Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 20 U 29/06
Rechtsgebiete: VVG, AHB, StGB


Vorschriften:

VVG § 6 Abs. 3
AHB § 5 Ziff. 3
AHB § 6
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.12.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Haftpflichtversicherung auf Gewährung von Deckungsschutz aus Anlass eines Vorfalles vom 27.06.2004 in Anspruch.

An diesem Tage soll im Hause des Vaters des Klägers ein Ofen durch das Verhalten des Klägers beschädigt worden sein. Der Kläger meldete der Beklagten den Vorfall durch Schadensanzeige vom 01.07.2004; der Vater des Klägers schilderte im Schreiben vom 08.07.2004 den Hergang des Vorfalles ebenfalls. Die Beklagte lehnte Deckung mit Schreiben vom 07.10.2004 mit der Begründung ab, der Kläger habe falsche Angaben zum Schadenshergang abgegeben.

Der Kläger hat behauptet, er habe sich am 27.06.2004 nach der Rückkehr vom Angeln in den Heizungskeller des seinem Vater gehörenden Hauses begeben. Dort habe er sein feuchtes Angelzeug zum Trocknen aufhängen wollen. Hierzu habe er einen in dem Keller befindlichen Stuhl in eine von dem Kohleofen entfernte Ecke gerückt und begonnen, die feuchten Kleidungsstücke über dem Stuhl auszubreiten. Im Zuge des Sortierens und Aufhängens der Kleidungsstücke habe er - ohne dies selbst bewusst wahrzunehmen - den Kohlekasten, der neben dem Ofen gestanden hatte, so an den Kohleofen gelehnt, dass dieser die Lüftungsklappe verdeckt habe. Dadurch sei nach ca. zwei Stunden der Ofen infolge Überhitzung geplatzt. Wegen dieses angeblichen Schadensfalles wird der Kläger von seinem Vater (dem Zeugen T) in Höhe von 6.549,95 € in Anspruch genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm wegen einer aufgrund des Schadensereignisses vom 27.06.2004 gegen ihn von seinem Vater geltend gemachten Forderung in Hohe von 6.549,95 € bedingungsgemäßen Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte hat sich im Verhandlungstermin versäumen lassen, so dass antragsgemäß Versäumnisurteil ergangen ist. Hiergegen hat sie form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Versäumnisurteil schon deshalb keinen Bestand haben könne, weil es die Schadenshöhe präjudiziere. Sie hat den zum Haftpflichtanspruch vorgetragenen Sachverhalt in allen Einzelheiten dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Ferner hat sie sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen berufen und hat Widersprüche zwischen den Angaben des Klägers und des Vaters (Zeuge T) in der Darstellung des Vorfalles vom 27.06.2004 aufgezeigt.

Das Landgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Der Versicherungsfall sei eingetreten, da der Vater den Kläger in Anspruch nehme. Im Deckungsprozess käme es auf das Bestehen eines Haftpflichtanspruches nicht an, da der Versicherer auch unberechtigte Ansprüche abwehren müsse. Im Deckungsprozess sei daher nicht zu prüfen, ob der Anspruch des Geschädigten berechtigt sei. Einwendungen zum Grunde und zur Höhe des Haftpflichtanspruches seien unerheblich. Zur Leistungsfreiheit führende Falschangaben des Klägers seinen nicht ersichtlich. Sowohl die Erklärung des Vaters als auch die Schilderungen des Klägers (Schadensanzeige und Klageschrift) deckten sich im Kern. Auf einen möglichen Betrugsversuch habe sich die Beklagte nicht mehr berufen. Im Übrigen seien die Vorwürfe unkonkret.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt:

Die Leistungsfreiheit folge daraus, dass der Versicherungsfall fingiert bzw. manipuliert worden sei und dass der Kläger durch bewusst falsche Angaben einen Betrugsversuch zu Lasten der Beklagten begangen habe. Die Schilderung des Klägers in Klageschrift und Schadensanzeige passten nicht zu der Schilderung des Vaters. Gegen die vorgetragene Überhitzung spräche die Feststellungen des Zeugen C, wonach sich im Ofen noch eine große Menge an unverbrannter Kohle befunden habe.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen dem Begehren des Klägers entsprochen. Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Deckungsanspruch zu. Die Berufungsangriffe rechtfertigen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1.) Das Landgericht (dessen Entscheidung bei JURIS unter Nr. JURE060027036 veröffentlicht ist) hat zutreffend auf das im Haftpflichtrecht geltende Trennungsprinzip abgestellt.

