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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 20 U 89/07
Rechtsgebiete: ALB 86, VVG, InsO
Vorschriften:
ALB 86 § 12 | |
ALB 86 § 13 | |
VVG § 43 | |
InsO § 166 Abs. 2 | |
InsO § 171 |
2. Als schriftliche Anzeige einer Abtretung durch den bisher Berechtigten (§ 13 Abs. 4 Satz 1 ALB 86) genügt es, wenn der abtretende Versicherungsnehmer eine von ihm und dem Abtretungsempfänger unterschriebene Abtretungsvereinbarung dem Versicherer übergibt.
3. Hat der Versicherungsnehmer Ansprüche aus einer Lebensversicherung zur Sicherheit an einen Dritten abgetreten und wird über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist der Insolvenzverwalter gemäß § 166 Abs. 2 InsO befugt, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert einzuziehen. Der absonderungsberechtigte Abtretungsempfänger hat einen Anspruch auf Auskehrung des Rückkaufswerts abzüglich der Feststellungs- und Verwertungskosten des Insolvenzverwalters gemäß § 171 InsO.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
20 U 89/07 OLG Hamm
Verkündet am 25. Januar 2008
In dem Rechtsstreit
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zumdick und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Gundlach und Lopez Ramos
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 15.02.2007 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Kläger gewährten ihrem Schwiegersohn ... im März 2003 Darlehen von insgesamt 50.000 EUR. Anschließend vereinbarten sie mit diesem unter dem 30.03.2003 schriftlich, dass er "zur Absicherung" Ansprüche aus drei bei der Beklagten genommenen Lebensversicherungen an sie abtrete.
Der Schwiegersohn der Kläger (im Folgenden: Versicherungsnehmer) übergab an einem der folgenden Tage ein Exemplar der Abtretungsvereinbarung dem Agenten A der Beklagten. Der Agent erklärt, damit sei alles in Ordnung. Die Abtretungsvereinbarung wurde der Beklagten nicht zugeleitet.
Die vereinbarten Versicherungsbedingungen sehen vor, dass die Abtretung nur wirksam ist, wenn sie der Beklagten ("uns") vom Berechtigten schriftlich angezeigt worden ist. Außerdem bestimmen die Bedingungen, dass Mitteilungen wirksam werden, wenn sie der Beklagten zugehen, und dass Versicherungsvertreter "zu ihrer Entgegennahme nicht bevollmächtigt" sind.
Über das Vermögen des Versicherungsnehmer wurde im November 2004 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter, der in erster Instanz diesem Rechtsstreit auf Seiten der Kläger beigetreten ist, erklärte die Kündigung der Versicherungsverträge und verlangte Auszahlung des Rückkaufswerts an sich. Die Kläger widersprachen einer Auszahlung an den Insolvenzverwalter. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, dass die Abtretung mangels Anzeige an sie unwirksam sei, und zahlte an den Insolvenzverwalter einen Betrag von insgesamt 31.086,04 EUR.
Mit ihrer Klage haben die Kläger Zahlung von 31.086,04 EUR nebst Zinsen begehrt. Sie haben gemeint, sie - allein - seien forderungsberechtigt. Hilfsweise haben sie geltend gemacht, dass sie aus eigenem oder jedenfalls aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers einen Anspruch auf Schadensersatz hätten.
Die Beklagte hat erklärt, sie wolle sich nicht auf eine Unwirksamkeit der Abtretung berufen; gemäß § 166 Abs. 2 InsO sei der Insolvenzverwalter in jedem Fall zur Einziehung befugt gewesen; die Kläger hätten von diesem Auskehrung zu verlangen; ein ersatzfähiger Schaden sei nicht entstanden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, die Abtretung sei unwirksam und auch ein Schadensersatzanspruch stehe den Klägern nicht zu: Diese seien nicht in den Schutzbereich des Versicherungsverhältnisses einbezogen, und dem Versicherungsnehmer sei kein Schaden entstanden. Wegen der Einzelheiten der Begründung und des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren erstinstanzlichen Antrag weiter und beantragen hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen den aus der Nicht-Weiterleitung des Abtretungsvertrages entstandenen Schaden zu ersetzen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auch der in dieser Instanz hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unbegründet.
1.
Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen (Erfüllungs-) Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswerts. Allerdings war die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen an die Kläger - entgegen der Auffassung des Landgerichts - wirksam. Die Ansprüche sind aber durch die Auszahlung an den gemäß § 166 Abs. 2 InsO einziehungsbefugten Insolvenzverwalter erloschen.
a)
Die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen an die Kläger war wirksam.
aa)
Zur Anzeige der Abtretung genügte die Übermittlung der schriftlichen Abtretungsvereinbarung durch den Versicherungsnehmer an die Beklagte. So wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf welchen bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen abzustellen ist (vgl. nur BGHZ 123, 83 = VersR 1993, 957), die Klausel verstehen, wonach die Abtretung der Beklagten durch den Berechtigten schriftlich anzuzeigen ist. Es war nicht etwa erforderlich, dass der Versicherungsnehmer zudem ein Begleitschreiben unterzeichnete und die Abtretung ausdrücklich "anzeigte" (vgl. hierzu auch BGH, VersR 1993, 1219). Auch die Beklagte selbst hat solches nicht geltend gemacht.
bb)
Die Abtretungsvereinbarung ist der Beklagten im Rechtssinne zugegangen noch im April 2003.
(1)
Ihr Agent war zwar nicht Empfangsbevollmächtigter, er war aber nach der Rechtsprechung des Senats Empfangsbote (VersR 2001, 1499; ebenso Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 44 Rn. 47; Reiff, VersR 1998, 976 unter 2, bei Fn. 17; offen lassend OLG Düsseldorf, VersR 2004, 996 unter 3 c).
Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 120 Rn. 9). Jedenfalls Letzteres trifft, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert und auch von der Beklagten selbst nicht bestritten worden ist, für den Agenten zu, welcher auch sonst (etwa bei Schadensfällen im Bereich von Sachversicherungen) Erklärungen für den Versicherer entgegennimmt und u.a. unter dessen Firmenlogo auftritt. Die Versicherungsnehmer gehen, wie der (ausschließlich für Versicherungssachen zuständige) Senat aus einer Vielzahl von Verfahren weiß, jedenfalls davon aus, dass sie Erklärungen an den Versicherer in dessen Einverständnis einem Agenten zur Weiterleitung an den Versicherer übergeben können.
Dem steht nicht entgegen, dass in den Versicherungsbedingungen bestimmt wurde, dass die Agenten zur Entgegennahme von Erkärungen nicht "bevollmächtigt" sind und (vgl. BGHZ 141, 137 = VersR 1999, 710; daher "überholt": OLG Hamburg, VersR 1998, 627) diese Regelungen wirksam sind. Damit ist nach der Rechtsprechung des Senats (VersR 2001, 1499) nur die Empfangsvollmacht des § 43 Nr. 1 VVG abbedungen; es ist also (soweit nicht besondere Grundsätze greifen) für die Auslegung einer Erklärung nicht auf den Empfängerhorizont des Agenten und es ist für Zeitpunkt des Erklärungszugangs nicht auf den Eingang beim Agenten abzustellen. Es ist aber für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus dieser Klausel nicht ersichtlich, dass Agenten nicht dazu bestellt sein sollen, Erklärungen zur Weiterleitung an den Versicherer entgegenzunehmen. Der Versicherungsnehmer wird vielmehr trotz dieser Bestimmung annehmen, dass er Erklärungen an den Versicherer in dessen Einverständnis einem Agenten zur Weiterleitung übergeben kann. Es besteht, wie vor dem Senat erörtert, auch weder eine Anweisung der Beklagten an die Agenten, von Versicherungsnehmern übergebene Erklärungen zurückzuweisen oder den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass die Weiterleitung auf seine Gefahr erfolge, noch eine entsprechende Übung der Agenten.
