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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.04.2006
Aktenzeichen: 20 U 197/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.06.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages erbringt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt aus einer bei der Beklagten genommenen Hausratversicherung Zahlung von 61.950 EUR nebst Zinsen.

Sie hat behauptet, unbekannte Täter (mindestens zwei) seien in der Nacht des 17./18.05.2003 in das von ihr bewohnte Haus eingebrochen und hätten sie, als sie gegen 01.00 h das Haus betreten habe, überwältigt und gefesselt. U.a. hätten die Täter dann einen Tresorschlüssel aus ihrer der Klägerin Handtasche genommen, den Tresor aufgeschlossen und daraus Bargeld in Höhe von 26.500 EUR sowie Schmuck entwendet. Auch am Körper getragene Wertgegenstände (Schmuck, Armbanduhr) sowie ein Mobiltelefon seien gestohlen worden. Der Barbetrag sowie der Wert des Schmucks und des Telefons beliefen sich auf die Klagesumme.

Die Klägerin sei nach der Fesselung eine Zeit bewusstlos gewesen. Gegen 02.00 h sei sie von ihrem Nachbarn, dem Zeugen N, gefesselt gefunden worden. Die Zeugin Q habe diesen gebeten, bei der Klägerin nach dem Rechten zu sehen, da die Klägerin sich am Telefon nicht gemeldet habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt die Klägerin in erster Linie Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, hilfsweise verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiter.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag.

Die Beklagte verteidigt das Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N, Q und Q2; hierzu wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.

Die Akten 108 Js 757/03 StA Dortmund haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1.

Den Vollbeweis für einen Raub oder Einbruchdiebstahl kann die Klägerin nicht führen. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Zeugin U nicht dafür benannt ist, dass diese eine solche Tat gegen die Klägerin veranlasst habe.

2.

Aber auch den erleichterten Beweis des so genannten äußeren Bildes eines Raubes oder Einbruchdiebstahls (vgl. dazu nur Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 49 Rn. 17 ff. m.w.N.) kann die Klägerin nicht führen.

Dabei kann der Senat offen lassen, ob hinreichende Umstände auf ein Einbrechen und/oder einen Überfall auf die Klägerin hinweisen. Der geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung gestohlener Gegenstände setzt nämlich u.a. den Vollbeweis dafür voraus, dass jedenfalls einige der als gestohlen gemeldeten Gegenstände vor der behaupteten Tat vorhanden waren und danach nicht mehr vorhanden waren. Auch dies gehört, soweit es um die Entschädigung für gestohlene Gegenstände geht (und nicht um die Entschädigung etwa für eine beim Einbruch beschädigte Tür), zum so genannten äußeren Bild der Tat (vgl. nur Römer, ebd. Rn. 21 m.w.N.). Diesen Beweis kann die Klägerin nicht führen.

a)

Die Aussage der Zeugin Q ist bereits unergiebig.

Die Zeugin hat bekundet, sie wisse nicht, was die Klägerin am Tag vor der - behaupteten - Raubtat angehabt habe; sie wisse insbesondere auch nicht, ob die Klägerin - wie von ihr behauptet - Schmuck und/oder eine Cartier-Uhr getragen habe. Die Zeugin hat auch sonst nicht bekundet, dass die Klägerin in der letzten Zeit vor der - behaupteten - Raubtat einige oder alle der als gestohlen gemeldeten Gegenstände in Besitz gehabt habe.

Selbst wenn man die Richtigkeit der Bekundung der Zeugin unterstellt, lässt sich hieraus nicht - mit dem für ein positives Beweisergebnis notwendigen, für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, welcher vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne diese notwendig ganz auszuschließen - entnehmen, dass vor der - behaupteten - Tat wenigstens einige der als gestohlen gemeldeten Gegenstände vorhanden und danach nicht mehr vorhanden waren. Die Klägerin sah sich unstreitig erheblichen (wenn auch möglicherweise unberechtigten) Geldforderungen ausgesetzt; sie hatte nach eigenen Angaben die wertvollen ersten zehn Positionen der Schadenaufstellung der Klageschrift (Bl. 3 d.A.) sicherungsübereignet (vgl. den im Senatstermin in Kopie überreichten Sicherungsübereignungsvertrag vom 28.08.1999); sie hat zudem selbst erklärt, dass sie Opfer von (versuchter) Schutzgelderpressung gewesen sei (vgl. etwa Zeugenvernehmung vom 20.05.2003, dort S. 2 unten der Niederschrift = Bl. 42 unten der Beiakte). Es lässt sich bei dieser Sachlage schon nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass - auch nur - einige der von der Klägerin genannten Gegenstände vor der Tat in der Wohnung der Klägerin vorhanden waren.

Auf die - nach Auffassung des Senats zu verneinende - Glaubwürdigkeit der Zeugin Q, welche selbst wegen Versicherungsbetrugs rechtskräftig verurteilt ist, kommt es hiernach nicht an.

b)

Auch die Aussage der Zeugin Q2 ist unergiebig.

