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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.11.1999
Aktenzeichen: 20 W 17/99
Rechtsgebiete: VVG, ZPO
Vorschriften:
VVG § 61 | |
ZPO § 127 Abs. 4 |
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
20 W 17/99 OLG Hamm 15 O 159/99 LG Münster
in Sachen
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Beschwerde des Antragstellers vom 26. Juli 1999 gegen den Beschluß der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 9. Juli 1999 am 2. November 1999
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.
Dem Antragsteller wird Prozeßkostenhilfe bewilligt.
Ihm wird RA Dr. als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet.
Die Anordnung von Ratenzahlungen bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Klage, mit der er die Antragsgegnerin aus dem Kaskoversicherungsvertrag wegen Diebstahls seines PKW vom Typ Fiat Barchetta in der Zeit vom 14.6.1998 21.00 Uhr bis zum 15.6.1998 7.30 Uhr auf dem Betriebsgelände des Autohauses H in W auf Entschädigung in Anspruch nehmen will.
Die Antragsgegnerin hat die Schadensregulierung abgelehnt. Sie hat dem Antragsteller vorgeworfen, er habe den Diebstahl seines Fahrzeugs grob fahrlässig ermöglicht, weil er den Fahrzeugschlüssel durch den Briefkastenschlitz im unteren Bereich der Glastür des Betriebsgebäudes der Fa. H geworfen habe. Durch dieses Verhalten sei "die gesamte Sicherungseinrichtung" seines Fahrzeugs unwirksam geworden, denn durch die Glastür sei der Fahrzeugschlüssel ohne weiteres zu erkennen gewesen, so daß Unbefugte die Möglichkeit gehabt hätten, ohne große Anstrengung mit den Fingern oder mit einem Drahthaken oder ähnlichem in den Besitz des Schlüssels gelangen.
Das Landgericht hat ebenfalls gemeint, die Antragsgegnerin sei nach § 61 VVG leistungsfrei und hat den Antrag auf Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht der Klage zurückgewiesen.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde Antragstellers ist zulässig und begründet. Der beabsichtigten Klage kann nicht von vorneherein die hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen werden.
Der Antragsteller hat den Eintritt des Versicherungsfalles - Diebstahl seines PKW - schlüssig dargestellt und das äußere Bild einer Entwendung unter Beweis gestellt.
Die Antragsgegnerin ist nicht gem. § 61 VVG leistungsfrei geworden, denn nach dem bislang aus den Arten ersichtlichen Sachverhalt kann dem Antragsteller nicht vorgeworfen werden, er habe den Diebstahl seines PKW durch grob fahrlässiges Verhalten ermöglicht.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das außer acht läßt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (vgl. u. a. Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 6 Rn 117; Römer/Langheid, VVG, 61 Rn 29). Grobe Fahrlässigkeit setzt für die Anwendung von § 61 VVG ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wußte oder wissen mußte, daß es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls zu fördern, wobei grob fahrlässige Unkenntnis dem gleich steht. Die Schadenswahrscheinlichkeit muß offenkundig so groß sein, daß es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Das Verhalten des Versicherten muß dazu subjektiv unentschuldbar gewesen (vgl. Prölss/Martin aaO § 61 Rn 11; Römer/Langheid a.a.O.). Ein in diesem hohen Maße unentschuldbares Fehlverhalten kann dem Antragsteller hier nicht vorgeworfen werden.
Als er am Vorabend des vereinbarten Inspektionstermins sein Fahrzeug den Fahrzeugschlüssel in den Briefkastenschlitz der Glastür des Betriebsgebäudes des Autohauses geworfen hat, mag er nicht bedacht haben, daß der Schlüssel von außen sichtbar war. Daß er dadurch aber die Entwendung seines Fahrzeugs erleichterte, war nicht so offenkundig, daß er zwingend eine andere Art der Schlüsselüberlassung an das Autohaus hätte in Betracht ziehen müssen. Es mußte sich ihm nicht aufdrängen, daß Unbefugte in den Besitz seines Schlüssels gelangen konnten berücksichtigen ist nämlich auch, daß der Antragsteller geltend macht, er habe zuvor mit dem Sohn des Inhabers des Autohauses abgesprochen, daß er den Schlüssel in den Briefkastenschlitz der Glastür einwirft. Diese Verfahrensweise war auch übliche Geschäftspraxis beim Autohaus H wenn Kunden ihr Fahrzeug zur Inspektion bringen. Wenn der Antragsteller sich aber so verhalten hat, wie es im Kundenkreis der Fa. H allgemein üblich ist und diese Praxis zuvor nicht zur Entwendung von Fahrzeugen geführt hat, ist das Verhalten des Antragstellers nicht schlechthin unentschuldbar.
Dem Antragsteller ist deshalb für die beabsichtigte Klage Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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