Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.11.2000
Aktenzeichen: 20 U 187/99
Rechtsgebiete: VVG, VHB 84
Vorschriften:
VVG § 49 | |
VHB 84 § 5 Nr. 1 a | |
VHB 84 § 18 |
§§ 49 VVG, 5 Nr. 1 a, 18 VHB 84
1)
Äußeres Bild eines Einbruchdiebstahls bei behauptetem Abhandenkommen mehrerer Sachen.
Der Senat läßt offen, für wieviele Sachen bewiesen sein muß, daß sie vor dem Versicherungsfall vorhanden und danach nicht mehr vorhanden waren, da im konkreten Fall dies auch nicht für eine einzige Sache festgestellt werden konnte.
2)
Umfangreiche Beweisaufnahme.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
20 U 187/99 OLG Hamm 15 O 384/98 LG Münster
Verkündet am 3. November 2000
Lammers, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
In dem Rechtsstreit
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Juli 1999 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung - vereinbart sind die VHB 84 - auf Zahlung einer Einbruchdiebstahlsentschädigung in Höhe von 45.651,00 DM in Anspruch.
Sie behauptet, unbekannte Täter seien während einer Urlaubsabwesenheit der Eheleute B in der Zeit vom 22.07. bis 06.08.1997 in das versicherte Einfamilienhaus, F W eingebrochen und hätten dort technische Geräte im Wert von 1.716,00 DM, Bargeld (695,00 DM) sowie Schmuck und Uhren im Wert von 43.240,00 DM entwendet.
Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie bestreitet den behaupteten Einbruchdiebstahl mit näherer Begründung und beruft sich überdies auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Einreichung der Stehlgutliste. Schließlich bestreitet sie auch die Schadenshöhe.
Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht bewiesen, daß ihr die Sachen, für die sie Entschädigung Verlangt, entwendet worden seien.
Die gegen dieses Urteil gerichtete zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist ihr nicht gemäß §§ 1, 49 VVG; 5 Nr. 1 lit. a, 18 VHB 84 zur Einbruchdiebstahlsentschädigung verpflichtet, weil die Klägerin das äußere Bild eines versicherten Einbruchdiebstahls nicht beweisen konnte.
Insoweit kann offenbleiben, ob die unstreitigen Einbruchspuren an einem Kellerfenster im Büroraum des Zeugen B einem Täter die Möglichkeit eröffnet haben, in das Gebäudeinnere zu gelangen. Das ist nicht zweifelsfrei, weil die Nachbarn M (Bl. 10 R EA 6 Js 479/97 StA Duisburg), (Bl. 16 R EA) und S (Bl. 18 EA) gegenüber der Polizei angegeben haben, die durch das Einschlagen des Kellerfensters entstandene Öffnung sei zu klein gewesen, um eine Person hindurchzulassen; außerdem hätten die spitzen Glaszacken für einen Eindringling eine zu große Verletzungsgefahr dargestellt.
Selbst wenn man zugunsten der Klägerin ein taugliches Aufbruchspurenbild unterstellen wollte, könnte dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls setzt sich nämlich aus zwei Komponenten zusammen: Es muß sowohl für die qualifizierte Begehungsart des Einbruchs gegeben sein (Aufbruchspuren, soweit nicht ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht kommt) wie auch für den in den versicherten Räumlichkeiten geschehenen Diebstahl.
Der BGH hat in seiner insoweit grundlegenden Entscheidung vom 14.06.1995 (VersR 1995, 956) zu Nr. 2 der Entscheidungsgründe ausgeführt, das äußere Bild eines Diebstahls im Rahmen eines versicherten Einbruchdiebstahls verlange, "daß die als gestohlen gemeldeten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren". Dieser Satz ist vereinzelt (Wussow WI 1998, 137; Jestaedt VersR 1999, 753, 754; wohl auch LG München J VersR 2000, 98: "die als gestohlen gemeldeten Sachen") dahingehend mißverstanden worden, als verlange die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Nachweis des äußeren Bildes des Diebstahls den Vollbeweis dafür, daß sämtliche als gestohlen angegebenen Gegenstände tatsächlich entwendet worden sind. In den Entscheidungsgründen zu 3 lit. a des o.a. Urteils hat der BGH jedoch bereits einschränkend gesagt, der VN müsse den Vollbeweis (nur) insoweit führen, als das behauptete Diebesgut "im wesentlichen in der angegebenen Menge vor dem Diebstahl vorhanden" war. Dieser Auffassung ist der Senat (VersR 1998, 316; 2000, 357, 358; ebenso OLG Saarbrücken VersR 1999, 750, 751) gefolgt. Für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls reiche aus, daß Sachen "in etwa der angegebenen Menge entsprechend" vorhanden gewesen seien; im übrigen Verbliebe es bei der Schadenermittlung gemäß § 287 ZPO.
