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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.01.2006
Aktenzeichen: 20 U 174/05
Rechtsgebiete: AUB 61


Vorschriften:

AUB 61 § 10 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.06.2005 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.

Gründe:

I.

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Unfallversicherung genommen, welcher die AUB 61 der Beklagten zugrunde liegen. Aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 11.09.2000 begehrt er eine Entschädigung von 30.677,51 EUR (nebst Zinsen), was einer Invalidität von 100 % entspricht.

Mit dem Haftpflichtversicherer des - für den Unfall allein verantwortlichen - Unfallgegners hat sich der Kläger, wie er vor dem Senat erklärt hat, auf eine Schadensersatzzahlung von 20.000 EUR zur Abgeltung aller Unfallfolgen geeinigt.

Das Landgericht hat ein orthopädisches Gutachten von X/ M und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von U eingeholt. Die Sachverständigen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine unfallbedingte Invalidität nicht vorliege. Das Landgericht hat daraufhin die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er wendet sich gegen die Beurteilung durch die orthopädischen Sachverständigen und macht dazu geltend, diese hätten zu einem - für den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners erstatteten - Gutachten des Chirurgen Y vom 28.04.2004 Stellung nehmen müssen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen M; hierzu wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

II.

Die Berufung bleibt aus den bereits von dem Landgericht angeführten Gründen ohne Erfolg. Ergänzend ist dazu auszuführen:

1.

Eine unfallbedingte Invalidität lässt sich - jedenfalls soweit sie nicht allein mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden könnte (dazu unten 2) - nicht feststellen.

a)

Dass - entgegen den Ausführungen des Sachverständigen U neurologische Unfallfolgen bestünden, wird von der Berufung nicht geltend gemacht, wie der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter vor dem Senat ausdrücklich klargestellt haben.

b)

Aber auch eine dauerhafte unfallbedingte Beeinträchtigung auf orthopädischem Gebiet lässt sich nicht feststellen.

Der Sachverständige M, an dessen Erfahrung und Sachkunde keine Zweifel bestehen, hat vor dem Senat überzeugend erläutert, dass für eine solche Folge keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen. Die von dem Kläger geschilderten Beeinträchtigungen stellen sich vielmehr - soweit sie nicht allein mit ihrer psychogenen Natur zu erklären wären - als Folge einer schicksalhaften, degenerativen Entwicklung dar. Weder die Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungen noch sonstige Umstände sprechen für eine dauerhafte Schädigung durch den Unfall vom 11.09.2000. Bei einem Unfall, wie er hier in Rede steht, sind die Folgen nach allgemeiner medizinischer Erkenntnis spätestens nach zwei Jahren ausgeheilt. Dies gilt, wie der Sachverständige vor dem Senat bekräftigt hat, auch dann, wenn der Kläger im Zeitpunkt des Zusammenstoßes seinen Kopf zur Seite gewandt hatte. Der Senat folgt diesen Ausführungen des Sachverständigen.

Das von dem Kläger angeführte Gutachten von Y steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Dieses Gutachten beinhaltet, wie auch der Sachverständige M erläutert hat, keine abschließende Beurteilung. Es empfiehlt erst eine neurologische und orthopädische Begutachtung. Es enthält keine Argumente, welche Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung durch den Sachverständigen M begründen würden.

2.

Sonstige dauerhafte Unfallfolgen wären allein mit ihrer psychogenen Natur zu erklären. Versicherungsschutz dafür wäre gemäß § 10 Abs. 5 AUB 61 ausgeschlossen, wo es heißt:

"Für die Folgen psychischer und nervöser Störungen, die im Anschluß an einen Unfall eintreten, wird eine Entschädigung nur gewährt, wenn und soweit diese Störungen auf eine durch den Unfall verursachte organische Erkrankung des Nervensystems oder eine durch den Unfall neu entstandene Epilepsie zurückzuführen sind."

Die Klausel ist nach Auffassung des Senats dahin auszulegen, dass vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden Unfallfolgen, die allein mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden können (vgl. - zu § 2 Abschnitt IV AUB 88/94 - BGHZ 159, 360 = VersR 2004, 1039; VersR 2004, 1449; Senat, Urt. vom 25.01.2006 - 20 U 89/05).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer (vgl. BGHZ 123, 83 = VersR 1993, 957) wird bei Durchsicht der Bedingungen wahrnehmen, dass für Unfallfolgen zunächst umfassend Versicherungsschutz zugesagt wird. Er wird vor diesem Hintergrund die Klausel nicht dahin verstehen, dass jedes psychische Leiden (welches nicht ohnehin auf eine organische Erkrankung des Nervensystems oder eine unfallbedingte Epilepsie zurückzuführen ist) vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein soll. Vielmehr wird er bemerken, dass die Klausel nur psychische "Störungen" (nicht alle "psychischen Folgen" oder - wie in § 2 Abschnitt IV AUB 88/94 - "psychische Reaktionen") vom Versicherungsschutz ausschließt. Zumal deshalb wird er zu dem Ergebnis kommen, dass psychische Folgen, welche sich durch eine bestimmte organische Beeinträchtigung und nicht nur mit ihrer psychogenen Natur erklären lassen, versichert sind, auch wenn im Einzelfall das Ausmaß, in welchem sich die organische Ursache auswirkt, von der psychischen Verarbeitung durch den Versicherten abhängt (vgl. zu alldem die vorgenannte Rechtsprechung zu § 2 Abschnitt IV AUB 88/94).

Die Klausel ist hiernach wirksam (vgl. die vorgenannte Rechtsprechung). Sie gefährdet insbesondere nicht den Vertragszweck.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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