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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 20 U 172/06
Rechtsgebiete: StPO, VVG, VHB 74, BGB, StGB
Vorschriften:
StPO § 153 a | |
VVG § 59 Abs. 2 | |
VVG § 59 Abs. 3 | |
VHB 74 § 13 Nr. 1 d | |
VHB 74 § 16 Nr. 2 | |
BGB §§ 812 ff. | |
BGB § 823 | |
StGB § 263 |
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.07.2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.714,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2002 zu zahlen.
Die Kosten der ersten Instanz werden zu 13 % der Klägerin und zu 87 % dem Beklagten auferlegt.
Die Kostend er Berufungsinstanz trägt der Beklagte voll.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung einer aus einer Hausratversicherung gezahlten Entschädigung in Anspruch.
Der Beklagte hatte seit 1982 bei der Klägerin seinen Hausrat versichert. Seit 1992 bestand eine solche Versicherung auch bei der T.
In den Jahren 1999 und 2002 ereigneten sich folgende Schadensfälle, die der Beklagte der Klägerin zur Regulierung anmeldete:
- Blitzüberspannungsschaden vom 18.08.1999 über 799,00 DM unter Vorlage der einer Rechnung der Fa. U. Dieser Versicherungsfall wurde von der Klägerin am 16.09.1999 in voller Höhe reguliert (Bl. 31 d. A.).
- Hagelschaden vom 30.10.2002. Diesen Versicherungsfall regulierte die Klägerin durch Zahlung der geltend gemachten 700,00 € am 30.10.2002 (Bl. 42 d. A.).
- Leitungswasserschaden vom 02.07.2002 nach geplatzter Heißwasserleitung, den die Klägerin unter dem 30.09.2002 durch Zahlung von 7.714,00 € regulierte.
Den Blitzüberspannungsschaden meldete der Beklagte auch der T im Jahre 2001 ebenfalls unter Vorlage der Rechnung U. Die T zahlte ebenfalls 799 DM.
Den Leitungswasserschaden meldete der Beklagte auch bei der T zur Regulierung an. Die T lehnte mit Schreiben vom 17.03.2003 eine Regulierung ab.
Zum Nachweis des Leitungswasserschadens übersandte der Beklagte sowohl der Klägerin als auch der T im Wesentlichen identische Originalrechnungen der Firmen M und S (vgl. Bl. 10 ff. BA).
Mit Schreiben vom 21.11.2002 erklärte die Klägerin die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung unter Bezugnahme auf eine betrügerische Doppelversicherung und forderte den Beklagten zur Rückzahlung der (für alle drei Fälle) erhaltenen 8.822,52 € auf. Gleichzeitig erstatte sie Strafanzeige gegen den Beklagten. Das Ermittlungsverfahren ist nach Zahlung von 4.000,00 € seitens des Beklagten nach § 153 a StPO eingestellt worden.
Die Beklagte hat sich betrogen gesehen und sich für leistungsfrei gehalten (Arglist und Obliegenheitsverletzungen). Sie hat behauptet, erstmals im November 2002 von dem Bestehen einer weiteren Hausratversicherung bei der T erfahren zu haben.
Sie hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 8.822,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2002 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, dass die Klägerin ihn selbst auf die Möglichkeit einer Doppelversicherung hingewiesen habe. Daraufhin habe er bei der T über den Zeugen I ebenfalls eine Hausratversicherung genommen. Der Zeuge I habe sich darum kümmern wollen, die Versicherung bei der T der Klägerin zu melden.
Der Umstand, dass er bzgl. des Leitungswasserschadens identische Schadensbelege eingereicht habe, erkläre sich damit, dass er davon ausgegangen sei, die Versicherer würden sich insoweit absprechen. Spätestens am Schadentag sei den Versicherern bekannt geworden, dass zwei Hausratversicherungen bestanden hatten. Nach Meldung des Schadens am 02.07.2002 sei der (von der T beauftragte) Zeuge L erschienen, der aber erklärt habe, die Teppiche nicht am gleichen Tage abholen zu können. Dies habe er dem Zeugen C (Agent der Klägerin) erklärt, der dann veranlasst habe, dass die Teppiche abgeholt wurden.
Das Landgericht hat nach Vernehmung der beteiligen Zeugen die Klage abgewiesen.
Rückzahlungsansprüche seien nicht gegeben. Der Beklagte sei nicht ungerechtfertigt bereichert, da die Anfechtung der Klägerin ins Leere gehe. Es sei nicht dargelegt, dass der Beklagte bereits bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1982 beabsichtigt habe, die Klägerin dergestalt zu täuschen, dass er 10 Jahre später bei der T ebenfalls eine Hausratversicherung nehmen würde.
Aus den gleichen Gründen sei auch § 59 Abs. 3 VVG nicht einschlägig. Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen sei auch nicht gegeben. Bzgl. des Leitungswasserschadens vom 02.07.2002 gelte dies, weil der Klägerin nicht bewiesen habe, dass der Beklagte die Regulierungsurkunde vom 30.09.2002 in Kenntnis des Umstandes, dass das das Kästchen in Bezug auf anderweitigen Versicherungsschutz angekreuzt war, unterschrieben habe. So habe der Zeuge T1 bekundet, sich nicht daran erinnern zu können, ob er die Frage nach weiteren Versicherungen überhaupt gestellt habe. Jedenfalls habe der Beklagte die Vorsatzvermutung ausgeräumt. Es sei auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, dass der Beklagte davon ausgegangen sei, die beiden beteiligten Versicherer würden sich absprechen.
Ansprüche aus unerlaubter Handlung unter dem Gesichtspunkt des Betruges seien zu verneinen, da nicht ersichtlich sei, welcher Schaden der Klägerin entstanden sein könnte. Auch im Falle der betrügerischen Doppelversicherung bliebe der Erstversicherer vollumfänglich eintrittspflichtig, wenn (nur) der zweite Vertrag in betrügerischer Weise geschlossen worden ist.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Ansprüche jedoch nur noch in Bezug auf die auf den Leitungswasserschaden vom 02.07.2002 in Höhe von 7.714,00 € gezahlte Entschädigung weiterverfolgt.
Der Beklagte habe nicht nur die Aufklärungsobliegenheit nach § 13 Nr. 1 d VHB vorsätzlich verletzt, sondern - vom Landgericht nicht beachtet - die Klägerin arglistig getäuscht (§ 16 Nr. 2 VHB). Die arglistige Täuschung anlässlich der Regulierungsverhandlungen sei darin zu sehen, dass er die weitere Hausratversicherung bei der T verschwiegen habe.
Der Beklagte habe keinen Grund für die Annahme gehabt, die Doppelversicherung sei der Klägerin und der T bekannt gewesen und diese würden sich abstimmen. Allein in dem Antrag auf Abschluss bei der T im Jahre 1992 sei ein Hinweis auf die Versicherung bei der Klägerin enthalten gewesen. Der Beklagte habe jedoch gleichzeitig erklärt, die Versicherung bei der Klägerin kündigen zu wollen. Die T habe daher keine Veranlassung gehabt, sich mit der Klägerin auszutauschen. Dies gelte erst recht für die Klägerin, die keinerlei Kenntnis von der Versicherung bei der T gehabt habe. Der Hinweis des Beklagten und der Agenten I (T) gegenüber der T habe allein die Gebäudeversicherung betroffen.
Jedenfalls habe die behauptete Kenntnis der jeweils anderen Versicherung den Beklagten nicht gehindert, sich jeweils zwei Originalrechnungen zu beschaffen und diese auch bei den Versicherern einzureichen. Diese Vorgehensweise indiziere die Arglist.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist in dem jetzt noch geltend gemachten Umfang begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf (Rück-)Zahlung von 7.714,00 € gemäß §§ 812 ff. BGB nebst Zinsen zu. Die Klägerin ist in Bezug auf den Leitungswasserschaden nach § 16 Nr. 2 VHB 74 leistungsfrei geworden, so dass der Beklagte zur Rückzahlung der - rechtsgrundlos - für den Leitungswasserschaden gezahlten Versicherungsleistung verpflichtet ist.
1.) Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Klägerin Rückzahlungsansprüche aus § 812 ff. BGB wegen der Anfechtung des Versicherungsvertrages und wegen Leistungsfreiheit aufgrund von Obliegenheitsverletzungen des Klägers, aus § 59 Abs. 3 VVG und aus § 823 BGB, § 263 StGB nicht zustehen.
2.) Der Beklagte hat die Klägerin aber bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung arglistig getäuscht, so dass die Klägerin leistungsfrei geworden und Rückzahlung der geleisteten Entschädigung beanspruchen kann.
a) Nach § 16 Nr. 2 der hier vereinbarten VHB 74 wird der Versicherer leistungsfrei, wenn "der Versicherungsnehmer sich bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig" macht.
Dabei setzt eine arglistige Täuschung bei der Schadensermittlung nur vorsätzlich falsche Angaben mit dem Ziel voraus, dadurch auf die Feststellung des Schadens oder die Entschließung des Versicherers Einfluss zu nehmen. Bereicherungsabsicht ist nicht erforderlich (Senat r+s 1987, 139; OLG Köln r+s 2002, 122). So ist Arglist insb. dann anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer falsche Belege über angeblich entwendete Gegenstände einreicht oder Belege einreicht, aus denen hervorgeht, den Rechnungsbetrag gezahlt zu haben, obwohl es sich dabei nur um einen Kostenvoranschlag handelt (Senat Urteil vom 08.02.1989, 20 U 162/88).
b) Der Beklagte hat die Klägerin vorliegend dadurch arglistig getäuscht, dass er den Leitungswasserschaden vom 02.07.2002 bei der Klägerin zur Regulierung anmeldete und entsprechende Rechnungen einreichte, ohne die Klägerin darüber zu unterrichten, dass er bei der T ebenfalls eine Hausratversicherung unterhielt und den Schaden auch dort zur Regulierung anzumelden beabsichtigte. Durch das Verschweigen dieser Umstände wollte der Beklagte auf die Entschließung der Klägerin Einfluss nehmen. Dieses Verhalten war geeignet, Einfluss auf die Entscheidung der Klägerin zu nehmen. Denn im Falle einer Doppelversicherung kann der Versicherungsnehmer den Gesamtschaden nur einmal beanspruchen (§ 59 Abs. 1 VVG), und ist ein Versicherer wegen der aus § 59 Abs. 2 VVG folgenden Ausgleichspflicht im Ergebnis nur verpflichtet, den Anteil der Entschädigung zu leisten, der der mit ihr vereinbarten Versicherungssumme entspricht. Die Offenbarung der Doppelversicherung hätte zumindest dazu geführt, dass die Klägerin vor Regulierung weitere Prüfungen vorgenommen hätte.
Der Beklagte war vorliegend verpflichtet, der Klägerin ungefragt die vorstehend dargelegten Umstände zu offenbaren. Zwar wird man eine solche Verpflichtung des Versicherungsnehmers nicht generell annehmen können. Insoweit steht es dem Versicherer frei, die Fragen zu stellen, die er für erforderlich hält. Aus den besonderen Umständen des vorliegenden Falles lässt sich eine solche Verpflichtung aber herleiten. So ist anerkannt, dass aus dem Hauptvertrag die Nebenpflicht folgt, den anderen Vertragsteil unaufgefordert über bekannte entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, wenn der andere Vertragsteil nach Treu und Glauben und den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten darf (BGH NJW 1989, 763; BAG NZA 2005, 1298; MüKo/Roth, 4. Aufl., zu § 241 RdNr. 121 ff.)
Vorliegend war dem Beklagten bekannt, dass er auch im Falle einer Doppelversicherung den eingetretenen Schaden höhenmäßig nur einmal ersetzt verlangen konnte. Ihm war auch bekannt, dass der Umstand der Doppelversicherung für die jeweils andere Versicherung Bedeutung hatte. Denn nach eigenen Angaben hatte der Zeuge I anlässlich des Abschlusses der Versicherung bei der T es übernommen, der Klägerin diese Versicherung anzuzeigen. Aus der Regulierung des Blitzüberspannungsschadens im Jahre 1999 durch die Klägerin und im Jahre 2001 durch die T war dem Beklagten auch spätestens seit dem Jahr 2001 (also vor dem hier relevanten Leitungswasserschaden) bekannt, dass die von ihm lediglich angenommene Verständigung zwischen den beiden Versicherern nicht stattgefunden haben konnte (dass er den Zeugen U1 anlässlich der Aufnahme des Schadens informiert hat, trägt er selbst nicht vor und hat der Zeuge U1 auch nicht bekundet). Denn der Beklagte hatte den Blitzüberspannungsschaden zweimal in voller Höhe zur Regulierung angemeldet und auch von beiden Versicherungen ersetzt erhalten, mithin einen Schaden doppelt abgerechnet. Vor diesem Hintergrund war der Beklagte gegenüber der Klägerin bei der Schadensanzeige zur Offenbarung der Versicherung bei der T verpflichtet. Dieses Versäumnis ist ihm mit der Folge vorzuwerfen, vorsätzlich falsche Angaben durch Unterlassen gemacht zu haben.
Die Vorgehensweise des Beklagten bewertet der Senat auch als arglistig. Ein Versicherungsnehmer, der - wie hier der Beklagte - sich zwei Originalrechnungen ausstellen lässt, diese Rechnungen bei zwei Versicherern einreicht, ohne den bei den Versicherern offensichtlich bestehenden Irrtum über eine jeweils bei dem anderen Versicherer bestehenden Versicherung aufzuklären, will nicht eine Abstimmung zwischen den beteiligten Versicherern erreichen, sondern will einen Schaden - ungerechtfertigt - zweimal doppelt ersetzt erhalten (wie auch schon anlässlich des Blitzüberspannungsschadens).
c) Da der Beklagte bereits bei Meldung des Schadens und Einreichung der Originalrechnungen arglistig handelte, kam es auf die zwischen den Parteien streitigen Umstände im Zusammenhang mit dem Ausfüllen der Regulierungsurkunde vom 30.09.2002 nicht mehr an.
3.) Der Zinsanspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB) begründet, nachdem der Beklagte durch die Klägerin mit Schreiben vom 15.12.2002 erfolglos zur Rückzahlung aufgefordert worden ist.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr. 10 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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