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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.09.2000
Aktenzeichen: 20 U 36/00
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12
Leitsatz

§ 12 AKB

Unglaubwürdigkeit eines Versicherungsnehmers:

Verurteilungen wegen Betrugs und Urkundenfälschung, falscher Sachvortrag im Prozeß.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 36/00 OLG Hamm 9 O 441/99 LG Detmold

Verkündet am 15. September 2000

Fenk, Justizobersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Januar 2000 verkündete Urteil der IV. Zivilkammer des Landgerichts Detmold abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Versicherungsleistung aus einer Teilkaskoversicherung wegen eines angeblichen Diebstahls eines Motorrades vom Typ Harley Davidson, Baujahr 1995, in Anspruch. Er hat behauptet, das Motorrad sei in der Zeit vom 18. Dezember 1998 bis zum 02. Januar 1999 aus der abgeschlossenen Reiheneinzelgarage, die hinter dem Wohnhaus O in B gelegen ist, gestohlen worden. Den Wiederbeschaffungswert des Motorrades hat er aufgrund eines Gutachtens des Dipl.-Ing. L vom 09.05.1996 mit 58.500,00 DM beziffert und unter Abzug der vereinbarten Selbstbeteiligung von 300,00 DM Zahlung von 58.200,00 DM verlangt.

Die Beklagte verweigert die Regulierung des ihr gemeldeten Versicherungsfalles. Sie hat den Diebstahl des Motorrades bestritten und Zweifel an der Gaubwürdigkeit des Klägers, der unter anderem in dem Strafverfahren 6 Js 281/98 StA Bielefeld durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wegen Abrechnungsbetruges zum Nachteil der gesetzlichen Krankenkassen zu einer Geldstrafe von 300,00 DM Tagessätzen á 50,00 DM verurteilt worden ist, aufgezeigt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das äußere Bild eines Diebstahls sei aufgrund der eigenen Angaben des Klägers bewiesen. Die Glaubwürdigkeit des Klägers sei von der Beklagten nicht erschüttert worden. Allein aus der Verurteilung wegen Betruges zum Nachteil der Krankenkassen sei nicht auf seine Unredlichkeit zu schließen.

II.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung der Kaskoentschädigungssumme zu, da er das äußere Bild des Diebstahls des Motorrades durch Zeugen nicht bewiesen hat und auch nicht persönlich glaubwürdig ist.

1.

Der Kläger hat das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung, d.h. ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluß auf die Entwendung zulassen, nicht bewiesen. Das äußere Bild eines Diebstahls ist im allgemeinen zwar schon dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet. Stellt der redliche Versicherungsnehmer ein derartiges Verschwinden seines Fahrzeugs fest, kann nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf einen versicherten Diebstahl geschlossen werden (so unter anderem BGHZ 130, 1 ff.). Der Kläger hat sich zwar für seine Behauptung, das Motorrad habe noch während seiner Abwesenheit in der Zeit vom 19. bis 29.12.1998 am 24.12.1998 in der Reiheneinzelgarage gestanden, auf das Zeugnis seiner Eltern berufen. Insoweit kann auch unterstellt werden, daß diese seine Behauptung bestätigen. Durch die Aussagen von Zeugen kann der Kläger jedoch nicht den Beweis führen, daß das Motorrad am 02. Januar 1999 nicht mehr in der Garage gestanden hat. Bei der angeblichen Entdeckung des Diebstahls 3 Tage nach Rückkehr des Klägers von der Schiffsreise mit der Segelyacht "L M" war der Kläger nämlich allein. Er hat die angebliche Entwendung des Motorrades auch keineswegs unmittelbar nach seiner Rückkehr von dieser Reise am 29.12.1998 entdeckt, sondern erst am 02. Januar 1999, so daß ein Diebstahl während seiner Urlaubsabwesenheit noch nicht einmal behauptet werden kann.