Diese hat lediglich bekundet, in dem und um das Jahr 1999 die in dem mit ihr geschlossenen Sicherungsübereignungsvertrag genannten Schmuckgegenstände und Uhren bei der Klägerin gesehen zu haben. Zu der letzten Zeit vor der behaupteten Raubtat hat sie keine Angaben machen können. Es gilt daher das soeben unter a) Gesagte.

Auch auf die - nach Auffassung des Senats ebenfalls zu verneinende - Glaubwürdigkeit der Zeugin Q2, welche sich im Zusammenhang mit dem Sicherungsübereignungsvertrag in erhebliche Widersprüche verwickelt und auch in Widerspruch zu den Angaben der Klägerin gesetzt hat (vgl. nur Klägerin im Termin vor dem Landgericht: Darlehen von "10.000 EUR"; Zeugin Q2 vor dem Senat: Darlehen von "7.000 DM"), kommt es somit nicht an.

c)

Die Zeuginnen D und X (vgl. Bl. 109, 168, 153 der Beiakte) können, wie die Klägerin vor dem Senat ausdrücklich eingeräumt hat, ebenfalls nicht bekunden, dass die Klägerin die von ihr als gestohlen gemeldeten Gegenstände auch in der letzten Zeit vor der Tat noch in Besitz gehabt habe.

d)

Auch die eigenen Angaben der Klägerin erbringen keinen Beweis.

aa)

Dabei braucht nicht erörtert zu werden, ob auch im vorliegenden Zusammenhang für den Versicherungsnehmer die Vermutung der Redlichkeit streitet (vgl. dazu Römer, ebd., Rn. 26 m.w.N.). Diese Vermutung ist nämlich jedenfalls erschüttert:

Die Klägerin hat eingeräumt, im September 2002 einen Versicherungsbetrug begangen zu haben, dessentwegen sie auch rechtskräftig verurteilt ist (Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12.04.2005 - 108 Js 757/03 StA Dortmund).

Mit Schreiben vom 06.06.2003 an die Beklagte, also über zwei Wochen nach der behaupteten Raubtat, erklärte die Klägerin zunächst, sie habe den entwendeten Schmuck in I, G, E und Spanien erworben (Bl. 107 der Beiakte). Später hat sie behauptet, gerade die beiden teuersten Ringe im Wert von 3.500 EUR bzw. 4.000 EUR, ein weiteres besonders teures Stück, nämlich ein Armband im Wert von 2.700 EUR, sowie die teurere der beiden Uhren - im Wert von 8.000 EUR - seien bei einem Juwelier in Kroatien erworben worden. Auch seien Schmuckstücke in der Türkei gekauft worden (Bl. 114 der Beiakte). Auf Vorhalt dieses Widerspruchs hat die Klägerin vor dem Senat lediglich angegeben, sie sei nach der Raubtat aufgeregt gewesen. Dies ist nach Auffassung des Senats keine plausible Erklärung für die - nach dem jetzigen Vorbringen der Klägerin - grob unvollständige Erklärung in dem Schreiben vom 06.06.2006.

Die Klägerin gab - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert - am 27.05.2003 gegenüber der Beklagten an, sie habe in der Tatnacht einen WeißgoldMemoire-Ring im Wert von 3.500 EUR, einen Geldgold-Ring mit Diamant 0,5 k im Wert von 1.500 EUR, Creolen-Ohrringe im Wert von 850 EUR und die schon erwähnte Cartier-Uhr am Körper getragen (vgl. Bl. 134 der Beiakte). Vor dem Senat hat die Klägerin auf entsprechende Frage zunächst erklärt, sie habe in der Tatnacht einen - in der Aufstellung vom 21./27.05.2003 ebenfalls genannten - Diamantring Prinzessschliff 0,6 k im Wert von 4.000 EUR und eine einfache Uhr ohne echten Wert getragen, sonst keinen Schmuck. Auf Vorhalt der vorerwähnten Aufstellung hat sie dann erklärt, sie wisse nicht mehr, welchen Finger-Ring sie getragen habe; sie habe jedenfalls nur einen solchen Ring getragen; dies habe sie immer so gehalten, nämlich einen "vernünftigen" Ring getragen; außerdem habe sie doch die Cartier-Uhr getragen und nicht eine einfache Uhr, aber keine Ohrringe. - Auch diese Widersprüche hat die Klägerin nicht plausibel erklärt; sie hat dazu lediglich angegeben, sie habe sich bei ihrer ersten Antwort vor dem Senat vertan. Insbesondere bleibt ohne Erklärung, warum die Klägerin gegenüber der Beklagten angab, zwei wertvolle Finger-Ringe sowie Ohrringe am Körper getragen zu haben, nun aber angibt, sie trage stets nur einen "vernünftigen" Ring.

