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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.03.2006
Aktenzeichen: 20 U 236/05
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
VVG § 12 Abs. 1
VVG § 12 Abs. 3
BGB § 209 Abs. 1 a.F.
BGB § 249 Abs. 2
BGB § 251
BGB § 252
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1.

Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird dem Berufungskläger folgender Hinweis erteilt:

Die eingelegte Berufung verspricht keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, sie durch Beschluß zurückzuweisen.

2.

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Berufungsinstanz wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aus einer privaten Unfallversicherung in Anspruch.

Vereinbart sind die AUB 61 sowie die "Besonderen Bedingungen für Mehrleistung bei einem Invaliditätsgrad ab 90 %". Die Versicherungssumme beträgt 150.000,00 DM.

Der Kläger erlitt am 09.12.1997 bei einem Verkehrsunfall eine Verletzung der Halswirbelsäule, ein Schädel-Hirn-Trauma II. Grades, ein subdurales Hämatom sowie im weiteren Verlauf ein hirnorganisches Psychosyndrom.

Aufgrund mehrerer vorprozessual eingeholter Gutachten ging der Beklagte von folgenden Dauerschäden aus:

 auf chirurgischem Gebiet:20 %
auf neurologisch/psychologischem Gebiet:20 %
auf HNO-ärztlichem Gebiet:10 %
Verletzung des Ringfingers:1 %
 51 %

Mit Schreiben vom 25.02.2000 rechnete der Beklagte die Invaliditätsentschädigung auf der Basis einer Gesamtinvalidität von 51 % ab und zahlte unter Berücksichtigung eines zuvor gezahlten Vorschusses von 60.000,00 DM weitere 16.500,00 DM, insgesamt also 76.500,00 DM.

Der Kläger hat den Invaliditäsgrad von 51 % als unzureichend angesehen und weitere 30 % für angemessen gehalten, und zwar weitere 10 % auf chirurgischem Gebiet und weitere 20 % wegen der psychosozialen/neurologischen Beeinträchtigungen.

Mit der am 27.12.2000 eingereichten Klage hat der Kläger zunächst die Anträge angekündigt,

1.

festzustellen, daß der als Unfallfolge bei ihm bestehende Gesamtinvaliditätsgrad den bisher festgestellten Invaliditätsgrad von 51 % übersteigt und 80 % beträgt,

2.

den Beklagten zu verurteilen, ihm entsprechend des festgestellten Gesamtinvaliditätsgrades Invaliditätsleitungen wegen des Unfallereignisses vom 09.12.1997 aus dem Unfall-Versicherungsvertrag, Versicherungsscheinnummer #####/####über die bisher gewährte Leistung hinaus zu zahlen.

Sodann hat der Kläger zu Protokoll vom 15.02.2001 seine Anträge umgestellt und beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 43.500,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben und ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B vom 23.09.2003 zu Ursachen und Auswirkungen des hirnorganischen Psychosyndroms eingeholt. Der Sachverständige führt das beim Kläger festgestellte psychoorganische Syndrom auf die durch den Unfall verursachte traumatische Hirnverletzung zurück und bringt dafür einen Invaliditätsgrad von 60 % in Ansatz. Der Sachverständige hat sein Gutachten mündlich (zu Protokoll vom 17.02.2004) erläutert und darüber hinaus durch ein weiteres schriftliches Gutachten vom 06.07.2005 ergänzt.

Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens hat der Kläger eine Gesamtinvalidität von mehr als 90 % zugrundegelegt und die Ansicht vertreten, die doppelte Versicherungssumme als Invaliditätsentschädigung verlangen zu können. Mit Schriftsatz vom 26.08.2004 hat er beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 114.273,73 € zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basisizinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat die Berechnung des Klägers angegriffen und im übrigen hinsichtlich der geltend gemachten Mehrforderung die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht ist in seinem am 15.11.2005 verkündeten Urteil von einer Gesamtinvalidität des Klägers von mindestens 91 % ausgegangen, hat jedoch der Klage nur in Höhe von 22.241,19 € (Invaliditätsgrad 80 %) entsprochen. Darüber hinausgehende Ansprüche der Klägers seien verjährt.

Der Kläger greift dieses Urteil mit seiner Berufung an.

Er vertritt die Ansicht, Verjährung sei nicht eingetreten. Aus seinen zunächst gestellten Anträgen sei deutlich geworden, daß er sämtliche ihm zustehenden Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen wolle. Eine höhenmäßige Begrenzung sei ihm nicht möglich gewesen, da hierfür zunächst eine Begutachtung erforderlich gewesen sei. Erst nach Eingang sämtlicher Gutachten sei ihm die Bezifferung möglich gewesen. Sein Feststellungsantrag habe auf vollumfänglichen Rechtsschutz gezielt, so daß eine Verjährung nicht habe eintreten können. Entscheidend sei die Geltendmachung des Anspruchs dem Grunde nach.

Der Kläger begehrt Prozeßkostenhilfe für den Antrag,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichtes Münster vom 15.11.2005 den Beklagten zu verurteilen, weitere 92.032.54 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basisizinssatz seit dem 08.01.2001 an ihn zu zahlen.

II.

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Berufungsangriffe rechtfertigen nicht die Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß eine Teilklage die Verjährung nur in Höhe des eingeklagten Teilanspruchs unterbricht.

