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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.02.2001
Aktenzeichen: 20 U 97/00
Rechtsgebiete: VGB 88, ZPO
Vorschriften:
VGB 88 § 21 Nr. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
20 U 97/00 OLG Hamm 2 O 383/99 LG Dortmund
Verkündet am 23. Februar 2001
Oberdorf, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
In dem Rechtsstreit
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Knappmann und die Richter am Oberlandesgericht Rüther und Meißner
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. April 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 32.500,00 DM abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Gebäudeversicherung - vereinbart sind die VGB 88/Fassung 1.95 (Bl. 6 ff der Anlagenmappe zur Klageschrift) - auf Entschädigungsleistung für einen Leitungswasserschaden in Anspruch, der sich, ausgehend vom Bad der Dachgeschoßwohnung, am 21.12.1997 im versicherten Gebäude in H, ereignet hat.
Mit der Klage hat sie - in Abweichung von der im Sachverständigenverfahren erfolgten Schadenermittlung (vgl. Gutachten B/K vom 13.11.1998 (Bl. 17 ff der Anlagenmappe zur Klageschrift) - auf der Grundlage des von ihr eingeholten Gutachtens S vom 01.12.1998 den darin ausgewiesenen Neuwertschaden zuzüglich Abbruch- und Aufräumkosten abzüglich von der Beklagten im Mai und September 1998 geleisteter Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 65.000,00 DM geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 403.101,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 08.10.1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat mit Schreiben vom 10.02.1999 (Bl. 47 f. d.A.) Deckungsschutz abgelehnt und den Versicherungsvertrag, soweit die Leitungswasser- und Sturmversicherung betroffen ist, gekündigt. An dieser Leistungsablehnung hat sie auch im Rechtsstreit festgehalten und sich insoweit - jeweils mit näherer Begründung - auf Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung aufgrund monatelangen Leerstands des versicherten Gebäudes (§§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 VVG i.V.m. § 10 Nr. 2 und 3 lit. b VGB 88), Obliegenheitsverletzungen nach §§ 11 Nr. 1 lit. c, 20 Nr. 1 lit. c, d und e VGB 88, grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles gem. § 61 VVG sowie arglistiger Täuschung nach § 21 Nr. 1 VGB 88 berufen. Hilfsweise hat sie die Höhe der geltend gemachten Entschädigungsforderung bestritten und den Ansatz des Neuwertschadens gerügt, weil eine Sicherstellung der Wiederherstellung des Gebäudes (§ 15 Nr. 4 VGB 88) bisher nicht gegeben sei.
Das Landgericht hat die Zeugen D H und S uneidlich vernommen sowie die Klägerin nach § 141 ZPO angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.03.2000 (Bl. 113 ff d.A.) Bezug genommen.
Durch Urteil vom 13.04.2000, auf das ebenfalls verwiesen wird (Bl. 137 ff d.A.), hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei nach § 11 Nr. 1 lit. c VGB 88 i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 VVG leistungsfrei geworden. Die Klägerin habe grob fahrlässig die Obliegenheit verletzt, alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen nicht genutzter Gebäude abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Das versicherte Objekt sei spätestens ab 05.12.1997 nicht genutzt worden.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, reduziert ihren Zahlungsantrag allerdings nunmehr auf den im Sachverständigenverfahren ermittelten Zeitwertschaden von 213.807,00 DM abzüglich der Abschlagszahlungen von 65.000,00 DM. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzlches Vorbringen und greift mit näherer Begründung die vom Landgericht angenommene Gefahrerhöhung durch Nichtnutzung des versicherten Gebäudes an.
Sie beantragt,
abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 148.807,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.12.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, indem auch sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzt. Hilfsweise beruft sie sich nunmehr auch auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung nach § 11 Nr. 1 lit. d VGB 88. Dazu behauptet sie, die Heizungsanlage im versicherten Gebäude sei spätestens seit dem 05.12.1997 außer Betrieb gewesen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen B, K, D und S. Außerdem wurde die Klägerin nach § 141 ZPO gehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 24.01.2001 (Bl. 264 ff d.A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag (Bl. 249 R d.A.) Bezug genommen.
Die Beiakten 6 Js 26/98 StA Dortmund und 2 OH 24/98 LG Dortmund lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte ist ihr nicht gem. §§ 1, 49 VVG; 4 Nr. 1 lit. b, 6 VGB 88 zur Regulierung des Leitungswasserschadens vom 21.12.1997 verpflichtet. Leistungsfreiheit des Versicherers ist jedenfalls wegen versuchter arglistiger Täuschung nach § 21 Nr. 1 VGB 88 eingetreten.
Auf entsprechendes Auskunftsverlangen der Beklagten vom 26.01.1999 (Bl. 43 f., 45 f. d.A.) hat die Klägerin mit Anwaltschreiben vom 03.02.1999 (Bl. 41 f. d.A.) geantwortet.
