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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 14.10.2009
Aktenzeichen: 20 U 40/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 241 Abs. 2
BGB § 254 Abs. 1
BGB § 278
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 2
BGB § 286
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 291
BGB § 311 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 328 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 09.01.2008 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen teilweise abgeändert.

Die Beklagte zu 3. wird verurteilt, an die Klägerin 10.455,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 13.09.2007 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese zu 75 % und die Beklagte zu 3. zu 25 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3. trägt diese zu 75 % und die Klägerin zu 25 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagen zu 1. und 2. trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(ohne "Tatbestand" gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO)

Die Berufung ist hinsichtlich der Beklagten zu 3. im tenorierten Umgang begründet, hinsichtlich der Beklagten zu 1. und 2. unbegründet.

I.

Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 3.

1.

Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 3. geltend gemachten Schadensersatz sind §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 278 BGB.

Die Beklagte zu 3. hat das zwischen ihr und der Klägerin begründete Schuldverhältnis schuldhaft verletzt.

a)

Die Gewährung eines Bezugsrechts im Rahmen einer Lebensversicherung begründet für den begünstigten Dritten ein einseitiges Forderungsrecht nach § 328 Abs. 1, G330 Satz 1 BGB. Es handelt sich um ein vertragsähnliches Verhältnis, das zugunsten des Dritten auch vertragliche Nebenpflichten begründet (vgl. BGH NJW 2005, 3778). Bei Beteiligung des Dritten am Vertragsschluss können auch vorvertragliche Sorgfaltspflichten über § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB bewirkt werden.

Auf die insoweit zutreffenden rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen.

b)

Eine schuldhafte Verletzung dieser vorvertraglichen Nebenpflichten ist nach dem eigenen schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten und der Angaben der Beklagten 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung am 19.11.2008 festzustellen.

Es ist erstinstanzlich unstreitig gewesen, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten zu 3. und Ehemann der Klägerin, I-X B, Ende des Jahres 2006 unheilbar an Krebs erkrankte, nur noch eine geringe Lebenserwartung hatte und das Bezugsrecht für die Lebensversicherung mit der Versicherungsschein-Nr. 1-26.841.287-9 zugunsten seiner Ehefrau - der Klägerin - festlegen wollte.

Soweit die Beklagten zweitinstanzlich mit Schriftsatz vom 11.09.2008 (Bl. 127 ff.) erstmals vermuten, dass ihr Versicherungsnehmer diese Bezugsrechtsfixierung nicht mehr wollte, lösen sie sich von ihrem erstinstanzlichem Vortrag (vgl. S. 4 unten der Klageerwiderung vom 15.10.2007/Bl. 41). Ihr neues Vorbringen ist gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Zudem ist es eine bloße Spekulation.

Unstreitig versprachen die Beklagten zu 1. und 2. im Rahmen der Besprechung am 06.03.2007 in der Wohnung der Eheleute B, die Bezugsrechtsfixierung kurzfristig vorzubereiten. Dies haben die Beklagten zu 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt. Danach sagten sie der Klägerin zu, ihr einen vorgefertigten Antrag zur Festlegung und/oder Änderung des Bezugsrechts kurzfristig zu übermitteln.

Die Beklagten zu 1. und 2. hielten diese Zusage jedoch nicht ein. Zur Übergabe eines vorbereiteten Antrages kam es bis zum Ableben des Versicherungsnehmers am 13.04.2007 nicht. Und der Versicherungsnehmer oder die Klägerin wurden auch nicht darauf hingewiesen, dass ein formloses Anschreiben genügt.

Die Beklagten zu 1. und 2. haben durch ihr Fehlverhalten die begehrte Bezugsrechtsfixierung schuldhaft vereitelt.

Es kann dabei dahinstehen, ob die Klägerin die von den Beklagten geschilderten telefonischen Terminangebote zurückgewiesen und auch auf den Vorschlag, sich auf ihre Arbeitsstelle zu treffen, ablehnend reagiert haben soll. Die Beklagten hätten die Möglichkeit gehabt, den vorbereiteten Antrag zur Fixierung des Bezugsrechts durch die Post oder durch einen Boten an die eheliche Wohnung ihres Versicherungsnehmers zu senden. Der Senat ist nach Würdigung der Erklärungen der Klägerin und der Beklagten zu 1. und 2. davon überzeugt, dass die Klägerin diesen Vorschlag der Beklagten nicht ablehnte. Für ein derartiges Verhalten der Klägerin ist kein vernünftiger Grund ersichtlich. Die gilt insbesondere für das in der Klageerwiderung angeführte Argument der Postlaufzeiten.

