauptung benannte T nach wie vor unter der Kontaktadresse "L-Strasse" geladen werden soll, hätte der Kläger konkret darlegen müssen, wo T nunmehr welche Unterkunft genommen haben soll. III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 Abs II Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück