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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.04.2000
Aktenzeichen: 20 U 229/99
Rechtsgebiete: VVG, HGB


Vorschriften:

VVG § 61
HGB § 352
Leitsatz:

1) Grobe Fahrlässigkeit bei Unfall infolge von aquaplaning (hier verneint, da Wasserlache nicht auffällig, kein sonstiger Hinweis und Geschwindigkeit nicht besonders hoch).

2) Ansprüche aus einem Versicherungsfall (Beschädigung eines Betriebsfahrzeugs) sind Ansprüche aus einem Handelsgeschäft.

Urteil des 20. Zivilsenates des OLG Hamm vom 5.4.2000 (20 U 229/99)


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 229/99 OLG Hamm 6 0 53/99 LG Hagen

Verkündet am 5. April 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24.09.1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hagen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Entschädigung aus einer Vollkaskoversicherung für den auf sie zugelassenen Pkw vom Typ Mercedes Benz E 300 TD Turbo Diesel wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am gegen Uhr auf der BAB A2 ereignet hat. Der Zeuge M W befuhr mit dem oben genannten Fahrzeug die BAB A2 aus Fahrtrichtung Dortmund kommend in Fahrtrichtung Hannover auf der linken der drei Fahrspuren. Es regnete und die Fahrbahn war naß. Auf der rechten Fahrspur fuhr der Zeuge H mit einem Lkw mit Anhänger. Als sich der Zeuge W mit seinem Fahrzeug auf etwa gleicher Höhe mit dem Lkw befand, geriet sein Pkw in eine große Wasserlache. Der Zeuge W verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, das über den mittleren Fahrstreifen rutschte und mit seiner Front gegen die linke Heckseite des Maschinenwagens des Lkws prallte. Die Klägerin beziffert den ihr bei diesem Unfall entstandenen Fahrzeugschaden mit 21.374,28 DM netto und verlangt Erstattung dieses Betrages abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 1.000,00 DM von der Beklagten.

Die Beklagte verweigert die Regulierung des Schadens. Sie beruft sich auf § 61 VVG und wirft dem Zeugen W als Führer des Fahrzeugs der Klägerin grob fahrlässige Herbeiführung des Verkehrsunfalles vor, weil er mit einer für die Straßen- und Witterungsverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit von mindestens 110 km/h, die über der Aquaplanigrisikogeschwindigkeit von 80 km/h gelegen habe, gefahren sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

II

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die Beklagte ist gemäß den §§ 1, 49 VVG i.V.m. mit den §§ 12 und 13 AKB verpflichtet, den bei dem Verkehrsunfall entstandenen Schaden am Fahrzeug der Klägerin zu regulieren. Sie ist nicht nach § 61 VVG leistungsfrei.

Zwar muß sich die Klägerin ein etwa grob fahrlässiges Fahrverhalten des Zeugen W der das versicherte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt geführt hat, zurechnen lassen, weil dieser Zeuge als ihr Repräsentant anzusehen ist. Das Fahrzeug war ihm nämlich zur eigenverantwortlichen Benutzung anvertraut. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten war ihm der Pkw nicht nur als Firmenwagen überlassen, sondern wurde auch ausschließlich von ihm genutzt. Dem Zeugen W oblag auch die Erhaltung des Fahrzeugs in einem verkehrs- und betriebssicheren Zustand.

Dem Zeugen W kann jedoch eine grob fahrlässige Herbeiführung des Verkehrsunfalls nicht vorgeworfen werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hätte, was in dem gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. u.a. BGH VersR 1989, 582; Senat VersR 1994, 42). Neben einer objektiv grob verkehrswidrigen Fahrweise müßte auch subjektiv eine gesteigerte persönliche Vorwerfbarkeit festgestellt werden können. Dabei kann von einem objektiv groben Fehlverhalten auf eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit rückgeschlossen werden (so: BGH a.a.O.; BGH VersR 92, 1085; OLG Oldenburg VersR 1997, 611). Vorliegend kann zwar festgestellt werden, daß der Zeuge W mit einer für die Straßen- und Witterungsverhältnisse objektiv unangepaßten Geschwindigkeit gefahren ist, denn er hat auf der regennassen Fahrbahn in einer Wasserlache die Gewalt über das Fahrzeug verloren. Das wäre nach den Ausführungen des Gutachtens der D-A-AG vom 11.09.1998 nicht geschehen, wenn er mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h gefahren wäre, denn auch bei plötzlich auftretenden größeren Wasserhöhen auf der Fahrbahn wäre dann zumindest eine Beibehaltung der Fahrtrichtung möglich gewesen. Der Kläger ist jedoch nach den im vorgenannten Gutachten getroffenen Feststellungen mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 130 km/h und nach seinen eigenen Angaben mit etwa 110 km/h gefahren, die zur Meidung des Aquaplaningrisikos objektiv zu hoch war. Das rechtfertigt jedoch nicht schon den Vorwurf grob verkehrswidrigen Verhaltens. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war im Unfallbereich nicht beschränkt, und zwar auch nicht durch entsprechende Verkehrsschilder, die nur bei Nässe gelten. Die von dem Zeugen W eingehaltene Geschwindigkeit lag auch nicht deutlich über der Geschwindigkeit, mit der die übrigen Verkehrsteilnehmer gefahren sind. Der vor ihm auf der rechten Spur vorausfahrende Lkw des Zeugen H fuhr mit seinem Fahrzeug etwa 87 km/h und somit nicht deutlich langsamer als der Zeuge W. Daß der Zeuge W nicht dem allgemeinen Verkehrsfluß angepaßt, sondern erheblich schneller fuhr als die übrigen Verkehrsteilnehmer, läßt sich nicht feststellen.