Aber selbst dann, wenn der Klägerin die Übersendung des Formulars zur Bezugsrechtsfixierung nicht recht gewesen sein sollte, hätten die Beklagten zu 1. und 2. jedenfalls auf die Möglichkeit hinweisen müssen, die Bezugsrechtsfixierung der Beklagten zu 3. unmittelbar - also ohne Gebrauch des dafür vorgesehenen Formulars - schriftlich mitzuteilen. Dieser Hinweis erfolgte unstreitig nicht. Vielmehr hat die Beklagte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, auf diese Idee nicht gekommen zu sein. Sie habe sich dafür zuständig gefühlt, die Bezugsrechtsfixierung selbst vorzubereiten.

Mithin ist eine Verletzung der vorvertraglichen Nebenpflichten nach dem eigenen Vortrag der Beklagten festzustellen.

Darüber hinaus glaubt der Senat der Sachverhaltsdarstellung der Klägerin, wonach diese täglich auf die Übersendung des vorbereiteten Formulars zur Bezugsrechtsfixierung gewartet habe, ohne dass es etwas geschehen sei. Es ist nicht nur unglaubhaft, dass die Klägerin eine Übersendung des Formulars per Post oder Boten abgelehnt haben soll. Ebenso unglaubhaft ist die Darstellung der Beklagten, die Klägerin habe es sich verbeten, dass das Formular an ihrem Arbeitsplatz vorbeigebracht werde. Es gibt keinen plausiblen Grund, warum die Klägerin diese Angebote abgelehnt haben soll.

Die Beklagte zu 3. hat sich das Fehlverhalten der Beklagten zu 1. und 2., ihrer Versicherungsagenten, gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen (vgl. BGH NJW 1983, 631).

Des Weiteren hat die Beklagte zu 3. darzulegen, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dieser Entlastungsbeweis muss sich auch auf das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen erstrecken. Die Beklagte zu 3. hat den Entlastungsbeweis nicht geführt.

c)

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Pflichtverletzung der Beklagten zu 3. für die unterbliebene Bezugsrechtsfixierung und den damit verbundenen Schaden kausal geworden ist.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass ein Formular zur Änderung des Bezugsrechtes umgehend von ihrem Mann unterzeichnet und abgesandt worden wäre, wenn es im Postfach der ehelichen Wohnung oder an der Arbeitsstelle der Klägerin vorgefunden worden wäre.

Desgleichen ist der Senat davon überzeugt, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann nach entsprechender Belehrung durch die Beklagten zu 1. und 2. zur Fixierung des Bezugsrechts direkt schriftlich an die Beklagte zu 3. gewandt hätten. Hierfür streitet auch die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens.

d)

Die Klägerin trifft an dem eingetretenen Schaden ein Mitverschulden gem. § 254 Abs. 1 BGB.

Auch der Klägerin war die Dringlichkeit des Anliegens ihres Ehemannes, das Bezugsrecht zu ihren Gunsten festzulegen, bewusst. In dieser Situation hätte die Klägerin mehr unternehmen können und müssen, als - so ihre eigene Darstellung - hin und wieder zu versuchen, die Beklagte zu 1. telefonisch zu erreichen.

In Anbetracht der für die Klägerin tragischen Gesamtumstände, insbesondere der Sorge und Pflege ihres todkranken Ehemannes, bewertet der Senat den Mitverschuldensanteil der Klägerin mit 25 %. Zunächst und an erster Stelle waren die Beklagten verpflichtet, die von ihnen zugesagte Vorbereitung der Bezugsrechtsfixierung auch kurzfristig vorzubereiten.

Der Klägerin steht daher gegen die Beklagte zu 3. ein Schadensersatzanspruch von 10.455,64 € (75 % von 13.940,85 €) zu.

2.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB (Prozesszinsen).

3.

Der Anspruch auf Erstattung vorprozessual entstandener Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen ist nicht schlüssig dargetan.

Anspruchsgrundlage ist Verzug, §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Verzug setzt aber eine Mahnung der Klägerin vor Einschaltung ihres Anwalts voraus. Dazu ist nichts dargetan.

II.

Ansprüche gegen die Beklagten zu 1. und 2.

Gegen die Beklagten zu 1. und 2. stehen der Klägerin keine Schadensersatzansprüche zu. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen unter Ziff. I. 2. des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

III.

Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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