Gegenstand der am 27.12.2000 eingereichten Klage war ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung auf der Basis einer Gesamtinvalidität von 80 %. Nichts anderes ergab sich aus dem Feststellungsantrag. Die spätere Umstellung auf einen Zahlungsantrag entsprach rechnerisch exakt der zugrundegelegten behaupteten Gesamtinvalidität von 80 %. Richtig ist, daß in der Umstellung auf den Zahlungsantrag kein Verzicht auf weitere Ansprüche zu sehen ist. Allerdings ging der Feststellungsantrag auch nicht über die behauptete Invalidität von 80 % hinaus und deckte daher keine Ansprüche auf eine höhere Entschädigung.

Die Ansicht des Klägers, die Frage einer Unterbrechung der Verjährung von Ansprüchen eines Versicherten aus einem Versicherungsvertrag werde durch § 12 Abs. 3 VVG und nicht durch § 12 Abs. 1 VVG geregelt (so Schriftsatz vom 12.10.2004, Seite 2), ist rechtsirrig.

Sie vermengt - ebenso übrigens wie auch das OLG Nürnberg in dem angeführten Urteil vom 21.03.2002 (8 U 2788/01 - VersR 2003, 846) - in unzulässiger Weise die Verjährung (§ 12 Abs. 1 VVG) mit der Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VVG. Das Institut der gesetzlich geregelten Verjährung ist von der Ausschlußfrist, die der Versicherer dem Versicherungsnehmer setzten kann, grundsätzlich zu unterscheiden und unterliegt nicht denselben Kriterien.

Der BGH hat für die Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG entschieden, daß diese auch für den gesamten Leistungsanspruch durch eine Teilklage gewahrt werden kann (Urteil vom 27.05.2001 - IV ZR 130/00 - VersR 2001, 1013). In derselben Entscheidung hat der BGH zugleich noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Anwendung des zur Klagefrist des § 12 Abs. 3 VVG entwickelten Grundsatzes, wonach eine Teilklage die Frist bezüglich des gesamten Anspruchs wahrt, für die Verjährungsunterbrechung nicht in Betracht kommt (aaO. unter Ziff. 2 b) m.w.N.). Der Senat folgt dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Die Entscheidung des OLG Nürnberg (aaO.) bietet keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung, da dieses Urteil den für die Ausschlußfrist entwickelten Grundsatz ganz offensichtlich unkritisch auf die Verjährung überträgt, ohne sich mit der ausdrücklichen Differenzierung in der auch vom OLG Nürnberg zitierten Entscheidung des BGH überhaupt zu befassen und diese zur Kenntnis zu nehmen. Fehlerhaft im übrigen auch beruft sich das OLG Nürnberg auf die Entscheidung des Senats vom 27.05.1987 (20 U 335/86 - VersR 1988, 458), die ebenfalls nur zur Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VVG ergangen ist und in der sich der Senat mit der Frage der Verjährung nicht zu befassen hatte und sich dazu auch nicht geäußert hat.

Ein Sonderfall, wie ihn der III. Senat des Bundesgerichtshofs im Schadensersatzrecht für die Fälle einer Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse dargestellt hat (vgl. Urt. v.02.05.2002 - III ZR 135/01 - VersR 2002, 1253), liegt hier nicht vor. Dieser Sonderfall gilt für Schadensersatzansprüche, bei denen die durch den prozessualen Leistungsantrag gezogenen Grenzen für § 209 Abs. 1 BGB a.F. nicht gelten sollen, wenn ein erst im Lauf des Rechtsstreits infolge Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse erwachsender Mehrschadensbetrag offenbar wird. In einem solchen Fall geht es - anders als im Streitfall - um eine Anpassung an eine nach Klageerhebung eingetretene Werterhöhung.

Die vom III. Senat des BGH angeführte Entscheidung des Reichsgerichts vom 25.04.1921 (RGZ 102, 143) ist nicht einschlägig. Auch sie ist zum Schadensersatzrecht ergangen und befaßt sich mit einem Anspruch aus § 249 Abs.II BGB, in dem der zur Wiederherstellung einer beschädigten Sache erforderliche Geldbetrag eingeklagt worden war, der sich teils wegen geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse, teils wegen einer vorprozessual fehlerhaften Begutachtung im Ergebnis als zu niedrig erwies. Streitgegenstand dieser Entscheidung war der gemäß § 249 Abs. II BGB "zur Wiederherstellung erforderliche" Geldbetrag, den das Reichsgericht einer Geldentschädigung, etwa einem Anspruch aus §§ 251, 252 BGB, gegenüberstellt.

Die für den Schadensersatz entwickelten Kriterien sind allerdings auf den vertraglichen Anspruch eines Versicherungsnehmers auf eine Kapitalleistung im Fall einer Invalidität nicht übertragbar.

In der Entscheidung vom 02.05.2002 hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt, daß die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme nicht den Zweck hat, es dem Kläger zu ermöglichen, seinen Schaden abschließend zu beziffern. Vielmehr geht es zu Lasten eines Klägers, wenn er seine Forderung betragsmäßig nicht hinreichend überschaut.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist zurückzuweisen.

a) In der vorgelegten Erklärung des Klägers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist der in erster Instanz zugesprochene und nicht angegriffene Betrag von 22.241,19 € nicht berücksichtigt, den der Kläger zur Finanzierung seiner Berufung einzusetzen hat. Insoweit ist schon die Bedürftigkeit des Klägers (§§ 114, 115 ZPO) nicht dargelegt.

b) Im übrigen fehlt es der Berufung an der erforderlichen hinreichenden Aussicht auf Erfolg; insoweit wird auf die Ausführungen zu Ziff. II, 1 verwiesen.

III.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem erteilten Hinweis zu Ziff. 1) binnen einer Frist von 3 Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (Kostenverzeichnis Nr. 1222) bei einer Berufungsrücknahme sei hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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