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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 20 U 183/05
Rechtsgebiete: ZPO, AUB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
AUB § 1 III
AUB § 2 II (3)
AUB § 7 I (1)
AUB § 7 I
AUB § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird dem Berufungskläger folgender Hinweis erteilt:

Die eingelegte Berufung verspricht keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, sie durch Beschluß zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung in Anspruch.

Dem Vertrag liegen die AUB 1995 zugrunde.

Im Jahr 1998 stellten sich bei dem Kläger Beschwerden an seinem rechten Fuß ein, die in der Folgezeit zunahmen und sich zu einer Art "Knochenfraß" steigerten. Erst im April 2004 diagnostizierte und behandelte der Hausarzt des Klägers bei diesem eine Borreliose.

Der Kläger meldete der Beklagten einen Zeckenbiß aus dem Jahr 1998 als Unfall und verlangte Leistungen aus der Unfallversicherung.

Die Beklagte verwies auf § 2 II (3) AUB 95 und verneinte ihre Eintrittspflicht.

Der Kläger hat eine Invaliditätsentschädigung von 10 % nach der Gliedertaxe für angemessen gehalten und 4.090,34 € eingeklagt mit der Behauptung, die vorliegende Funktionsbeeinträchtigung seines rechten Fußes sei durch eine Borreliose, ausgelöst durch einen Zeckenbiß im Jahr 1998, verursacht.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Sie hat auf den Ausschluß des § 2 II (3) AUB 95 verwiesen und im übrigen geltend gemacht, die Unfallfolgen seien nicht innerhalb der Frist des § 7 I. (1) AUB eingetreten, ärztlich festgestellt und geltend gemacht worden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger greift das Urteil mit der Berufung an und verfolgt seinen Zahlungsanspruch aus erster Instanz weiter.

Er hält die Fristenregelung des § 7 I. (1) AUB für intransparent und weist im übrigen darauf hin, daß er bis zu der Diagnose seines Arztes im April 2004 von dem Zeckenbiß nichts gewußt habe. Er hält es auch für treuwidrig, daß die Beklagte sich erstmal im Prozeß auf die Frist berufen hat, da sie vorprozessual stets nur auf den Ausschluß verwiesen und ihn hinsichtlich einzuhaltender Fristen nicht belehrt habe.

Schließlich sei auch völlig ungeklärt, seit wann eine Invalidität bei ihm vorgelegen habe, denn der Knochenfraß habe sich als schleichender Prozeß entwickelt und sei nicht von heute auf morgen aufgetreten.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Die Klage ist aus mehreren Gesichtspunkten unbegründet.

1. Die Klage ist schon deshalb unschlüssig, weil keine ärztliche Feststellung unfallbedingter Invalidität vorliegt.

Das Erfordernis der ärztlichen Feststellung (innerhalb von 15 Monaten) stellt ebenso wie der Eintritt der Invalidität binnen Jahresfrist eine die Entschädigungspflicht des Versicherers begrenzende Anspruchsvoraussetzung dar (so schon BGH, Urteil vom 28.06.1978 IV ZR 7/77 - VersR 1978, 1036; ferner BGH, Urteil vom 19.11.1997 IV ZR 348/96 -VersR 1998, 175). Bei Fehlen einer ärztlichen Feststellung ist - da die ärztliche Feststellung Anspruchsvoraussetzung ist - ein Entschuldigungsbeweis nicht möglich (vgl. zuletzt BGH, Urt.v.23.02.2005 - IV ZR 273/03 - VersR 2005, 639). Es ist daher auch rechtlich ohne Belang, daß es dem Kläger vor der im Jahr 2004 erfolgten Diagnose nicht möglich war, eine durch den Zeckenbiß verursachte Invalidität ärztlich feststellen zu lassen.

Da der Kläger jedoch überhaupt keine ärztliche Feststellung einer unfallbedingten Invalidität vorgelegt hat, ist seine Klage jedenfalls unbegründet, ohne daß es auf die weitere Frage der versäumten Frist noch ankäme.

Zu Recht hat das Amtsgericht jedoch auch auf den Fristablauf hingewiesen.

Denn da die Frist, binnen derer die ärztliche Feststellung erfolgt sein mußte, längst abgelaufen war - sie endete bei einem Zeckenbiß zu einem nicht näher dargelegten Zeitpunkt im Jahr 1998 spätestens im Frühjar 2000 - bedufte es auch keines Hinweises mehr, weder eines vorprozessualen Hinweises durch die Beklagte noch eines Hinweises durch das Gericht, da eine fristgemäße ärztliche Feststellung ohnehin nicht mehr beizubringen war.