Dieses Antwortschreiben war in mindestens zwei Punkten objektiv unrichtig.
Zur Frage 2. wurde angegeben, die Heizungsanlage im versicherten Objekt sei sowohl im Zeitpunkt der auf den 05.12.1997 datierten Übergabe des Gebäudes vom Mieter an die Klägerin als auch im späteren Zeitraum funktionsbereit gewesen. Dies war zumindest insoweit falsch, als es den Zeitpunkt der Übergabe (05.12.1997) betrifft.
Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, daß bei der Begehung des Gebäudes am 05.12.1997, an der neben der Klägerin die Zeugen B und D teilgenommen haben, die Heizung nicht lief, sondern eine Betriebsstörung anzeigte. Die Zeugen B und die seinerzeit den Begehungstermin in ihrer Eigenschaft als Anwältin des Fördervereins des Waldorf-Kindergartens (Mieter des versicherten Gebäudes) bzw. als Vertreter der Stadt Hamm (Verkäuferin des Grundstücks) wahrgenommen hatten, haben übereinstimmend bekundet: Man sei auch im Heizungskeller gewesen, um nach der Heizungsanlage zu sehen. Diese sei nicht in Betrieb gewesen; der rote Störknopf habe aufgeleuchtet. Mehrfache Versuche des Zeugen D, durch Druck auf den Störknopf die Heizung zu starten, seien vergeblich gewesen. Daraufhin sei man gemeinsam in den Tankkeller gegangen. Der Zeuge D habe an den Tank geklopft und den Peilstab herausgezogen, an dem kaum Öl gewesen sei. Er habe geäußert, wahrscheinlich sei kein Öl mehr im Tank; überdies sitze wohl Ölschlamm im Brenner, was die Heizung defekt mache.
Der Senat hat keinen Anlaß gesehen, die Richtigkeit dieser Bekundungen in Zweifel zu ziehen zumal sich wie der Zeuge K (anwaltlicher Vertreter der Beklagten) bekundet hat der Zeuge D sich auch ihm gegenüber bei einem Telefonat im Februar 1999 gleichermaßen geäußert hat. Die bei der erstinstanzlichen Vernehmung des Zeugen D aufgetretenen Irritationen, die der Zeuge mit seinerzeitiger Unkenntnis über das Beweisthema und eine darauf zurückzuführende mangelnde Vorbereitung auf die Vernehmung zurückgeführt hat, sind im Rahmen seiner vom Senat wiederholten Befragung ausgeräumt worden.
Nach alledem ist die Sachdarstellung der Klägerin, die zwar einräumt, an der Begehung vom 05.12.1997 teilgenommen zu haben, aber einen Ausfall der Heizung zu diesem Zeitpunkt bestreitet, widerlegt. Die Bekundung des Zeugen S ist. insoweit unergiebig, weil er ausgesagt hat, am 05.12.1997 und im Zeitraum davor nicht im versicherten Gebäude gewesen zu sein.
Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich auf diese Falschangabe zu berufen. Zwar war Anlaß für ihr Auskunftsverlangen vom 26.01.1999 ein zuvor von der Zeugin B (erstmals) am 13. oder 14.01.1999 telefonisch erhaltener Hinweis auf die Begehung vom 05.12.1997 und den dabei festgestellten Heizungsausfall. Damit war aber ein Aufklärungsbedürfnis auf seiten der Beklagten, das sie zur klärenden Anfrage bei der Klägerin berechtigte, noch nicht entfallen. Es war ohne weiteres sachgerecht, die Klägerin, die an der Hausbegehung selbst teilgenommen hatte, zum Heizungsbetrieb zu befragen.
Die Beklagte war auch nicht gehalten, nach Erhalt des Antwortschreibens vom 03.02.1999 der Klägerin die gegenteilige Auskunft der Zeugin B vorzuhalten, bevor sie sich insoweit auf Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung berufen konnte. Der Senat hat zwar durch Urteil vom 18.02.2000 (NVersZ 2000, 525) entschieden, der Versicherer müsse beim VN klärend nachfragen, wenn dessen Angaben im Schadenanzeigeformular (oder einem anderen der Schadenregulierung dienenden Fragebogen) widersprüchlich, sonstwie unklar oder erkennbar unrichtig sind; andernfalls könne er sich nach Treu und Glauben nicht auf Leistungsfreiheit wegen Aufklärungsobliegenheitsverletzung berufen. Eine derartige Nachfrageobliegenheit des Versicherers kommt jedoch nur in Fällen in Betracht, in denen - im Urteil vom 18.02.2000 ging es um die Laufleistung eines entwendeten Fahrzeugs - ein Irrtum oder Mißverständnis des VN nicht fernliegt, jedenfalls aber möglich ist. Dann - und nur dann - hat der Senat den Versicherer nach Treu und Glauben als verpflichtet angesehen, auf seine anderweitige Kenntnis hinzuweisen, um so den VN zu einer Überprüfung und Korrektur seiner Falschangaben zu veranlassen. Im Streitfall konnte von einem Irrtum oder Mißverständnis auf seiten der Klägerin keine Rede sein, weil sie selbst bei der Begehung vom 05.12.1997 beteiligt war. Abgesehen davon ist ein Schutzbedürfnis des VN dann nicht gegeben, wenn - wie hier - seine Falschangaben nachweislich auf Arglist beruhen (vgl. unten zu 2.).
