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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.07.2001
Aktenzeichen: 20 U 24/01
Rechtsgebiete: AStB, VVG, ZPO


Vorschriften:

AStB § 1
AStB § 16
AStB § 15 Abs. 2
VVG § 1
VVG § 49
ZPO § 141
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 24/01 OLG Hamm

Verkündet am 4. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg sowie die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. November 2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

Das Urbeil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Sturmversicherung -- vereinbart sind die AStB Fassung Dezember 1986 (Bl. 212ff der Akten) -- auf Zahlung einer Entschädigungsleistung in Anspruch.

Er behauptet, am 22./23.01.1995 sei es durch versicherten Sturm im Tanzsaal des versicherten Gebäudes zu einem Dachschaden mit Wassereinbruch gekommen, bei dem neben dem Dach auch der Fußboden (aufgequollenes Parkett) und Wände zu Schaden gekommen seien.

Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie hat den behaupteten Versicherungsfall und die Schadenhöhe bestritten und sich überdies auf Verjährung berufen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung des Klägers.

Die Beklagte macht im Berufungsrechtszug auch Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung nach § 15 Abs. 2 AStB geltend, weil der Kläger ihr kommentarlos Handwerkerrechnungen vorgelegt habe, ohne kenntlich zu machen, daß diese nicht nur Reparaturarbeiten zur Beseitigung der behaupteten Sturmschaden enthalten.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist dein Kläger nicht nach §§ 1, 49 VVG; 1, 16 AStB zur Entschädigungsleistung verpflichtet.

Ob -- wie das Landgericht angenommen hat -- die Verjährungseinrede der Beklagten durchgreift, kann offenbleiben. Insoweit bedurfte es der Durchführung einer klärenden Beweisaufnahme nicht.

Die Beklagte ist nämlich jedenfalls wegen arglistiger Täuschung bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AStB leistungsfrei geworden.

1)

Der Kläger hat zur Regulierung des behaupteten Sturmschadens vom 22./23.01.1995 dem Versicherungsagenten M. der Beklagten im Jahre 1999 insgesamt vier Handwerkerrechnungen übergeben (Parkett W. vom 15.07.1997 über 7.498,74 DM netto; Holzhandlung M. vom 22.07.1997 über 156,00 DM netto; Malermeister P. vom 19.08.1997 über 8.228,78 DM netto; Tischlerei P. vom 13.03.1998 über 2.872,60 DM netto). Im Laufe des Deckungsprozesses, in dem der Kläger zunächst die Netto-Summe dieser vier Handwerkerrechnungen in Hohe von 18.756,12 DM einklagte, ist unstreitig geworden, daß berechnete Arbeiten in Höhe von insgesamt 4.769,47 DM nicht auf den Sturmschaden zurückzuführen sind. Aus der Malerrechnung P. vom 19.08.1997 sind dies Arbeiten im Rechnungswert von 3.284,47 DM netto (Malerarbeiten in der Küche), aus der Tischlerrechnung P. vom 13.03.1998 solche im Rechnungswert von 1.485,00 DM netto (Lieferung von drei Fenstern).

Durch die kommentarlose Vorlage der Rechnungen vom 19.08.1997 und 13.03.1998 hat der Kläger eine arglistige Täuschung im Sinne des § 15 Abs. 2 AStB begangen. Aus Sicht der Beklagten konnte diese Rechnungseinreichung nur dahin verstanden werden, daß die darin ausgewiesenen Arbeiten sich allesamt auf die Beseitigung des Schadens aus dem Versicherungsfall vom 22./23.01.1995 bezogen. Tatsächlich war dies für Rechnungsarbeiten im Wert von 4.769,47 DM nicht der Fall.

2)

Diese objektive Zuvielforderung war der Versuch einer arglistigen Täuschung zum Nachteil der Beklagten. Arglist setzt voraus, daß der Versicherungsnehmer sich bewußt ist, daß sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH VersR 1987, 149). Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Anhörung des Klägers nach § 141 ZPO ist der Senat mit der erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, daß der Kläger ein derartiges Täuschungsbewußtsein hatte. Seine im Senatstermin vorgebrachte Erklärung, er habe bei Übergabe der Rechnungen an den Agenten nicht daran gedacht, daß sie auch nicht von der Beklagten zu entschädigende Positionen enthielten, stellt eine bloße Schutzbehauptung dar. Dabei ist nicht verkannt worden, daß nicht jede objektiv unrichtige Angabe eines Versicherungsnehmers gegenüber seinem Versicherer zwangsläufig auf Arglist beruht. Im Streitfall Kommen jedoch indizielle Umstände hinzu, die für den Senat zweifelsfrei ein Täuschungsbewußtsein belegen.