Die Beklagte wirft ihm auch zu Unrecht vor, er hätte bei den Witterungsverhältnissen berücksichtigen müssen, daß die Reifen seines Fahrzeugs eine überdurchschnittlich geringe und deshalb unzureichende Profiltiefe hatten. Die in dem vorgenannten DEKRA-Gutachten aufgeführten Profiltiefen der Reifen am Fahrzeug der Klägerin betrugen 5/7/7/6 mm und lagen damit im Bereich der Norm. Sie waren keineswegs übermäßig abgefahren. Selbst wenn sie eine Laufleistung von 37000 km hatten, wie die Beklagte behauptet, waren sie nicht zwingend erneuerungsbedürftig. Entgegen der Auffassung der Beklagten war das Fahrzeug auch keineswegs mit für eine regennasse Fahrbahn ungeeigneten Breitreifen ausgerüstet. Reifen mit der Größe 215/55 R 16 H wie sie hier auf dem versicherten Fahrzeug aufgezogen waren entsprechen der serienmäßige Ausrüstung bei einem Fahrzeug vom Typ Mercedes E 300 TD.

Allein der Umstand; daß die von dem Zeugen W eingehaltene Geschwindigkeit über der Risikogeschwindigkeit für Aquaplaning gelegen hat, rechtfertigt nicht den Vorwurf grob fahrlässigen Fehlverhaltens. Dabei kann unterstellt werden, daß im Bereich der Unfallstelle auf der Fahrbahn flächendeckend eine Wasserlache mit einer Tiefe von 5 mm stand. Grob fahrlässig hätte sich der Zeuge W hier nämlich nur dann verhalten, wenn das auf seiner Fahrspur bzw. der Fahrbahn stehende Wasser für ihn erkennbar gewesen wäre und er gleichwohl mit unverminderter Geschwindigkeit seine Fahrt fortgesetzt hätte. Die Beklagte behauptet jedoch selbst nicht, daß dieser Wasserfilm erkennbar war. Vor Aquaplaninggefahr war im Bereich der Unfallstelle auch nicht durch ein entsprechendes Hinweisschild gewarnt. Daß sich ihm eine konkrete Aquaplaninggefahr allein wegen der widrigen Witterungsverhältnisse zum Unfallzeitpunkt aufdrängen mußte, läßt sich ebenfalls nicht feststellen.

Die Beklagte hat der Klägerin daher den am Fahrzeug entstandenen Schaden zu ersetzen, der sich nach dem zu den Akten gereichten Gutachten des Ingenieurbüros C W auf 21.374,28 DM netto beläuft. Konkrete Einwende gegen die Richtigkeit dieses Gutachtens hat die Beklagte nicht erhoben.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß den §§ 284, 286 BGB, 352 HGB. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Zinssatz in Höhe von 5 % gemäß § 352 BGB begründet. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Versicherungsvertrag über das im Eigentum der Klägerin, einer GmbH, stehende Fahrzeug für beide Parteien ein Handelsgeschäft ist, denn der Vertragsabschluß gehört zu den von der Gesellschaft für das Unternehmen abgeschlossenen Rechtsgeschäften. Soweit die Klägerin Leistungen auf der Grundlage dieses Versicherungsvertrages verlangt, beruht die Schuld der Beklagten auf einem Handelsgeschäft. Das hat zur Folge, daß der Klägerin die gesetzlichen Zinsen nach § 352 BGB im Fall des Verzuges zustehen. Daß der Versicherungsfall - hier ein Verkehrsunfall - kein Handelsgeschäft ist, ist unerheblich, denn der Versicherungsfall löst nur den Eintritt der Leistungspflicht der Beklagten aus. Grundlage für die Leistungspflicht ist aber der Versicherungsvertrag, der für beide Teile Handelsgeschäft ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 und 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziffer 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 20.374,28 DM.

Ende der Entscheidung

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