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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 20 U 171/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 234
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 07. Juni 2006 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 11.102,04 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 07.06.2006 hat das Landgericht Bochum die auf Zahlung gerichtete Klage des Klägers abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.07.2006 zugestellt worden (Bl. 186 d.A.). Dieser legte am 02.08.2006 Berufung gegen das Urteil ein (Bl. 195 d.A.). Mit Schriftsatz vom 07.09.2006 beantragte der Kläger, ihm Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren (Bl. 206 d. A.). Zuvor - am 06.09.2006 - hatte die Geschäftsstellenbeamtin Frau M beim Prozessbevollmächtigten des Klägers angerufen und auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen.

Unter dem 29.09.2006 begründete der Kläger die eingelegte Berufung (Bl. 227 d. A.)

Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründet der Kläger wie folgt (Bl. 217 d. A.):

Sein Prozessbevollmächtigter habe am 19.08.2006 (Samstag) ein Fristverlängerungsgesuch verfasst (Bl. 209 d. A.; zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eingereicht) und noch am selben Tag persönlich in den Briefkasten bei der Hauptpost in S - ordnungsgemäß frankiert - eingeworfen. Des weiteren habe sein Prozessbevollmächtigter verfügt, dass die verlängerte Berufungsbegründungsfrist hinsichtlich des Fristverlängerungsantrages notiert würde (Bl. 210 d. A.: "4.10.06"). Am 06.09.2006 habe sich sein Prozessbevollmächtigter mit Frau M telefonisch in Verbindung gesetzt. Diese habe ihm mitgeteilt, dass sie sich an den Eingang des Fristverlängerungsgesuches erinnern, diesen aber nicht finden könne.

Offensichtlich sei der Fristverlängerungsantrag rechtzeitig bei Gericht eingegangen, versehentlich jedoch der falschen Akte zugeordnet worden. Die Nichtbearbeitung des Fristverlängerungsantrages stelle daher kein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten dar, so dass Widereinsetzung dergestalt zu gewähren sei, dass die Begründungsfrist bis zum 04.10.2006 zu verlängern sei.

II.

Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Die Berufung ist nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden. Dem Kläger konnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Frist nicht gewährt werden.

1.) Die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO begann mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, hier am 04.07.2006 und endete am 04.09.2006.

2.) Da die Berufungsbegründung erst am 29.09.2006 beim Oberlandesgericht eingegangen ist, hat der Kläger die Begründungsfrist versäumt. Entgegen der Darstellung des Klägers ist der Fristverlängerungsantrag vom 19.08.2006 - der den Eintritt des Fristablaufes verhindert hätte - nicht innerhalb der - bis zum 04.09.2006 laufenden - Begründungsfrist eingegangen. Der Eingang eines solchen Verlängerungsantrages lässt sich überhaupt nicht feststellen. In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger nicht auf eine von seinem Prozessbevollmächtigten behauptete anderslautende Bestätigung der Geschäftsstellenbeamtin Frau M berufen. Wie sich aus ihrer dienstlichen Äußerung vom 20.09.2006 (Bl. 223 d. A.) - die dem Kläger zur Kenntnis gebracht worden ist - ergibt, hat sie im Telefongespräch den Eingang eines Fristverlängerungsgesuches in der vorliegenden Sache nicht bestätigt. Sie hat lediglich erklärt, dass ihr das Aktenzeichen 171/06 etwas "sage". Aus dem weiteren Inhalt der dienstlichen Äußerung geht hervor, dass sich später dann herausstellte, dass es sich dabei aber um ein erstinstanzliches Aktenzeichen einer anderen Sache handelte, deren Akten vom Landgericht eingegangen waren. Der Senat hat keine Veranlassung, die Richtigkeit der dienstlichen Äußerung von Frau M in Zweifel zu ziehen.

3.) Wegen der Versäumung der Begründungsfrist konnte dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

a) Der Antrag ist gemäß § 233, 234 ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht worden.

b) Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert gewesen ist, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§ 233 ZPO). Die Versäumung der Begründungsfrist beruhte auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers, welches sich dieser nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

aa) Zwar kann ein Prozessbevollmächtigter die ihm kraft Gesetzes eingeräumten Fristen bis zu deren Ablauf ausschöpfen. Deshalb ist es unschädlich, wenn ein Prozessbevollmächtigter das Fristverlängerungsgesuch dergestalt absendet, dass es bei gewöhnlichem Lauf der Dinge und bei Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeiten rechtzeitig bei Gericht hätte eingehen können, tatsächlich aber erst später eingeht. In einem solchen Falle ist grundsätzlich Widereinsetzung zu gewähren (Zöller-Greger, ZPO, 25 Aufl., zu § 233 "Fristverlängerung"). Vorliegend lässt sich ein - verspäteter - Eingang des Verlängerungsantrages aber gerade nicht feststellen (s.o.).

bb) Der Prozessbevollmächtigte kann sich auch nicht darauf berufen, dass er alles getan hätte, um die Begründungsfrist einzuhalten. Denn zu den Pflichten eines Prozessbevollmächtigten gehört es, dafür Sorge zu tragen, dass - noch nicht ausgeschöpfte - Berufungsbegründungsfristen nicht schon mit der Einreichung des Fristverlängerungsantrages, sondern erst nach Bewilligung der Fristverlängerung im Fristenkalender gelöscht werden (BGH, Urteil vom 26.06.2006 - Az.: II ZB 26/05 -AnwBl 2006, 671; BGH, Urteil vom 14.07.1999 - A.: XII ZB 62/99 - NJW-RR 1999, 1663). Im vorliegenden Falle ist festzustellen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht nur keine entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen hatte, sondern dass er am 19.08.2006 selbst anordnete, die - hypothetisch verlängerte - neue Begründungsfrist auf den 04.10.2006 zu notieren, womit gleichzeitig - pflichtwidrig - die bis zum 04.09.2006 laufende - und noch nicht verlängerte - Begründungsfrist gelöscht wurde. Wäre die noch laufende Frist notiert geblieben, wären dem Prozessbevollmächtigten die Akten fristgerecht vorgelegt worden. Einerseits hätte er dann die Begründungsfrist durch Anfertigung eines entsprechenden Schriftsatzes und Einreichung bei Gericht noch einhalten können. Andererseits hätte er bei Gericht nachfragen können, warum sein Fristverlängerungsantrag noch nicht beschieden wurde. Der Nichteingang des Verlängerungsantrages wäre dann vor Fristablauf festgestellt worden, so dass ein fristwahrender Verlängerungsantrag noch hätte eingereicht werden können. In beiden Fällen wäre die Berufungsbegründungsfrist nicht versäumt worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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