b)
Ebenfalls objektiv unrichtig ist die Beantwortung der Frage zu 5 des Auskunftsverlangens der Beklagten vom 26.01.1999 jedenfalls insoweit, als im Antwortschreiben der Klägerin dazu ausgeführt worden ist: "Die Heizungsanlage ist mehrfach wöchentlich von der Mandantin und der Firma H inspiziert worden. Die Firma H war beauftragt, im Rahmen der anstehenden Renovierungsarbeiten die notwendigen Arbeiten durchzuführen und hat sich daher mehrfach wöchentlich in dem Objekt befunden."
Diese von der Klägerin auch noch in der Klageschrift (Bl. 5 f. d.A.) wiederholte Angabe ist falsch. Im Laufe des Rechtsstreits ist unstreitig geworden, daß die auf die Heizungsanlage bezogene Auftragserteilung an die Firma H erst unmittelbar nach den Weihnachtsfeiertagen 1997 - und damit nach Eintritt des Versicherungsfalls - erfolgt ist. Dementsprechend war Arbeitsbeginn auch erst im Januar 1998. Der Zeuge H hat vor dem Landgericht bekundet, er habe das versicherte Gebäude erstmals nach dem Versicherungsfall betreten.
2.
Die Falschangaben der Klägerin waren arglistig i.S.d. § 21 Nr. 1 VGB 88. Der Senat ist davon überzeugt, daß sie wissentlich in dem Bewußtsein erfolgt sind, daß dadurch die Beklagte bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflußt werden könne (vgl. BGH VersR 1987, 149 zu § 16 Nr. 2 VHB 74).
Eine Erklärung ihrer unrichtigen Angaben in einer Weise, die Arglist entfallen ließe, hat die Klägerin nicht gegeben. Zur Falschangabe bzgl. der Tätigkeit der Firma H vor dem Versicherungsfall hat sie sich überhaupt nicht geäußert. Ihre Behauptung, bzgl. des Heizungsbetriebs am 05.12.1997 keine Falschangaben gemacht zu haben, ist widerlegt.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände kommt ein anderes Motiv als Arglist im o.g. Sinne für den Senat vernünftigerweise nicht in Betracht. Aufgrund der Tatsache, daß die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26.01.1999 insgesamt fünf Fragen zum Betrieb der Heizung vor dem Versicherungsfall gestellt hatte, mußte der Klägerin klar sein - und war es zur Überzeugung des Senats auch -, daß der Versicherer dieser Problematik im Rahmen der Schadenregulierung große Bedeutung beimaß. Das war auch naheliegend, weil der Versicherungsfall sich im zeitlichen Zusammenhang mit Frosttagen im Dezember 1997 ereignet hatte. Wenn daraufhin die Klägerin - bewußt wahrheitswidrig das Funktionieren der Heizung am 05.12.1997 behauptete und überdies die Gas-Installationsfirma H gleichsam als "Kronzeugen" für den durchgängigen Heizungsbetrieb in der Folgezeit bis zum Eintritt des Versicherungsfalls bezeichnete, kann dies nur damit erklärt werden, daß sie dadurch etwaige Bedenken der Beklagten im Interesse einer reibungslosen Schadenregulierung ausräumen wollte.
Ob - wie der Zeuge S behauptet hat - die Heizung im Zeitraum nach dem 05.12.1997 während des Leerstandes des Hauses wieder in Betrieb war, ist insoweit unerheblich. Abgesehen davon spricht für die Richtigkeit der Bekundung des Sohns der Klägerin nichts. Es ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich, auf welche Weise die am 05.12.1997 nachweislich betriebsgestörte Heizung in der Zeit bis 21.12.1997 wieder in Gang gesetzt worden sein sollte. Ohne Eingriff von außen ist das technisch unmöglich. Die Firma H oder eine andere Installationsfirma ist unstreitig nicht tätig geworden. Sollte Heizölmangel der Grund für den Betriebsausfall gewesen sein, ist - ebenfalls unstreitig - Öl in diesem Zeitraum nicht nachgefüllt worden.
3.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf die weiteren Einwände der Beklagten nicht mehr entscheidend an.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 148.807,00 DM.
Ende der Entscheidung
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