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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.12.1999
Aktenzeichen: 20 U 93/99
Rechtsgebiete: VHB 95, VVG, ZPO


Vorschriften:

VHB 95 § 26
VHB 95 § 28 Nr. 1 Abs. 2 der
VVG § 12 Abs. 3
ZPO § 523
ZPO § 282 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Öffentlichkeit bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 93/99 OLG Hamm 1 O 45/99 LG Arnsberg

Verkündet am 3. Dezember 1999

Lammers, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In Sachen

- Kläger und Berufungskläger

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte in Hamm

gegen

- Beklagter und Berufungsbeklagter

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte in Hamm

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann, die Richterin am Oberlandesgericht Brumberg sowie den Richter am Oberlandesgericht Meißner für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. April 1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hölle von 10.000,00 DM abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung, welche die VHB 95 zugrunde liegen.

Am 10.04.1996 kam es in der Wohnung des Klägers zu einem Leitungswasserschaden. Der 14-jährige Sohn der Bewohner der darüberliegenden Wohnung hatte eine Überschwemmung verursacht, als er die Wasserhähne aufdrehte und die Abflüsse verstopfte. Das dabei überlaufende Wasser trat zum Teil in die Wohnung des Klägers ein, indem es vornehmlich in der Küche durch die Decke tropfte. Der Kläger meldete der Beklagten den Versicherungsfall. Am 07.05.1996 kam es zu einem Regulierungsgespräch mit einem Agenten der Beklagten, welches aber ergebnislos blieb. Mit Schreiben vom 13.05.1996 unterbreitete die Beklagte dem Kläger das Angebot auf Basis einer Summe von 12.000,00 DM den Versicherungsfall vergleichsweise abzugelten. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab und verlangte unter Bezugnahme auf die Versicherungsbedingungen, die auszugsweise auf Blatt 69 - 74 d. A. wiedergegeben sind und worauf verwiesen wird, die Hinzuziehung eines unabhängigen Sachverständigen im "Beiratsverfahren". Die Beklagte beauftragte daraufhin den Tischlermeister K als Sachverständigen. Dieser führte am 03.06.1996 eine Ortsbesichtigung durch, nahm die Wohnung des Klägers sowie die von ihm als schadhaft bezeichneten Einrichtungsgegenstände in Augenschein und fotografierte diese auch. Wegen der Lichtbilder und des darauf wiedergegebenen Schadensbildes wird auf die Ablichtungen Bl. 32 bis 41 der Akten bezug genommen. Im Anschluß an den Besichtigungstermin bot der Sachverständige K dem Kläger kraft der ihm durch die Beklagte erteilten Vollmacht eine Entschädigung in Höhe von 15.000,00 DM zur Abgeltung des Wasserschadens an. Dieses Angebot lehnte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 05.05.1996 als zu niedrig ab. Der Sachverständige K legte deshalb sein Gutachten am 12.06.1996 schriftlich nieder. In diesem Gutachten, wegen dessen Einzelheiten auf die Ablichtungen Bl. 23 bis 31 verwiesen wird, gelangte er zu dem Ergebnis, daß ein Wasserschaden aufgrund des Versicherungsfalls vom 10.04.1996 nur in Höhe von 3.800,00 DM eingetreten sei. Das Wasser sei nur in die Küche des Klägers und in die Diele getropft. Die übrigen Räume seien nicht betroffen gewesen. Die im altdeutschen Stil gehaltene Wohnungseinrichtung sei im wesentlichen nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Die vom Kläger bezeichneten angeblichen Wasserschäden seien entweder natürliche Alterungserscheinungen, vom Hersteller bewußt eingebrachte und dem Stil der Einrichtung entsprechende Besonderheiten oder Materialveränderungen, die unabhängig von einem Wasserschaden aufgrund der bei der Herstellung verwandten Chemikalien eingetreten seien. Nicht auszuschließen sei lediglich, daß ein Dielenschrank im Neuwert von 350 bis 400 DM durch das Leitungswasser zum Teil aufgequollen sei. Außerdem sei in der Küche ein Schrankoberteil geringfügig, weil kaum auffallend, aber irreperabel durch Aufquellungen geschädigt. Hierfür halte er eine Minderwertentschädigung für 2.500,00 DM für angemessen. Wegen etwaiger möglicher Folgekosten erachte er eine Gesamtentschädigung von 3.800,00 DM für angemessen. Die Beklagte machte sich diese Auffassung zu eigen und kündigte mit Schreiben vom 19.06.1996 die Zahlung des Betrages von 3.800,00 DM an. Weitere Leistungen verweigerte sie, insbesondere auch die Übernahme von Anwaltskosten des Klägers. Sie habe sich nicht in Verzug befunden. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Ablichtung Blatt 86 verwiesen.