Die Klägerin hat der Beklagten ein - nach Angaben der Klägerin - von dem Juwelier aus Kroation empfangenes Fax-Schreiben vorgelegt, und zwar das empfangene Original in schwarzem Druck (Bl. 119 der Beiakte). Dieses zeigt über einem Stempel des Juweliers einen unterschriftsähnlichen blauen Schriftzug. Die Klägerin hat eingeräumt, dass dieser Schriftzug erst nach dem - von ihr behaupteten - Fax-Empfang angebracht worden ist. Eine Erklärung dazu hat sie nicht gegeben. Mit der Berufungsbegründung (dort S. 9 = Bl. 107 d.A.) hat die Klägerin hierzu noch vorgetragen, sie habe das Fax nicht selbst entgegengenommen; es möge dazu die Zeugin Q befragt werden. Nachdem die Zeugin Q (früher Cubela) vor dem Senat bekundet hat, sie habe mit dem Fax nichts zu tun (vgl. dazu freilich auch S. 3 oben des Schreibens der Beklagten vom 02.09.2003 an die Kreispolizeibehörde V = Bl. 94 der Beiakte), hat die Klägerin sich vor dem Senat insgesamt darauf zurückgezogen, dass sie nicht mehr wisse, wie sie an das Fax-Schreiben gelangt sei.

Die Klägerin hat der Beklagten eine Schadenaufstellung vom 21.05.2003 übergeben, in welcher die eine, angeblich gestohlene Uhr als "Jaeger de Cultre" und die andere als Cartier "Pantier" bezeichnet wird; es soll sich um echte Markenuhren handeln. Tatsächlich heißt die erstgenannte, durchaus bekannte Marke indes "Jaeger-leCoultre" und der Typ der zweitgenannten Uhr - unstreitig - "Panthère" oder "Panther". Auch das angebliche Fax-Schreiben des Juweliers aus Kroatien, welches die Sendekennung "Jul.20 2003" trägt, nennt eine Uhr "jaeger de cultre". Eine plausible Erklärung insbesondere für die übereinstimmende Falschbezeichnung der Marke der erstgenannten Uhr hat die Klägerin nicht gegeben. Sie hat lediglich erklärt, in Kroatien würden manche Namen anders gesprochen als in Deutschland.

Jedenfalls bei Zusammenschau dieser Umstände ist die Redlichkeitsvermutung erschüttert.

bb)

Die eigenen Angaben der Klägerin könnten hiernach allenfalls dann Beweiskraft haben, wenn sie in erheblicher Weise durch aussagekräftige Zeugenangaben, sonstige Indizien oder die allgemeine Lebenserfahrung gestützt würden. Dies ist indes nicht der Fall, und zwar auch dann nicht, wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass diese geraume Zeit vor der Tat die von ihr genannten Schmuckstücke und Uhren in Besitz hatte. Wie schon oben unter a) angesprochen, lässt sich im vorliegenden Fall auch dann nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen, dass - auch nur - einige der von der Klägerin genannten Gegenstände vor der Tat noch vorhanden waren.

Dies gilt auch für das als gestohlen gemeldete Mobiltelefon Nokia 8310 im Wert von 250 EUR. Die Klägerin hat erklärt, sie habe keinen Kaufbeleg; auch Unterlagen über den von ihr behaupteten Kartenvertrag hat sie nicht vorgelegt; eine Sperrung der Karte will sie nicht veranlasst haben.

Ebenso fehlen jegliche auch nur einigermaßen sichere Anzeichen dafür, dass vor der Tat Bargeld in Höhe von 26.500 EUR in dem Tresor war. Dies gilt auch, wenn man der Bekundung der Zeugin Q folgen wollte, dass die Klägerin vor Antritt der Fahrt in die Niederlande 200 EUR aus dem Tresor genommen habe; dies kann durchaus das einzige Bargeld im Tresor gewesen sein.

3.

Aus dem Gesagten folgt zugleich, dass die Klage im Übrigen auch daran scheitern müsste, dass es an einem Nachweis der Schadenshöhe fehlt. Mangels hinreichender Zeugenaussagen und sonstiger hinreichender Indizien und wegen der fehlenden Glaubwürdigkeit der Klägerin ließe sich nicht mit auch nur überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO; vgl. dazu Römer, ebd. Rn. 21, 31 m.w.N.) feststellen, dass bestimmte der als gestohlen gemeldeten Gegenstände oder Gegenstände mit einem bestimmten Mindestwert tatsächlich entwendet worden seien.

4.

Es bedarf nach alledem keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob der Einbruch/Überfall mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht ist (vgl. Römer, ebd. Rn. 17, 25), wofür nicht nur die oben zu 2 d aa genannten Umstände sprechen, sondern insbesondere auch der Umstand, dass weder die Klägerin noch die Zeugin Q eine plausible Erklärung für den Telefonanruf der Zeugin bei dem Zeugen N bzw. dessen Ehefrau gegen 23.00 h in der Tatnacht gegeben haben. Als nachvollziehbare Erklärung bleibt nur, dass die Klägerin und die Zeugin Q sich durch diesen Anruf überzeugen wollten, ob der Zeuge N als - gutgläubiger Zeuge für eine Raubinszenierung zur Verfügung stand.

5.

Eine Zurückverweisung an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist schon deshalb nicht in Betracht gekommen, da ein Verfahrensfehler nicht vorliegt.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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