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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.01.2000
Aktenzeichen: 20 U 63/99
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12
Leitsatz

Erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Diebstahls:

Dieb soll Schlüsselbund aus Jacke in bewachter Garderobe einer Diskothek entwendet, den Kfz.-Schlüssel kopiert, den Transponder durch ein Plastikstück ersetzt und dann den Schlüsselbund in Garderobe und Jacke zurückpraktiziert haben.


OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 63/99 OLG Hamm 12 O 249/98 LG Essen

Verkündet am 12. Januar 2000

Knott, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg und den Richter am Oberlandesgericht Rüther

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.12.1998 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Teilkaskoversicherung auf Zahlung einer Diebstahlsentschädigung für das versicherte Leasing-Fahrzeug BMW 520 i Touring (Erstzulassung am 29.02.1996) in Anspruch.

Sie behauptet, ihr Ehemann, der Zeuge N habe den Wagen am 27.09.1997 zwischen 23.00 Uhr und 23.30 Uhr auf dem Parkplatz an der Straße in abgestellt. Sodann habe er gemeinsam mit dem Zeugen N die Discothek aufgesucht. Auf Grund des genossenen Alkohols habe er das Fahrzeug in der Nacht am Abstellort stehenlassen und sei gemeinsam mit dem Zeugen W in dessen Fahrzeug nach Hause gefahren.

Am folgenden Tag gegen 12.45 Uhr habe er zusammen mit dem Zeugen N den Abstellort aufgesucht, den BMW dort aber nicht mehr vorgefunden.

Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz. Sie bestreitet den Diebstahl mit näherer Begründung und beruft sich überdies auf Leistungsfreiheit wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung, weil die Klägerin bzw. ihr Ehemann Falschangaben zu den Fahrzeugschlüsselverhältnissen gemacht habe.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestehe die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalles durch den Zeugen N.

Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist ihr nicht gemäß §§ 1, 49 VVG; 12 Nr. 1 I lit. b AKB zur Entwendungsentschädigung verpflichtet.

Es kann offenbleiben, ob auf Grund der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme das äußere Bild des behaupteten Diebstahls angenommen werden kann. Der Senat ist jedenfalls mit dem Landgericht der Auffassung, daß die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalles durch die Klägerin und/oder den Zeugen N gegeben ist. Ein etwaiges alleiniges Fehlverhalten ihres Ehemannes muß die Klägerin sich zurechnen lassen, weil der Zeuge N von den Parteien übereinstimmend als ihr Repräsentant angesehen wird.

Die Klägerin selbst trägt vor, daß ihr Ehemann am Abend des 27.09.1997 mit dem vom Sachverständigen W in seinem für die Beklagte erstatteten Schlüsselgutachten vom 06.01.1998 mit der Nummer 2 bezeichneten Fahrzeugschlüssel unterwegs war und diesen deshalb auch bei seiner Hinfahrt zur Discothek benutzt hat. Dieser Schlüssel weist unstreitig Kopierspuren auf, die nicht durch Gebrauchsspuren überlagert sind.

Eine von der Beklagten veranlaßte Anfrage beim Fahrzeughersteller hat überdies ergeben, daß bei diesem Schlüssel der werksseitig in die Reide eingebaute Transponder fehlte; er war durch ein Plastikteil ersetzt worden, so daß man dem Schlüssel äußerlich die Manipulation nicht ansehen konnte. Der Transponder - ein Datenträger, der elektronisch mit einem Wechsel-Code codiert ist und bei jedem Startvorgang die "Berechtigung" des Schlüssels überprüft - ist eine Besonderheit der elektronischen Wegfahrsperre vom "Typ II', mit dem das versicherte Fahrzeug ausgerüstet war. Ohne Transponder ist mit dem in Rede stehenden Schlüssel ein Starten des Wagens unmöglich.

Nach dem Klagevortrag ist die behauptete Diebstahlstat nur so zu erklären,

- daß während des ca. vierstündigen Aufenthalts des Zeugen N in der Discothek ein unbekannter Täter zunächst den an einem Schlüsselbund (zusammen mit Haus- und Fitneßstudioschlüsseln) befindlichen Fahrzeugschlüssel aus der im Garderobenraum befindlichen Jacke des Zeugen an sich genommen,

- sodann den Fahrzeugschlüssel kopiert, den Transponder entnommen und durch ein Plastikteil ersetzt

- und schließlich den Schlüssel wieder in die Jackentasche des Zeugen in der Garderobe zurückverbracht hat.

Ein solches Tätervorgehen ist lebensfremd und deshalb äußerst unwahrscheinlich.

Es mag sein, daß es einem Dieb gelingen kann, sich in der Discothek trotz des unstreitigen Vorhandenseins von Garderobenpersonal unbeaufsichtigt an fremden Kleidungsstücken zu schaffen zu machen und dabei auch einen Fahrzeugschlüssel aus einer Jackentasche zu entnehmen. Erfahrungsgemäß wäre aber zu erwarten, daß er sodann mit Hilfe des auf diese Weise in seinen Besitz gelangten Schlüssels das dazu passende Fahrzeug entwendet, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, den Schlüssel unbemerkt wieder zurückzubringen. Es ist weder vorgetragen noch sonst wie erkennbar, welches Interesse ein Dieb an der Anfertigung eines Nachschlüssels, dem Austausch des Transponders gegen ein nutzloses Plastikteil und dem neuerlichen Aufsuchen der bewachten Discothek-Garderobe zwecks unauffälliger Schlüsselrückgabe in die Jackentasche des Zeugen Neugebauer hätte haben sollen.

Die erstmals mit der Berufung aufgestellte Behauptung, die Polizei habe in der Vergangenheit eine Fahrzeug-Diebesbande gefaßt, an derr Türsteher der Discothek und Parkplatzpersonal beteiligt gewesen seien und deren Vorgehensweise exakt dem von der Klage vermuteten Muster entsprochen habe, hat sich nicht bestätigt. Die vom Senat eingeholte polizeiliche Auskunft vom 16.11.1999 (Bl. 215 ff der Akten) hat ergeben, daß es lediglich einmal eine Festnahme eines auf frischer Tat beim Abschrauben von Fahrzeugteilen ertappten Parkplatzwächters gegeben hat. Das ist qualitativ etwas völlig anderes.

Der Senat hat nicht übersehen, daß der große Parkplatz vor der Discothek ein - wie es in der polizeilichen Auskunft heißt- "absoluter Kriminalitätsschwerpunkt innerhalb der Polizeiinspektion ist, was Diebstähle an und aus Kraftfahrzeugen betrifft. Dies erklärt indes nicht die im Streitfall für die Annahme der erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalles entscheidende Nichtnachvollziehbarkeit des von der Klägerin vermuteten Tätervorgehens (Rückgabe des manipulierten Fahrzeugschlüssels in die Jackentasche des Zeugen N.

Unwiderlegbar trägt die Berufung zwar vor, daß ein besonderes Motiv für eine Entwendungsvortäuschung in Form wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Eheleute N nicht gegeben war. Das schließt jedoch nicht aus, daß zumindest seitens des Zeugen N ein Interesse daran bestanden haben mag, das fremdfinanzierte Fahrzeug gewinnbringend loszuwerden.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kam es auf die weiteren vom Versicherer vorgebrachten Einwände gegen die Berechtigung der Klageforderung nicht mehr an.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Ende der Entscheidung

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