(2)
Hiernach ist die Erklärung der Beklagten im Rechtssinne zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu welchem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge mit dem Eingang dort zu rechnen war. Dies war noch Anfang April 2003 und weit vor der Insolvenz des Versicherungsnehmers.
cc)
Damit ist das in den Versicherungsbedingungen vereinbarte Wirksamkeitserfordernis für Abtretungen erfüllt.
b)
Obschon somit die Kläger kraft der Sicherungsabtretung Anspruchsinhaber waren, sind die Ansprüche durch die Auszahlung an den Insolvenzverwalter erloschen.
Dieser war gemäß §166 Abs. 2 InsO zur Kündigung (vgl. OLG Düsseldorf, ZInsO 2006, 1270 unter II 2 a cc = Juris-Rn. 49 f.) und zur Einziehung der vom Gemeinschuldner/Versicherungsnehmer zur Sicherung abgetretenen Ansprüche befugt (vgl. dazu ferner BGH, VersR 2001 1292 unter II 1 b und c = Juris-Rn. 12 ff.; OLG Hamburg, Urt. v. 08.11.2007 - 9 U 123/07 -, insbesondere bei Juris-Rn. 19; OLG Hamm, 27. Zivilsenat, ZInsO 2006, 878 bei Juris-Rn. 26 f.). Den absonderungsberechtigten Klägern steht ein Auskehrungsanspruch zu, und zwar nach Abzug der Feststellungs- und Verwertungskosten des Insolvenzverwalters gemäß § 171 Abs. 1 und 2 InsO (vgl. dazu BGH, ebd.).
2.
Den Klägern steht auch kein Schadensersatzanspruch zu. Daher ist auch der in dieser Instanz hilfsweise gestellte Feststellungsantrag unbegründet.
a)
Ein Anspruch aus abgetretenem Recht des Versicherungsnehmers kommt von vornherein nicht in Betracht, da diesem ersichtlich kein Schaden entstanden ist.
b)
Aber auch ein Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht steht den Klägern nicht zu.
Allerdings spricht viel dafür, dass die Kläger - entgegen der Auffassung des Landgerichts - im vorliegenden Zusammenhang in den Schutzbereich des Versicherungsverhältnisses einbezogen waren. Meldet der Versicherungsnehmer dem Versicherer eine Abtretung, so stehen, insbesondere wenn der Versicherer besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Abtretung aufgestellt hat, ersichtlich gerade auch die Interessen des Abtretungsempfängers auf dem Spiel (vgl. zu den einzelnen Voraussetzungen für Drittschutz etwa Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 328 Rn. 16 ff.). Warn- und Schutzpflichten dürfte der Versicherer - und auch der Agent - daher auch gegenüber dem Abtretungsempfänger haben. Dabei wird der Versicherer, jedenfalls was Warnpflichten angeht, gemäß § 278 Abs. 1 BGB für das Unterlassen seines Agenten einzustehen haben.
Die Kläger haben aber, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, einen ersatzfähigen Schaden nicht dargelegt.
Sie haben nichts dazu vorgetragen, dass sie bei Weiterleitung der Abtretungsvereinbarung an die Beklagte besser stünden, als sie - nach dem oben unter 1 Gesagten -jetzt tatsächlich stehen. Es ist hiernach, wie vor dem Senat erörtert, davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter auch bei einer "unproblematischen" Abtretung der Versicherungsansprüche die Rechte aus § 166 Abs. 2 InsO geltend gemacht hätte. Auch dann wäre im Vermögen der Kläger nur der Anspruch gegen den Insolvenzverwalter auf Auskehrung der Rückkaufswerte nach Abzug der Feststellungs- und Verwertungskosten gemäß § 171 Abs. 1 und 2 InsO.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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