Es fehlen auch objektive Anhaltspunkte, die für eine Entwendung des Motorrades aus der verschlossenen Garage sprechen könnten. Aufbruchspuren am Garagentor sind weder vom Kläger selbst noch von den herbeigerufenen Polizeibeamten festgestellt worden. Soweit der Kläger deshalb ein Aufbrechen der Garage mit Hilfe eines "Nachschlüssels" vermutet, hat dieser Verdacht nicht anhand von Spuren am Garagenschloß und/oder den Schlüsseln erhärtet werden können, denn der Kläger selbst hat Schloß und dazu gehörende Schlüssel ausgewechselt und das alte Schloß nebst Schlüsseln "entsorgt", bevor diese auf etwaige Spuren untersucht werden konnten.

2.

Das Fehlen von Beweismitteln für das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Motorrades kann der Kläger nicht durch seine eigenen Angaben ersetzen; denn er ist nicht glaubwürdig.

Der Kläger ist in dem Strafverfahren 6 Js 281/98 durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen á 50,00 DM verurteilt worden. Dieser Verurteilung liegen betrügerische falsche Abrechnungen zum Nachteil gesetzlicher Krankenkassen in der Zeit von 1996 bis 1998 zugrunde. Insoweit ist ein Schaden von rund 70.000,00 DM festgestellt und vom Kläger selbst eingeräumt worden. Einem Versicherungsnehmer, der zum Schaden von Krankenkassen über einen längeren Zeitraum hinweg und zeitnah zu dem angemeldeten Versicherungsfalls Abrechnungen fälscht, um sich selbst einen nicht unerheblichen ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu verschaffen, kann nicht abgenommen werden, daß der behauptete Diebstahl überhaupt stattgefunden hat.

Gegen die Wahrheitsliebe des Klägers sprechen zudem weitere Umstände:

Der Kläger ist - zeitnah - zu der hier behaupteten Entwendung durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 02. März 1999 in dem Verfahren 22 Js 478/98 StA Bielefeld wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 50,00 DM verurteilt worden, weil er einen Fischereischein gefälscht hat. Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Abrechnungsbetruges zum Nachteil einer privaten Krankenkasse, das unter dem Aktenzeichen 22 Js 755/95 StA Bielefeld 1995 gegen den Kläger eingeleitet worden war, ist gemäß § 153 a STPO gegen Zahlung von 3.000,00 DM an die Landeskasse eingestellt worden.

Darüber hinaus ist der Vortrag des Klägers in diesem Rechtsstreit widersprüchlich, soweit es um ihm seitens der Beklagten zur Last gelegtes strafrechtlich relevantes Verhalten in der Vergangenheit geht. So hatte die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung unter anderem das bereits oben genannte Verfahren 22 Js 478/98 StA Bielefeld aufgeführt, das die Verurteilung des Klägers vom 02.03.1999 wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen betrifft. Der Kläger hat darauf in der Berufungserwiderung mit Unverständnis reagiert und erklärt, es sei ihm "einigermaßen unverständlich", was es mit diesem Verfahren auf sich haben solle (Bl. 174 d.A.).

Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung weiter einen dem Kläger zur Last gelegten Betrug zum Nachteil der Versicherung D W sowie ein Gutachten des Sachverständigen Dr. P erwähnt, das zur Feststellung der Höhe des Schadens eingeholt worden ist, den der Kläger den Krankenkassen durch seine betrügerischen Abrechnungen zugefügt hat. In der Berufungsbegründung läßt der Kläger dazu vortragen, er habe "mit der D W... überhaupt nichts zu tun" und ein Gutachter Dr. P sei ihm "ebenfalls völlig unbekannt". Dieser Vortrag des Klägers ist wahrheitswidrig; denn aus den beigezogenen Akten 6 Js 281/98 StA Bielefeld ergibt sich, daß dem Kläger in einer verantwortlichen Vernehmung ein Betrug zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft D W vorgeworfen und daß ihm das Gutachten des Sachverständigen Dr. P ebenfalls vorgehalten worden ist.

Auch diese aufgezeigten Umstände gegen Anlaß, an der Richtigkeit der übrigen Angaben des Klägers zu zweifeln. Eine Gesamtschau seines Verhaltens führt dazu, daß ihm die Glaubwürdigkeit zu versagen ist.

Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung war daher die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziff. 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer des Klägers beträgt 58.200,00 DM.

Ende der Entscheidung

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