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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.06.2007
Aktenzeichen: 20 U 50/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 305 c Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Februar 2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der nach dem Urteil vollstreckbaren Beträge abzuwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der beizutreibenden Beträge leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung genommen, welcher die ARB P 01.02 zugrunde liegen. Vereinbart ist eine "Unternehmens-Rechtsschutzkombi mit Privat-Rechtsschutzkombi" gemäß § 26 dieser Bedingungen. Dort heißt es:

"(1) Versicherungsschutz besteht

a) für die im Versicherungsschein bezeichnete gewerbliche [...] Tätigkeit des Versicherungsnehmers;

b) für den Versicherungsnehmer [...] auch im privaten Bereich [...].

[...]

(3) Der Versicherungsschutz umfasst:

[...]

Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht für den privaten Bereich [...]".

Am 03.06.2004 verunfallte der Kläger während der Ausübung seiner Tätigkeit als selbständiger Bäckermeister. Wegen der Folgen macht er Ansprüche aus einer (privatrechtlichen) Unfallversicherung gegen die X AG geltend und begehrt hierfür von der Beklagten Versicherungsschutz.

Die Beklagte hat gemeint, die - bereits erhobene - Klage gegen den Unfallversicherer gehöre nicht zum "privaten Bereich" im Sinne § 26 Abs. 3 der vereinbarten Bedingungen, sondern zum gewerblichen Bereich, für welchen aber - unstreitig - Vertragsrechtsschutz nicht vereinbart sei. Entscheidend sei, dass der Unfall im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit des Klägers geschehen sei.

Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte Rechtsschutz zu gewähren hat. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf das - zur Veröffentlichung vorgesehene - Urteil des Landgerichts (vom 01.02.2007 - 2 O 314/06 -) Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch auf Rechtsschutz bejaht.

Der Begriff des "privaten Bereichs" in § 26 Abs. 3 der vereinbarten Bedingungen umfasst auch die hier in Rede stehende Klage aus der Unfallversicherung des Klägers. Denn so wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer bei Abschluss einer Unternehmens-/Privatrechtsschutz-Kombination, wie die Parteien sie vereinbart haben, die Regelung des § 26 bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen (vgl. zu diesem Auslegungsmaßstab nur BGHZ 123, 83 ff.).

Versichert ist in der Unfallversicherung des Klägers, wie bereits das Landgericht hervorgehoben hat, schlechthin dessen körperliche und geistige Leistungsfähigkeit; die genommene Unfallversicherung deckt weder allein - oder auch nur in besonderer Weise - Gefahren aus der gewerblichen Tätigkeit des Klägers, noch gewährt sie allein - oder auch nur in besonderer Weise - Ausgleich bei Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers. Es handelt sich um eine "normale" Unfallversicherung, wie sie ebenso von Angestellten, Arbeitern, Beamten und anderen gehalten wird. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Unternehmens/ Privatrechtsschutz-Kombination, wie die Parteien sie vereinbart haben, wird jedenfalls die Geltendmachung von Ansprüchen und die Klage aus einer solchen Unfallversicherung dem "privaten Bereich" im Sinne des § 26 Abs. 3 der vereinbarten Bedingungen zuordnen. Es handelt sich nicht um einen Anspruch aus einer gewerblichen Vertragsbeziehung, sondern um einen Anspruch aus einer privaten Absicherung des Klägers, aus einem Vertrag, welchen der Kläger nicht in seiner Eigenschaft als selbständiger Bäckermeister oder Gewerbetreibender geschlossen hat, sondern welchen er geschlossen hat wie jedermann. Hiernach wird ein Anspruch gegen den Unfallversicherer auch dann nicht zu einer gewerblichen Angelegenheit, wenn der Unfall in Ausübung des Berufs geschehen ist. Dies berührt nicht die "Natur" der Vertragsbeziehung zwischen Unfallversicherer und Versicherungsnehmer, und es berührt auch nicht die "Natur" des vom Kläger wahrgenommenen rechtlichen Interesses.

Der Umstand, dass möglicherweise die Unfallgefahr bei einem selbständigen Bäckermeister höher ist als beim Durchschnitt der privat Unfallversicherten und dass möglicherweise der Kläger deshalb dem Unfallversicherer eine erhöhte Prämie hat zahlen müssen, ändert nichts. Auch dies macht die Unfallversicherung nicht zu einer gewerblichen Angelegenheit.

Jedenfalls aber wäre, wie auch bereits das Landgericht ausgeführt hat, die vorstehende Auslegung des § 26 Abs. 3 der vereinbarten Bedingungen ernsthaft möglich und müsste daher gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten gelten.

Es kann dahinstehen, ob Anspruch auf Rechtsschutz auch dann zu bejahen wäre, wenn in § 26 der vereinbarten Bedingungen Versicherungsschutz ausgeschlossen worden wäre für "die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit" (so etwa § 25 Abs. 1 Satz 2 ARB 75, vgl. dazu einerseits OLG Koblenz, VersR 1999, 1487, OLG München, r+s 1992, 203, LG Ellwangen, r+s 2000, 290; andererseits aber die beachtlichen Gründen in dem hier angefochtenen Urteil m.w.N.). Die hier vereinbarte Regelung in § 26 stellt nicht auf einen solchen Ausschluss (schon) bei "Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit" ab, sondern verspricht schlechthin Vertrags-Rechtsschutz "für den privaten Bereich". Sie verweist auch nicht etwa, erst recht nicht zweifelsfrei im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, auf § 21 der Bedingungen. Vielmehr nennt die Zwischenüberschrift vor Abs. 1 des § 26 als "Privat-Rechtschutzbausteine" ausdrücklich die Bereiche "Privat, Verkehr, Haus und Wohnung, Beruf" (Hervorhebung hinzugefügt). Danach ist keineswegs erkennbar, dass der Rechtsschutz bei einem Bezug zum Beruf des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein soll.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 ZPO). Wie vorstehend angesprochen und im Senatstermin erörtert ist die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung zu anderen Bedingungen ergangen; die hier vereinbarten Bedingungen werfen keine Frage auf, welche einer Klärung durch den Bundesgerichtshof bedürfte (vgl. dazu allgemein Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 543 Rn. 11 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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