Die hiergegen gerichtete Kritik (Schauer in Berliner Kommentar zum VVG Vorbem. §§ 49 - 68 a Rdn. 91; Lücke VersR 1996, 785, 793) weist darauf hin, ein Versicherungsfall sei bereits beim Diebstahl weniger Gegenstände, ja sogar eines einzigen Beutestücks, gegeben.
Dementsprechend will Römer (Römer/Langheid, VVG, § 49 VVG Rdn. 21; zustimmend Mittendorf VersR 2000, 297, 298) für das äußere Bild des Diebstahls den Nachweis ausreichen lassen, daß "jedenfalls einige" der als Diebesgut angezeigten Sachen vor der Tat vorhanden und nachher verschwunden waren. Auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte finden sich gleichlautende (Senat r+s 1999, 33; OLG Düsseldorf r+s 99, 514, 515) oder ähnliche Formulierungen (OLG Düsseldorf NVersZ 2000, 182: "auch nur ein Teil" der angeblich entwendeten Sachen).
Der vorliegende Fall verlangt eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Problematik, in welchem Umfang der VN das Abhandenkommen als gestohlen gemeldeter Sachen im Rahmen des äußeren Bildes des Diebstahls beweisen muß, nicht. Die Klägerin hat nämlich den Vollbeweis (§ 286 ZPO) dafür, daß auch nur eine einzige der von ihr als gestohlen bezeichneten Sachen vor der behaupteten Tat im Büroraum ihres Ehemannes vorhanden und danach verschwunden war, nicht führen können.
Zwar hat ihr Ehemann, der Zeuge B den Klagevortrag zum Diebstahl bestätigt. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der in beiden Instanzen durchgeführten ausführlichen Beweisaufnahmen hat der Senat jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit die Überzeugung gewinnen können, daß diese Darstellung zutreffend ist. Es gibt zu viele Indizien, die einer derartigen Überzeugungsbildung entgegenstehen.
a) Die Entwendung von Bargeld (695,00 DM in einer Geldkassette) und Wertgegenständen (Uhren und Schmuck im Gesamtwert von 43.240,00 DM) haben die Eheleute B der Polizei unstreitig erst telefonisch am 13.08.1997 und schriftlich am 1.5.08.1997 mitgeteilt.
Soweit die Klägerin zur Erklärung dieser späten Schadenanzeige geltend macht, sie habe das Abhandenkommen von Schmuck und Uhren erst am Abend des 06.08.1997 festgestellt, ist bereits dies zweifelhaft, weil der am Mittag des 06.08.1997 im Haus der Eheleute B ermittelnde Polizeibeamte M in seiner schriftlichen Schadenanzeige (Bl. 4 EA) vermerkt hat, es sei scher, daß die Täter keine Beute erlangt hätten; der Zeuge B habe zwischenzeitlich festgestellt, daß er alle wertvollen Gegenstände noch im Besitz habe. Der in beiden Instanzen dazu gehörte Zeuge hat die Richtigkeit seiner schriftlichen Schadenanzeige bestätigt. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit seiner Bekundung sind nicht erkennbar geworden. Es ist für den Senat auch nicht nachvollziehbar, daß die Eheleute B nach Entdeckung des Einbruchs und dem nach ihren Angaben sich im Kellerbüro bietenden "Bild der Verwüstung" nicht auf den sich aufdrängenden Gedanken gekommen sind, sofort nach dem Verbleib der im Kellerraum deponierten Wertsachen zu forschen. Die erstmals in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung, man habe damals nicht an "echte Diebe" gedacht, sondern sei davon ausgegangen, daß es sich bei den Einbrechern um Konkurrenten des als Bauträger in Ostdeutschland tätigen Zeugen B gehandelt habe, die in erster Linie Planungsunterlagen und Angebote hätten entwenden wollen, um sich in laufenden Ausschreibungsverfahren eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen, ändert daran nichts. Darüber hinaus ist unerklärlich, warum die Eheleute B nachdem sie angeblich am Abend des 06.08.1997 das wahre Ausmaß des Einbruchs erkannt haben, dies nicht unverzüglich der Polizei und der Beklagten (in Gestalt des Agenten W) gemeldet haben. Der Senat ist davon überzeugt, daß dem Zeugen B als ehemaligem Versicherungsagenten der Beklagten bekannt war, daß Polizei und Hausratversicherer (vgl. die Obliegenheit zur unverzüglichen Einreichung einer Stehlgutliste bei Polizei und Versicherer, § 21 Nr. 1 lit. b und d VHB 84) auf eine zeitnahe Aufstellung des Diebesguts größten Wert legen, ohne die ein Fahndungserfolg kaum möglich ist.