Den angekündigten Betrag von 3.800,00 DM zahlte die Beklagte.

Mit Anwaltsschreiben vom 03.02.1997, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 59 ff. der Akte verwiesen wird, nahm der Kläger die Angelegenheit wieder auf und verlangte die Zahlung weiterer 61.973,50 DM als Entschädigung. Zur Begründung seiner Forderung legte er eine Aufstellung über die erforderlichen Kosten für die Lieferung einer neuen Einbauküche nebst Elektrogeräten und Küchenutensilien, einer kompletten Schlafzimmereinrichtung, einer kompletten Wohnzimmereinrichtung aus massiver Eiche und verdorbener Lebensmittel sowie Putzhelferkosten vor. Mit Schreiben vom 07.03.1997 mahnte er die Zahlung dieses Betrages an. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 17.03.1997. Sie bekräftigte, daß sie zu einer Zahlung weiterer Entschädigungen nicht bereit sei und verwies den Kläger auf das bedingungsgemäße Sachverständigenverfahren gem. § 26 VHB 95. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Ablichtung Bl. 62 ff d. A. verwiesen.

In den folgenden Monaten führten die Parteien untereinander einen weiteren Rechtsstreit wegen eines weiteren Wasserschadens vom 07.02.1997. Das Amtsgericht hat am 18.11.1998 die Klage wegen Versäumung der Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VVG abgewiesen. Das Urteil des Amtsgerichts in jener Sache ist rechtskräftig seit dem 08.02.1999.

In der vorliegenden Sache ging die Klageschrift, mit der der Kläger Zahlung einer weiteren Entschädigung von 61.973,50 DM nebst Zinsen verlangt, am 05.02.1999 beim Landgericht ein und wurde am 24.02.1999 zugestellt. Der Einzelrichter hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, das Schreiben der Beklagten vom 19.06.1996 stelle keine abschließende schriftliche Entscheidung der Beklagten dar und sei nicht geeignet, den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 61.973,50 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.02.1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegenüber dem Landgericht seinen Anspruch bereits nicht schlüssig dargelegt. Er verlangt offensichtlich eine Entschädigung auf Neuwertbasis. Um einen derartigen Anspruch schlüssig zu begründen, genügt es nicht, den aktuellen Wiederbeschaffungswert gleichartiger Gegenstände darzulegen. Unverzichtbares Erfordernis ist es insbesondere, darzulegen, daß und in welcher Weise durch ein versichertes Ereignis eine zur Neuwertentschädigung führende Beschädigung oder Zerstörung eingetreten ist. Das wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil der Versicherungsfall insoweit zwischen den Parteien keineswegs unstreitig ist und die Beklagte durch Vorlage des schriftlichen Gutachtens des von ihr hinzugezogenen Sachverständigen, des Tischlermeisters K substantiiert dargelegt hat, daß an den Gegenständen, deren Entschädigung der Kläger verlangt, gerade keine Beschädigung eingetreten ist. An einer derartigen Darstellung fehlt es. Weder vorgerichtlich noch erstinstanzlich und auch nicht in der Berufungsbegründung hat der Kläger diese Beschädigung dargelegt. Erst mit Schriftsatz vom 24.11.1999, hat er unter unfangreichem Beweisantritt dieses Versäumnis nachgeholt. Die Beklagte hatte keine Gelegenheit, sich vor dem Senatstermin zu diesem Vorbringen zu äußern. Es war deshalb auch nicht zu klären, ob der neu vorgetragene Sachverhalt unstreitig werden würde oder ob eine Beweisaufnahme erforderlich werden würde, die indessen zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte. Der Sachvortrag aus dem Schriftsatz vom 24.11.1999 wäre deshalb gem. §§ 523, 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen gewesen. Eine Zurückweisung erübrigte sich aber deshalb, weil das Vorbringen für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Denn der Rechtsstreit ist bereits aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt entscheidungsreif. Die Forderung des Klägers ist nämlich jedenfalls verjährt.