Die in der Berufungsbegründung dargelegte Ansicht des Klägers, die Klausel § 7 I. (1) AUB sei intransparent, teilt der Senat nicht. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Erfordernis der fristgemäßen ärztlichen Feststellung entgegen der Ansicht des Klägers nicht um eine der Obliegenheiten, wie sie in § 9 AUB geregelt sind, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung. Daß die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Versicherungsschutz nicht an einer Stelle in den Bedingungen zusammenhängend dargestellt sind, sondern daß die Voraussetzungen für Invaliditätsleistungen teilweise unter § 7 I AUB geregelt sind, führt nicht zur Intransparenz dieser Regelung; das hat der Bundesgerichtshof in der zuletzt zitierten Entscheidung ausführlich begründet. Der Senat schließt sich dem an.

Obwohl es wegen des Fehlens einer ärztlichen Feststellung darauf nicht mehr entscheidend ankommt, sei wegen des dahingehenden Berufungsangriffs noch darauf hingewiesen, daß kein Fall vorliegt, in dem es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt wäre, sich auf das Fehlen der fristgemäßen ärztlichen Feststellung zu berufen. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, die einen Vorwurf treuwidriges Verhalten der Beklagten begründen könnten.

2. Unbegründet ist die Klage auch deshalb, weil der Kläger selbst darlegt, es sei völlig ungeklärt, seit wann eine Invalidität bei ihm vorgelegen habe.

Das Eintreten von Invalidität binnen Jahresfrist nach dem Unfall ist ebenfalls eine Anspruchsvoraussetzung für eine Invaliditätsentschädigung. Mit dieser Bedingung sollen Spätschäden vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden.

Auch diese Bedingung wird in ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt.v. 19.11.1997, aaO) als wirksam angesehen.

3. Schließlich ist die Klage auch deshalb erfolglos, weil der Ausschluß des § 2 II (3) AUB greift.

Nicht als Unfallverletzung im Sinne dieser Vorschrift gelten Haut- oder Schleimhautverletzungen, die - wie z.B. ein Zeckenbiß - als solche geringfügig sind und durch die sogleich oder später Krankheitserreger in den Körper gelangen. Es handelt sich dabei um einen Wiederausschluß von dem Wiedereinschluß, durch den Versicherungsschutz auch für Infektionen versprochen wird, wenn Krankheitserreger durch eine Unfallverletzung in den Körper gelangen.

Zu Unrecht rügt der Kläger das Verhalten der Beklagten als widersprüchlich, weil sie einen Zeckenbiß einerseits als Unfall bezeichnet hat, anders aber darauf verweist, daß geringfügige Hautverletzung nicht als Unfallverletzung gelten. Die Beklagte hat lediglich darauf hingewiesen, daß ein Zeckenbiß zwar ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, mithin ein Unfall i.S.d. § 1 Abs. III AUB, sei; gleichwohl schließen die Bedingungen alle Infektionen vom Versicherungsschutz aus, die durch Biß oder Stich eines Insekts übertragen werden. Das wird dadurch erreicht, daß geringfügige Verletzungen der Haut nicht als Unfall versichert sind, wenn sie ohne Berücksichtigung der durch die Infektion hervorgerufenen Folgen für sich betrachtet keinen Krankheitswert haben und keiner ärztlichen Behandlung bedurften (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 3.Aufl. § 2 Rn. 81).

Der Senat teilt nicht die Ansicht des Klägers, die Regelungen sei intransparent.

Die Versagung von Versicherungsschutz für Infektionen aufgrund von Insektenstichen oder Zeckenbissen, die selbst nur geringfügige Verletzungen der Haut bewirken und oft wie auch im Fall des Klägers nicht einmal wahrgenommen werden, gelangt in § 2 II (3) AUB deutlich zum Ausdruck. Dadurch hervorgerufene Infektionskrankeiten gehören als Krankheiten nicht zu den Lebensrisiken, die primär durch eine Unfallversicherung abgedeckt werden sollen und werden auch nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht als Unfall verstanden (so Grimm, aaO. Rn. 78).

Der Senat hat den Ausschluß im Fall eines Zeckenbisses, wenngleich zu anders formulierten Bedingungen, schon im Urteil vom 21.11.80 (20 U 76/79 - VersR 1981, 673) für wirksam gehalten.

III.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem erteilten Hinweis binnen einer Frist von 3 Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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