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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.04.2000
Aktenzeichen: 20 W 25/99
Rechtsgebiete: MB/KT 94


Vorschriften:

MB/KT 94 § 4
MB/KT 94 § 15 a
Leitsatz

1) Gibt ein Versicherungsnehmer während seiner Arbeitsunfähigkeit eine selbständige Erwerbstätigkeit auf, hat der Versicherer Tatsachen vorzutragen (und zu beweisen), aus denen folgt, daß der Versicherungsnehmer auch nach seiner Gesundung nicht wieder selbständig tätig sein wird.

2) Eine Einkommensminderung führt nicht automatisch zur Anpassung des Krankengeldes.

Beschluß des 20. Zivilsenates des OLG Hamm vom 28.4.2000 (20 W 25/99)


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

20 W 25/99 OLG Hamm 1 O 275/99 LG Detmold

In Sachen

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. April 2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers vom 14. September 1999 wird der Beschluß der Zivilkammer I des Landgerichts Detmold vom 18. August 1999 abgeändert.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt K in D beigeordnet.

Gründe:

Die Klage bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

1.

Unstreitig ist der Kläger seit dem 23.11.1997 wegen endogener Depressionen arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat ihm deshalb bedingungsgemäße Krankentagegeldleistungen ab 04.01.1998 nach dem Tarif KT 42 (100,00 DM täglich ab 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit) und ab 22.02.1998 nach dem Tarif KT 91 (200,00 DM täglich ab 92. Tag der Arbeitsunfähigkeit) gezahlt.

Ihre Leistungseinstellung zum 31.05.1998 gemäß Schreiben vom 18.05.1998 (Bl. 8 f. d.A.) ist nach bisheriger Aktenlage unbegründet. Sie war gestützt auf § 15 a der vereinbarten MB/KT 94 (Bl. 20 ff d.A.): Der zwischen den Parteien vereinbarte Tarif sieht vor, daß versicherungsfähig nur Personen sind, die ihren Beruf als Selbständige ausüben und einkommenssteuerpflichtig sind (vgl. Vorbemerkung zu den Tarifen der Beklagten - Bl. 25 R d.A.).

Eine derartige Versicherungsunfähigkeit des Klägers ist derzeit nicht feststellbar.

Das Landgericht hat eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses nach § 15 a MB/KT 94 zum 30.03.1998 angenommen. Es hat dabei allein auf die vom Kläger seit 01.05.1997 ausgeübte berufliche Tätigkeit als freier Handelsvertreter für die Firma S GmbH in L abgestellt; für diese Firma habe der Kläger seit Oktober 1997 keine Aktivitäten mehr entfaltet. Ob diese Auffassung zutreffend ist - unstreitig ist das Handelsvertreterverhältnis erst am 01.04.1998 von der Firma GmbH gekündigt worden - bedarf im jetzigen Verfahrensstadium keiner Entscheidung.

Im Beschwerdeverfahren hat der Kläger nämlich ergänzend vorgetragen, er sei zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit (23.11.1997) noch in seiner Firma, für die der Konkurs erst am 23.12.1997 eröffnet worden ist, tätig gewesen. Sollte das zutreffen - bisher hat die Beklagte nicht widersprochen - ist der Versicherungsfall zu einem Zeitpunkt eingetreten, als der Kläger noch eine selbständige berufliche Tätigkeit ausübte. Für diesen Fall besagt die Rechtsprechung des BGH (VersR 1997, 1133, 1976, 433), der der Senat folgt (vgl. zuletzt VersR 1997, 862): Aus der Tatsache, daß der VN nach Eintritt, aber vor Beendigung des Versicherungsfalles aus irgendwelchen wirtschaftlichen Erwägungen eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufgibt, folgt noch nicht, daß er deswegen bedingungsgemäß aufgehört hat, selbständig tätig zu sein. Vielmehr muß - wenn nicht besondere Umstände auf das Gegenteil hindeuten - davon ausgegangen werden, daß der VN ohne seine Erkrankung alsbald wieder auf andere Weise eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte und daß er daran nur durch seine Krankheit gehindert worden ist. Es ist Sache des Versicherers, konkrete Tatsachen vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, daß der VN nicht mehr gewillt war, nach Wiederherstellung seiner Gesundheit eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, oder daß ihm dies nicht möglich gewesen wäre.

Der Kläger trägt vor, er wolle nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit wieder 0selbständig tätig sein; er sei dazu aufgrund der durch den Konkurs weggefallenen Altersversorgung sogar wirtschaftlich gezwungen. Sein Alter (geb. am 24.12.1935) steht dem weder subjektiv noch objektiv zwingend entgegen, zumal es ihm im Alter von 61 Jahren noch gelungen ist, als freier Handelsvertreter für die Firma S GmbH tätig zu sein.

2. Die Beklagte kann sich derzeit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß zum Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit des Klägers sein Nettoeinkommen nicht mehr - wie im Versicherungsvertrag vorausgesetzt - 9.000,00 DM monatlich betrug. Abgesehen davon, daß dies für die Tätigkeit des Klägers in seinem Betrieb bisher nicht feststellbar ist, würde eine Einkommensminderung ohnehin nicht automatisch zu einer Anpassung des Krankentagegeldsatzes führen (vgl. BGH VersR 1974, 184; 1976, 431; Senat VersR 1972, 968 - jeweils zu älteren Bedingungswerken, die aber hinsichtlich der hier angesprochenen Problematik vergleichbar sind). Es ist vielmehr Sache des Versicherers, ggf. nach § 4 Abs. 4 MB/KT 94 eine Herabsetzung des Krankentagegeldsatzes entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen vorzunehmen. Das ist im Streitfall bisher nicht geschehen, jedenfalls nicht vorgetragen.

3. Ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt der Kläger die Mitteilungsobliegenheit nach § 4 Abs. 3 MB/KT 94 verletzt hat, kann offenbleiben, weil für den Fall eines Obliegenheitsverstoßes bedingungsgemäß eine Sanktion nicht vereinbart ist.

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