In Übereinstimmung mit der Regelung in § 12 VVG beträgt die Verjährungsfrist gem. § 28 der zugrundeliegenden VHB 95 2 Jahre. Die Verjährung beginnt danach mit dem Schluß des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann. Der Versicherungsfall ist hier am 10.04.1996 eingetreten. Der Schadensumfang war dem Kläger schnell klar. Es fanden Regulierungsgespräche mit Vertretern der Beklagten und sogar ein Besuch eines Sachverständigen statt, weil der Kläger mit dem Angebot der Beklagten über eine Entschädigung nicht einverstanden war. Der Schadensumfang war für ihn abzusehen, jedenfalls auch in dem zuletzt vorgetragenen Umfang. Mit Folgeschäden war nicht zu rechnen. Vorbehaltlich einer weiteren Hemmung begann deshalb die Verjährungsfrist mit dem Ende des Jahres 1996.

Gem. § 28 Nr. 1 Abs. 2 der VHB 95 ist in Übereinstimmung mit der gleichlautenden Vorschrift des § 12 Abs. 2 VVG die Verjährung bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt. Diese Entscheidung ist ohne weiteres im Schreiben der Beklagten vom 19.06.1996 zu sehen. Die Beklagte bringt darin verständlich zum Ausdruck, daß sie bereit ist, 3.800,00 DM als Gesamtentschädigung zu zahlen und zu keinen weiteren Leistungen bereit ist. Eine hemmende Wirkung hinsichtlich des Laufs der Verjährungsfrist ist diesem Schreiben daher nicht beizumessen, da es dem Kläger bereits vor dem Beginn der Verjährungsfrist zugegangen ist.

Das weitere Schreiben der Beklagten vom 17.03.1997 hat keine Auswirkungen hinsichtlich des Laufs der Verjährungsfrist. Die Verjährung ist dadurch weder unterbrochen noch gehemmt worden. Zwar wird die Verjährung eines mit Zugang der Leistungsablehnung fällig gewordenen Versicherungsanspruchs gehemmt, wenn der Versicherer später zu erkennen gibt, daß er die Frage seiner Leistungspflicht wieder als offen betrachtet und daher erneut abschließend entscheiden will (Senat, Urteil vom 18.04.1980 20 U 263/79). Ein derartiger Wille ist dem Schreiben der Beklagten vom 17.03.1997 aber gerade nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat den Kläger darin lediglich pflichtgemäß auf die ihm bedingungsgemäß zustehenden Rechte hingewiesen, ist im übrigen bei ihrer ablehnenden Haltung verblieben und hat nach alledem zum Ausdruck gebracht, daß sie sich jedenfalls freiwillig einer erneuten Prüfung ihrer Leistungspflicht nicht unterziehen will.

Mit Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist am 31.12.1998 ist deshalb Verjährung eingetreten. Die erst am 05.02.1999 eingegangene Klageschrift vermochte eine Unterbrechung der Verjährung nicht mehr herbeizuführen. Die Berufung war deshalb mit den sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ergebenden Nebenfolgen zurückzuweisen.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM.



Ende der Entscheidung

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