Danach wird die Haftpflichtfrage grundsätzlich abschließend und mit Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess im Haftpflichtprozess zwischen dem haftpflichtversicherten Schädiger und dem Geschädigten entschieden, während die Frage, ob Versicherungsschutz besteht, im Deckungsprozess zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zu entscheiden ist (BGH BauR 2006, 701). Der gegen einen Haftpflichtversicherer gerichtete Rechtsschutzanspruch entsteht mit der Erhebung von Ansprüchen durch Dritte, wobei es ausreicht, dass der Dritte seinen Anspruch auch mit einem in den Schutzbereich des Versicherungsvertrages fallenden Rechtsverhältnis begründet. Eine Prüfung der Ansprüche des Dritten erfolgt im Deckungsprozess nicht. Der Versicherer ist zur Gewährung von Rechtsschutz auch für die Abwehr unbegründeter Ansprüche verpflichtet; das gilt jedenfalls dann, wenn die Ansprüche im Haftpflichtprozess gerichtlich geltend gemacht sind und auch nur die entfernteste Möglichkeit besteht, dass der Versicherungsnehmer aus dem unter das versicherte Risiko fallenden behaupteten Tatbestand verurteilt wird. Für den vorgezogenen Deckungsprozess sind die Angaben des Dritten bindend, für den nachfolgenden Deckungsprozess ist es die rechtskräftige Entscheidung des Haftpflichtprozesses (Senat NJW-RR 1992, 477). Davon unberührt bleibt die Berechtigung des Versicherers, versicherungsrechtliche Einwendungen (i.d.R. Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen) gegen den Deckungsanspruch vorzubringen (Prölss/Martin- Voit-Knappmann, VVG, 27. Aufl., zu § 149, RdNr. 32 m. w. N.).

2.) Die Beklagte könnte mit ihren Berufungsangriffen daher nur dann Erfolg haben, wenn sie wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 6 Abs. 3 VVG, § 5 Ziff. 3, § 6 AHB leistungsfrei geworden ist (während die Frage, ob der Kläger dem Vater zum Schadensersatz verpflichtet ist, im Haftpflichtprozess zu klären ist). Auf die Frage, ob der Kläger (darüber hinaus) versucht (hat), die Beklagte zu betrügen (worauf sich diese vehement beruft), kommt es nicht entscheidend an. Denn insoweit sind - zumindest im vorliegenden Fall - an das Vorliegen einer leistungsbefreienden Obliegenheitsverletzung geringere Anforderungen zu stellen als an das Bejahen eines Betrugsversuches. Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit (behauptete falsche Angaben in der Schadensanzeige) würde sich vorliegend mit dem Tatbestandsmerkmal "Täuschungshandlung" des § 263 StGB decken, ohne dass aber die weiteren Voraussetzungen des Betruges vorzuliegen müssten.