Ein vom Kläger behaupteter Irrtum ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil die zu Unrecht geltend gemachten Malerarbeiten bzw. die Fensterlieferung kaum zu übersehen waren. Immerhin handelt es sich insoweit um Beträge von 3.284,47 DM und 1.485,00 DM. Selbst wenn man bedenkt, daß die Handwerkerarbeiten zum Zeitpunkt der Rechnungseinreichung schon einige Zeit zurücklagen, ist dies aber keine plausible Erklärung dafür, daß der Kläger Rechnungspositionen, die offensichtlich nicht entschädigungsfähig waren, übersehen haben will.

Daß nicht ein Irrtum, sondern Täuschungsabsicht gegeben war, belegt auch das prozessuale Verhalten des Klägers: Nachdem die Beklagte bereits in der Klägerwiderung die Schadenshöhe substantiiert bestritten und dabei auch explizit die Malerrechnung P. vom 19.08.1997 beanstandet hatte, nahm der Kläger seine Klage um einen Betrag von 3.284,47 DM mit der nicht näher erläuterten Begründung zurück, diese Rechnung beruhe nur in Höhe von 4.944,31 DM auf dem Sturmschaden vom 22./23.01.1995. Unerwähnt ließ er, daß die Tischlerrechnung P. vom 13.03.1997 die Lieferung von drei Fenstern im Gesamtwert von 1.485,00 DM aufwies, die ebenfalls ohne jeglichen Bezug zum hier in Rede stehenden Versicherungsfall stand. Auch insoweit bedurfte es erst einer kritischen Nachfrage der Beklagten in der Berufungserwiderung, bevor der Kläger mit Schriftsatz vom 25.06.2001 endlich einräumte, daß die Lieferung dieser drei Fenster "nichts mit dem Sturmschaden zu tun" hatte. In der Berufungsbegründung war demgegenüber noch unmißverständlich vorgetragen worden, auch die Tischlerei P. habe konkret nur den Schaden behoben und in Rechnung gestellt, der im großen Saal auf Grund des Wasserschadens verursacht worden sei.

Nicht ohne indiziellen Wert für die Wahrheitsliebe des Klägers ist schließlich auch die Tatsache, daß er auf eindringlichen Vorhalt des Senats einräumen mußte, daß seine erstinstanzliche Behauptung, die Zeiteinträge des Agenten M. in der Schadenanzeige vom 03.04.1996 zu Tag und Stunde des Schadens (Eintrag: "22./23.01.1996") sowie zur Erstunterrichtung der Gesellschaft bzw. des Vertreters (Eintrag: "28.01.1996") hinsichtlich der Jahreszahl 1996 irrtümlich erfolgt -- richtig und gemeint gewesen sei nur die Jahreszahl 1995 -- und falsch war. Nunmehr trug er erstmals vor, über den Sturmschaden vom 22./23.01.1995 hinaus habe es am 22./23.01.1996 einen weiteren Sturmschaden gegeben, über den sich die Schadenanzeige vom 03.04.1996 verhalte.

Nach alledem hat der Senat keinen vernünftigen Zweifel daran, daß der Kläger die vier Handwerkerrechnungen der Beklagten vorgelegt hat, obwohl er wußte, daß darin auch Positionen enthalten waren, die mit dem Versicherungsfall vom 22./23.01.1995 nichts zu tun hatten. Dabei nahm er zumindest billigend in Kauf, daß die Beklagte dies nicht bemerken und deshalb eine um insgesamt 4.769,47 DM überhöhte Entschädigungsleistung erbringen werde.

3)

Bei dieser Sachlage kann der Beklagten die Berufung auf völlige Leistungsfreiheit auch nicht nach Treu und Glauben als unverhältnismäßig verwehrt werden. Die versuchte Täuschung in zwei Fällen bezieht sich nicht auf einen nur geringen Teil des eingetretenen Schadens; die Entschädigungsförderung war vielmehr um ca. 34 % unberechtigt überhöht. Außerdem kann der Kläger nicht nachweisen, daß er subjektiv nicht aus Gewinnsucht gehandelt hat. Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, daß ein vollständiger Anspruchsverlust eine Existenzgefährdung des Klägers zur Folge hatte.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer des Klägers beträgt 13.986,65 DM.

Ende der Entscheidung

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