Die Eheleute B haben es jedoch insoweit nicht nur an Eigeninitiative fehlen lassen. Unstreitig hat vielmehr am 11.08.1997 ein telefonischer Kontakt zwischen dem Polizeibeamten N und der Klägerin oder ihrem Ehemann stattgefunden, bei dem - ebenfalls unstreitig - der Wertsachendiebstahl mit keinem Wort erwähnt worden ist.
Bei dieser Sachlage ist der Vollbeweis (§ 286 ZPO) für den behaupteten Bargeld- und Wertsachendiebstahl nicht erbracht. Die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, man habe bereits am 07.08.1997 Bekannten gegenüber vom Diebstahl des Schmucks sowie zweier Uhren berichtet, vermag die aufgezeigten Indizien nicht zu entkräften.
b) Ein offenes Beweisergebnis, das sich zum Nachteil der beweispflichtigen Klägerin auswirkt, besteht auch hinsichtlich der angeblich aus dem Kellerraum entwendeten technischen Geräte (Drucker, Faxgerät, Daten-Diary, Handy nebst Aufladegerät) im Gesamtwert von 1.716,00 DM.
Die Bekundung des Zeugen W (Versicherungsagent der Beklagten), der Zeuge B habe ihm den Diebstahl eines Faxgeräts, Druckers und Ladegeräts bereits am Morgen des 06.08.1997 - und zwar noch vor der polizeilichen Tatortbesichtigung - telefonisch mitgeteilt, hat sich nicht entscheidend zugunsten der Klägerin auswirken können. Der Senat ist nämlich von der Richtigkeit dieser Zeugenaussage nicht überzeugt. Der Zeuge W - nach eigenen Angaben mit dem Zeugen B als ehemaligem Arbeitskollegen befreundet - soll ausweislich eines vom Zeugen E (Mitarbeiter der Beklagten) vorgelegten Aktenvermerks vom 03.12.1998 (Bl. 222 d.A.) diesem gegenüber telefonisch auf Befragen mitgeteilt haben, bereits bei der telefonischen Schadenanzeige des Zeugen B habe dieser "wohl" darauf hingewiesen, daß "Wertgegenstände" entwendet worden seien. Dies deutet zumindest auf eine getrübte Erinnerung des Zeugen W hin; denn nach dem Klagevortrag war der Diebstahl von Wertgegenständen zum Zeitpunkt der telefonischen Schadenanzeige bei W am Morgen des 06.08.1997 noch nicht entdeckt worden.
Abgesehen davon hat - wie bereits erwähnt - der am Tatort polizeilich ermittelnde Zeuge bekundet, entgegen der Behauptung der Eheleute B sei ihm das Abhandenkommen von Sachen nicht mitgeteilt worden. Der gegenbeweislich von der Klägerin benannte Zeuge Rechtsanwalt B war bei der polizeilichen Tatortbesichtigung nicht zugegen und hat deshalb insoweit keine Angaben machen können.
Die Zeugenaussage M wird gestützt durch die Bekundung der Zeugen K und E, die - beide Mitarbeiter der Beklagten - die Eheleute B am 06.03.1998 in deren Haus aufgesucht und befragt haben. Beide Zeugen haben ausgesagt, sie hätten den Zeugen B ausdrücklich gefragt, warum ihm das Fehlen der technischen Geräte nicht sofort aufgefallen sei. B habe dies mit dem Durcheinander, das seinerzeit im Büroraum geherrscht habe, erklärt und nicht etwa klargestellt, daß er den Verlust dieser Gegenstände der Polizei sofort angezeigt habe.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 45.651,00 DM.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.