3.) Es lässt sich aber nicht feststellen, dass der Kläger unzutreffende Angaben zum Schadenshergang gemacht hat. Dies geht zu Lasten der - für den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung beweisbelasteten - Beklagten. Der Kläger hat in der Schadensanzeige vom 30.06.2004 (Bl. 124 d. A.) den Schadenshergang geschildert. Danach will er "beim Wäscheaufhängen durch Unachtsamkeit die Lüftungsklappe des Kohleofens verdeckt" haben. Dadurch soll sich der Ofen "ca. 2 Stunden lang überhitzt" haben und "schließlich geplatzt" sein. Diese Angaben hat der Kläger im Verlaufe seiner Anhörung wiederholt und nachvollziehbar konkretisiert. Danach hat er im Zusammenhang mit dem Aufhängen der feuchten Angelwäsche den Aschekasten aus einer Ecke des Kellers versetzt und dermaßen vor den Ofen gestellt, dass die Kette, die für die automatische Regelugung der Lüftungsklappe zuständig ist, sich nicht mehr bewegen konnte. Dies führte dann dazu, dass die Lüftung nicht herunterfuhr, der Ofen ständig feuerte und schließlich überhitzte. Der Kläger hat im Zusammenhang mit dieser Schilderung aber auch angegeben, dass er diese technischen Zusammenhänge nicht selbst wahrgenommen hat, sondern sie ihm von seinem Onkel mitgeteilt wurden, der - auf die Dampfentwicklung durch einen Nachbar hingewiesen - in den Keller ging und den vom Kläger geschilderten Zustand - Blockieren der Kette durch den Aschekasten - so vorgefunden haben will. Der von der Beklagten aufgezeigte Widerspruch im Verhältnis zur Schilderung des Zeugen T (Bl. 49 d. A.) erschließt sich dem Senat nicht. Der Zeuge hat im Kern die - knappen - schriftlichen Angaben des Klägers bestätigt und durch Einzelheiten ergänzt: "Mein Sohn hatte die Angelsachen in den Heizungsraum zum Trocknen abgestellt. Dabei nahm er einen Aschekasten und stellte ihn vor den Ofen, wodurch sich die Lüftungsklappe nicht mehr schließen konnte. Dies hatte zur Folge, dass sich der Ofen überhitzte...". Im Übrigen - würde es sich um verschiedene erheblich voneinander abweichende Sachverhaltschilderung handeln - ist nicht ersichtlich, warum gerade die Schilderung des Klägers unzutreffend sein sollte (und nicht die Schilderung des Zeugen, die sich der Kläger nicht zurechnen lassen muss). Soweit sich die Beklagte im Zusammenhang mit der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit auf den - sachverständigen - Zeugen C bzw. auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft, so ist dem - im Deckungsprozess - nicht nachzugehen. Zum einen zielt dies darauf, den Kausalzusammenhang zwischen Handlung des Klägers (Sperren der Lüftung) und Schadenseintritt (Überhitzen des Ofens) in Abrede zu stellen. Diese Frage ist aber ggfls. im Haftpflichtprozess zu klären. Denn zum einen handelt es sich dabei um eine technische Frage, die unter Einschaltung eines Sachverständigen aufzuklären ist, so dass evtl. unzutreffende Angaben des Klägers hierzu - da er nicht sachverständig ist - nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten führen (können). Auch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die technischen Zusammenhänge lediglich vom Onkel übernommen hat. Zum anderen wäre - unterstellt der Sachverständige käme zum Ergebnis, dass das Blockieren der Lüftungsklappe technisch nicht zu der geschilderten Überhitzung hat führen können - nicht bewiesen, dass der Kläger unzutreffende Angaben gemacht hat. Denn die schadensstiftende Handlung des Klägers lag in dem Bewegen des Aschekastens und des dadurch eingetretenen Blockierens der Lüftungsklappe. Demgegenüber hat die weitere Angabe des Klägers (dadurch eingetretene Überhitzung des Ofens), die er von seinem Onkel übernommen hatte und deren Beantwortung in den Aufgabenkreis eines Sachverständigen fällt (s.o), keine weitere Bedeutung. Wie bereits ausgeführt, wird die Beklagte durch diese Betrachtungsweise grds. nicht schutzlos gestellt. Denn dem geschädigten Vater des Klägers steht gegen diesen ein Haftpflichtanspruch (für den die Beklagte einzustehen hätte) nur dann zu, wenn er (auch) die Kausalität zwischen Handlung und Schadenseintritt beweisen kann.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Kläger schriftsätzlich abweichende Schilderungen abgegeben habe, so vermag dies - da die Beklagte Deckungsschutz vorprozessual endgültig abgelehnt hat - Leistungsfreiheit ebenfalls nicht zu begründen. Im Übrigen sieht der Senat den von der Beklagten aufgezeigten erheblichen Widerspruch nicht. Denn der Kläger hat auch schriftsätzlich das Kerngeschehen annähernd gleich (Verdecken der Lüftung beim Aufhängen der feuchten Angelwäsche) geschildert.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück