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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: 21 U 134/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 1031 Abs. 5
Auf die Unwirksamkeit einer Schiedsabrede, die entgegen § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO nicht in einer gesonderten Urkunde enthalten ist, kann sich auch derjenige Vertragteil berufen, der nicht Verbraucher, sondern Unternehmer ist.

Der Verstoß gegen die Verbraucherschutzvorschrift des § 1031 Abs. 5 S. 3 ZPO führt auch dann zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, wenn das Vertragsformular, in dem sie enthalten ist, von der Verbraucherseite stammt und nicht von dem anderen Vertragsteil.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 30.9.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Essen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 170.349,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 152.367,43 € seit dem 6.4.2002 und aus dem vollen Betrag seit dem 12.2.2005 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Die Klägerin macht Restwerklohn aus der Errichtung des Rohbaus für einen Mehrfamilienhauskomplex in F im Jahre 2001 geltend.

Zugrunde lag ein von dem Architekten der Beklagten - dem Streithelfer - erstelltes Leistungsverzeichnis mit Verweisung auf die VOB/B ("DIN 1961"), das von der Klägerin zunächst handschriftlich mit Angebotspreisen versehen wurde. Über das Angebot wurde am 7.2.2001 verhandelt und ein vom Streithelfer und der Klägerin unterzeichnetes Verhandlungsprotokoll gefertigt. Anschließend übersandte der Streithelfer der Klägerin den "Vorabzug" eines Formularvertrages mit Datum 19.3.2001, der u. a. eine Schiedsvereinbarung enthielt und dem das Leistungsverzeichnis, nunmehr mit maschinenschriftlich eingesetzten niedrigeren Einheitspreisen, als Anlage beigefügt war. Zur Unterzeichnung dieses Formulars kam es nicht; gleichwohl wurden die Bauarbeiten ausgeführt, abgenommen und mit Schlußrechnung vom 5.2.2002 abgerechnet. Diese wurde von den Beklagten nicht beglichen.

Die Beklagten erheben zunächst die Einrede des Schiedsvertrages. In der Sache geht der Streit um die Richtigkeit der abgerechneten Massen, die Berücksichtigung von Skonto, Schadensersatz für verzögerte Bauausführung und vor allem Mängelrügen in erheblichem Umfang, wegen derer sich die Beklagten auf Leistungsverweigerungsrechte berufen.

Das Landgericht hat mehrere Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. U eingeholt. Anschließend hat es der auf 178.201,55 € nebst Zinsen gerichteten Klage in Höhe von 107.117,67 € nebst anteiliger Zinsen unbedingt stattgegeben und in Höhe weiterer 66.338,55 € Zug um Zug gegen verschiedene Mängelbeseitigungsarbeiten. Dabei hat es eine formwirksame Schiedsvereinbarung verneint und auch in den sachlichen Streitpunkten überwiegend der Klägerin Recht gegeben. Insbesondere die gewichtigste Mängelrüge der Beklagten, die angeblich fehlende Schallentkopplung in den Treppenhäusern, hat das Landgericht für unberechtigt erklärt. Es handele sich allenfalls um einen Planungsfehler, auf den die Klägerin als Rohbauunternehmen nicht habe hinweisen müssen, weil die Schallentkopplung auch durch ein Nachfolgegewerk, nämlich den Bodenbelag, zu erreichen gewesen wäre. Die Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten des Sachverständigen U seien in diesem Punkt auch verspätet gewesen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Erwägungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Klägerin wendet sich gegen einen Teil der vom Landgericht bejahten Mängel; bezüglich der übrigen Mängel behauptet sie, diese inzwischen überwiegend beseitigt zu haben.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 173.020,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 170.152,53 € seit dem 18.2.2002 und aus dem vollen Betrag seit dem 12.2.2005 zu zahlen.

Die Beklagten und ihr Streithelfer beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten halten die landgerichtliche Entscheidung teilweise für verfahrensfehlerhaft. Sie verfolgen die Einrede der Schiedsvereinbarung, die Einwände gegen die Schlußrechnungshöhe und die behaupteten Schadensersatzpositionen und Mängel, soweit das Landgericht sie verneint hat, weiter.

Insoweit beantragen sie und ihr Streithelfer,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise unter Abänderung des Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. U, Dipl.-Ing. X und Prof. Dipl.-Ing. Q. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 3.3.2006 sowie das Sitzungsprotokoll vom 28.3.2006 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache bis auf einen geringfügigen Teil der Hauptforderung und des Zinsanspruchs Erfolg. Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache erfolglos; dem Landgericht sind auch keine Verfahrensfehler zu ihrem Nachteil unterlaufen, die zu einer Zurückverweisung Anlaß geben könnten.

I.

Die Klage ist vor den staatlichen Gerichten zulässig.

Das Landgericht hat die Schiedsvereinbarung zu Recht als unwirksam betrachtet. Auf die fehlende Unterzeichnung des Formularvertrages und die in diesem Zusammenhang streitigen Umstände kommt es dabei allerdings nicht an. Die Schiedsvereinbarung wäre nämlich jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie nicht gemäß § 1031 Abs. 5 ZPO in einer gesonderten Urkunde enthalten ist.

§ 1031 Abs. 5 ZPO ist anwendbar, weil die Beklagten entgegen ihrer Auffassung Verbraucher sind. Die Verwaltung eigenen Vermögens durch Anlage in Mietshäusern ist keine gewerbliche Tätigkeit (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Rn. 3 zu § 13, Rn. 2 zu § 14 m. w. N.; BGH NJW 2002, 368). Auch der Zusammenschluß in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ändert an der Verbrauchereigenschaft nichts (vgl. BGH a. a. O).

Der Verstoß gegen § 1031 Abs. 5 ZPO ist von Amts wegen auch zugunsten der Klägerin zu beachten. Zwar dient die Vorschrift dem Schutz der Verbraucher, hier also der Beklagten, davor, daß ihnen inmitten einer Vielzahl von Klauseln eine Schiedsabrede "untergeschoben" wird (Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., Rn. 35 zu § 1031); diese Gefahr bestand im vorliegenden Fall nicht, weil das Vertragsformular von der Verbraucherseite selbst stammte und nicht von der Klägerin als Unternehmerin. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 1962, 868) kann sich jedoch auch der Unternehmer auf die Unwirksamkeit einer Schiedsabrede berufen, die sich aus einer Verbraucherschutzvorschrift ergibt, weil die Beachtung der Zuständigkeitsgrenzen der staatlichen Gerichte auch im öffentlichen Interesse liegt.

II.

Der Klägerin steht der ausgeurteilte Restwerklohnanspruch gemäß § 631 BGB fällig und einredefrei zu.

Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag unter inhaltlicher Einbeziehung des Formularvertrages vom 19.3.2001 nebst anliegendem Leistungsverzeichnis sowie der VOB/B zustandegekommen. Daß der Formularvertrag nicht unterzeichnet worden ist und das vorangegangene Verhandlungsprotokoll vom 7.2.2001 nach seinem ausdrücklichen Wortlaut noch nicht als "Auftrag" gelten sollte, steht dem nicht entgegen. Die Parteien haben nämlich die Absicht des schriftlichen Vertragsschlusses stillschweigend wieder fallengelassen, indem sie das Bauvorhaben in dem Bewußtsein der fehlenden Unterzeichnung - auch wenn die Beklagten an die Unterzeichnung durch die Klägerin geglaubt haben sollten, fehlten jedenfalls auch ihre eigenen Unterschriften - tatsächlich durchführten. Während dieser tatsächlichen Durchführung hat keine der Parteien ihren Widerspruch gegen den Vertragstext, der zuvor Gegenstand der Verhandlungen gewesen war, zum Ausdruck gebracht. Die Klägerin hat zwar behauptet, sie habe nach Erhalt des schriftlichen Entwurfs den Versuch gemacht, einen Besprechungstermin wegen des Vertragstextes zu vereinbaren. Sie hat aber letztlich auch ohne eine solche Besprechung die Arbeiten aufgenommen.

Die Abnahme des Bauvorhabens ist am 8.1.2002 erfolgt. Die Schlußrechnung ist erteilt worden. Einwendungen gegen ihre Prüfbarkeit sind von den Beklagten nicht innerhalb von zwei Monaten erhoben worden.

1.

Der Höhe nach ist von einer zutreffenden Schlußrechnungssumme von 1.526.729,06 € auszugehen.

Entgegen dem Landgericht konnte die geltend gemachte Rechnungshöhe von 1.529.413,44 DM schon in erster Instanz nicht als unstreitig angesehen werden. Vielmehr hatten die Beklagten mit Schriftsatz vom 13.8.2004 zahlenmäßige Kürzungen um 4.630,09 DM (netto) vorgenommen und ferner die Berechtigung der Positionen Betonstahl sowie Schal- und Stellbretter angegriffen. Über die zahlenmäßigen Kürzungen ist während des zweitinstanzlichen Verfahrens eine Einigung auf einen Kürzungsbetrag von 1.292,98 € (brutto) erzielt worden. Ferner ist der Sachverständige X bei einer Überprüfung der Stahlmengen zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin weitere 79,52 € zu viel berechnet hat. Hingegen hat er die Richtigkeit der Positionen Schal- und Stellbretter zur Überzeugung des Senats bestätigt. In Abzug zu bringen waren daher insgesamt 1.292,98 € + 79,52 € = 1.372,50 € = 2.684,38 DM.

2.

Ebenfalls gerechtfertigt ist die Zusatzrechnung der Klägerin über 568,40 DM für die Aufstellung eines Bauzaunes. Dieser Bauzaun ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit der Baustelleneinrichtung, die im Hauptauftrag enthalten war, abgegolten. Dem Vortrag der Klägerin, die Baustelle sei bereits geräumt gewesen und erst anschließend habe der Streithelfer die erneute Aufstellung eines Bauzaunes zum Schutz eines angrenzenden Kindergartens angeordnet, sind die Beklagten nämlich nicht entgegengetreten. Der Streithelfer war nach dem Vertragsinhalt zu einer solchen Anordnung auch bevollmächtigt (Ziff. 2 der Allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis).

Die Forderung erhöht sich dadurch auf 1.527.297,46 DM.

3.

Zusätzlich kann die Klägerin die Nachzahlung eines 2,5-prozentigen Skontos auf den überwiegenden Teil der Schlußrechnungsforderung verlangen, der nach dem inhaltlich maßgebenden Formularvertrag vom 19.3.2001 in den Preisen des Leistungsverzeichnisses bereits enthalten war.

An dieser ausdrücklichen Formulierung müssen sich die Beklagten festhalten lassen und können sich nicht darauf berufen, zwischen den ursprünglichen, handschriftlich angebotenen Preisen und den Vertragsinhalt gewordenen Preisen bestehe in Wirklichkeit kein Unterschied von 2,5 % (+ weiterer 4 %, die als "Nachlaß" ebenfalls schon in den Preisen enthalten sein sollten). Im Zuge der Verhandlungen über den Bauauftrag können nämlich "Nachkalkulationen" und Rechenoperationen unterschiedlichster Art angestellt worden sein, die letztlich zu den Vertragspreisen geführt haben, als solche aber später kaum mehr nachvollzogen werden können. Mit der Festschreibung der Preise und der Festlegung, daß in diesen Preisen u. a. 2,5 % Skonto bereits enthalten sein sollen, sollte die Verhandlungs- und Preisfindungsphase endgültig und eindeutig abgeschlossen werden. Nur die festgeschriebenen Preise, die ausweislich des Schriftbildes übrigens durch das Büro des Streithelfers, also die Beklagtenseite, eingesetzt worden sind, sind Vertragsbestandteil geworden. Ein Rückgriff auf die ursprünglichen Angebotspreise und einen eventuellen Kalkulationsirrtum kann damit nicht erfolgen.

Die vereinbarte Skontofrist von 10 Tagen ist, abgesehen von den beiden Teilrechnungen über 96.600,00 DM und 127.960,20 DM (vgl. Aufstellung auf S. 24 des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.2.2005), nicht eingehalten worden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Fristbemessung in "Tagen" nämlich sprachlich eindeutig und konnte nicht im Sinne von "Werktagen" verstanden werden. Eine solche Auslegung wird in Kommentarliteratur und Rechtsprechung nirgends vertreten und ist auch sachlich nicht zu rechtfertigen, weil der Schuldner vor der Notwendigkeit, an einem Wochenende oder Feiertag zahlen zu müssen, durch § 193 BGB völlig ausreichend geschützt ist.

Nach allem ist einem Teilbetrag von 1.527.297,46 DM - 96.600,00 DM - 127.960,20 DM = 1.302.737,26 DM das verfallene Skonto auf die Weise hinzuzurechnen, daß der Betrag durch 0,975 dividiert wird. Es ergeben sich 1.336.140,78 DM und folglich, wenn man die fristgerechten Teilzahlungen von 96.600,00 DM und 127.960,20 DM wieder hinzurechnet, ein insgesamt zu zahlender Betrag von 1.560.700,98 DM.

Nach Abzug der insgesamt erbrachten Teilzahlungen von 1.220.680,20 DM verbleiben 340.020,78 DM oder 173.849,86 €.

4.

Einen 5-prozentigen Gewährleistungseinbehalt hat das Landgericht den Beklagten zu Recht versagt. Die Regelung des Gewährleistungseinbehalts in Abschnitt IV des Formularvertrages ist unwirksam.

Bei dem Formularvertrag handelt es sich um von den Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nach seinem äußeren Erscheinungsbild ist er von dem Streithelfer der Beklagten zur mehrfachen Verwendung vorformuliert worden; daß speziell die Beklagten dieses Vertragsmuster ihrerseits möglicherweise nur einmal verwenden wollten, hindert die AGB-Eigenschaft nicht (vgl. Palandt/Heinrichs Rn. 9 zu § 305; BGH NJW 1991, 843). Daß der Vertrag nicht unterzeichnet, also nicht in Schriftform abgeschlossen worden ist, ist ebenfalls unerheblich, weil, wie oben ausgeführt, von einer vollinhaltlichen stillschweigenden Einigung auf den Vertragstext auszugehen ist und es für die Qualifikation als Allgemeine Geschäftsbedingungen auch ausreicht, wenn diese "im Kopf vorformuliert" sind. Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, daß die Bedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG individuell ausgehandelt worden sind. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist zu pauschal, um ihm nachgehen zu können. Insbesondere daß sie bereit gewesen wären, den fraglichen Sicherheitseinbehalt zur Disposition zu stellen, geht aus ihm nicht hervor.

In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann ein Sicherheitseinbehalt, der nur durch eine Bürgschaft "auf erstes Anfordern" ablösbar sein soll, nicht wirksam vereinbart werden (BGH BauR 2002, 1392; BauR 1997, 829). Um eine derartige Klausel handelt es sich hier. Zwar sieht sie eine Gewährleistungsbürgschaft "auf erstes Anfordern" nur für die Dauer von 2 Jahren vor, während der Gewährleistungseinbehalt als solcher für 5 Jahre erfolgen können sollte. Das konnte aber jedenfalls nach der Unklarheitenregel (§ 5 AGBG) nicht so verstanden werden, daß dem Auftragnehmer nach Ablauf der ersten 2 Jahre wieder die anderweitigen Ablösungsmöglichkeiten des § 17 VOB/B offenstehen sollten. Die Regelung über den Gewährleistungseinbehalt ist daher insgesamt unwirksam.

5.

Eine aufrechenbare Gegenforderung auf Schadensersatz wegen verzögerter Fertigstellung und dadurch bedingten Mietentganges steht den Beklagten nicht zu.

Ein kalendermäßig bestimmter Fertigstellungstermin ist nicht wirksam vertraglich vereinbart worden. Er kann insbesondere nicht aus der Ausführungsfrist von 90 Tagen lt. Formularvertrag und dem Beginnzeitpunkt "max. 2. Woche" in dem Verhandlungsprotokoll vom 7.2.2001 errechnet werden. Das Verhandlungsprotokoll sollte ausdrücklich noch nicht als Auftrag gelten. In dem zeitlich nachfolgenden Formularvertrag heißt es demgegenüber, daß der Baubeginn "nach Absprache" erfolgen sollte. Der Fall ist auch nicht mit demjenigen der Entscheidung BGH BauR 2002, 782 vergleichbar, weil dort der Baubeginn nachträglich einvernehmlich datumsmäßig festgelegt worden ist.

Doch auch nach dem eigenen, ihr selbst nachteiligen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 8.10.2002 besteht kein Schadensersatzanspruch. Die Klägerin hat dort ihrerseits einen Termin vorgetragen, an dem sie nach eigener Berechnung hätte fertig werden müssen, nämlich den 1.8.2001. Ferner hat sie eingeräumt, daß sie tatsächlich erst am 26.8.2001 fertig geworden sei, und hat darüber hinaus selbst ein Mahnschreiben vom 9.8.2001 vorgelegt, so daß Verzug ab diesem Tag auch ohne einen kalendermäßig bestimmten Termin zu bejahen wäre. Es ist davon auszugehen, daß sich die Beklagten diesen Vortrag hilfsweise zu eigen machen.

Auch wenn danach ein Fertigstellungsverzug der Klägerin von 17 Tagen vorläge, könnte aber nicht festgestellt werden, daß dieser Verzug für die geltend gemachten Mietausfallschäden ursächlich geworden ist. Zum weiteren Bauablauf haben die Beklagten nämlich nichts vorgetragen. Das wäre aber erforderlich gewesen, weil die Klägerin nur den Rohbau errichtet hat und auf diesen noch so viele andere Gewerke folgen, daß es unwahrscheinlich ist, daß sich eine Rohbauverzögerung taggenau bis zur Endfertigstellung des Gebäudes fortpflanzt. Die Klägerin hat zu einigen der Folgegewerke, nämlich den Innen- und Außenputzarbeiten, sogar ihrerseits ausdrücklich vorgetragen, daß diese trotzdem zeitgerecht ausgeführt worden seien. Auch diesem Vortrag sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Daß ein Verzug der Klägerin von 17 Tagen sich in einer verzögerten Fertigstellung des Gesamtgebäudes ausgewirkt hätte, ist unter diesen Umständen nicht feststellbar und kann auch nicht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.

Darüber hinaus wäre auch nicht feststellbar, daß die Bauzeitverzögerung der Klägerin auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhte. Da es sich bei einem Mietausfallschaden um entgangenen Gewinn handelt, wäre das gemäß § 6 Nr. 6 i. V. m. § 5 Nr. 4 VOB/B erforderlich.

6.

Da nicht festgestellt werden kann, daß die Klägerin eine verzögerte Gesamtfertigstellung des Gebäudes verursacht hat, besteht auch kein Anspruch auf Ersatz von Schäden wegen verfrühter Verlegung von Bodenbelägen. Bei dieser Anspruchsposition würde es zusätzlich auch an einer Angabe der Beklagten fehlen, wie hoch der durch die verfrühte Verlegung "gerettete" Steuervorteil war, so daß nicht zu beurteilen ist, ob das bewußte Risiko des verfrühten Verlegens wirtschaftlich gerechtfertigt war.

Es verbleibt damit bei einer Restforderung der Klägerin von 173.849,86 €.

7.

Ein Leistungsverweigerungs- oder Minderungsrecht wegen einer fehlenden Mörtelschicht unter der Horizontalsperre im Keller besteht nicht.

Zwar hat die Klägerin eine solche Mörtelschicht nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen X und U nicht eingebaut. Nachteilige Auswirkungen sollen hierdurch aber nicht zu besorgen sein. Nach der Auffassung des erfahrenen Sachverständigen X soll die Einbringung einer Mörtelschicht sogar Nachteile haben. Unter diesen Umständen wäre selbst dann, wenn man entsprechend der Auffassung des Sachverständigen U einen objektiven Normverstoß annähme, kein Minderwert und erst recht kein Mängelbeseitigungsanspruch anzuerkennen.

8.

Nicht um einen Mangel handelt es sich auch bei den Höhenbolzen, die die Klägerin bei der Errichtung des Rohbaus angebracht und die sie in den Wänden des Flures belassen hat. Wie der Sachverständige X bestätigt hat, dienen diese Bolzen gerade dazu, daß sich auch nachfolgende Gewerke an einem einheitlichen Höhenniveau orientieren können, und müssen deshalb vom Rohbauunternehmer allenfalls auf eine spätere Aufforderung hin wieder entfernt werden. Erfolgt eine solche Aufforderung nicht und werden die Bolzen bei der abschließenden Behandlung der Wandflächen überputzt, kann der Rohbauunternehmer nicht nachträglich zu ihrer - zumal nunmehr aufwendigeren - Entfernung herangezogen werden.

9.

Das Leistungsverweigerungsrecht von 4.500,00 €, das das Landgericht den Beklagten für den noch ausstehenden Verschluß von Deckendurchbrüchen zugebilligt hat, besteht nicht mehr. Der Sachverständige X hat bestätigt, daß die Klägerin diese Arbeit erledigt hat.

10.

Entgegen dem Landgericht liegt kein Mangel des klägerischen Gewerks darin, daß in der Tiefgarage ein Gefälle fehlt.

Der Sachverständige X hat bestätigt, daß die Klägerin den Boden der Tiefgarage entsprechend den Plänen sowie den Vorgaben des Streithelfers, die nach der Ausschreibung maßgeblich sein sollten, hergestellt hat, nämlich abgeglichen und mit einem Gefälle lediglich im Bereich der Abflüsse. Nach den Planunterlagen habe die Klägerin außerdem davon ausgehen können, daß noch eine Folgebeschichtung durch ein anderes Gewerk erfolgen würde. Letzteres steht auch in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen U. Die Klägerin mußte deshalb weder entgegen den Planvorgaben ein weitergehendes Gefälle einbauen noch Bedenkenhinweise gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B erteilen.

11.

Das Leistungsverweigerungsrecht in Höhe von 19.232,43 €, das das Landgericht den Beklagten für das Entgraten und Reinigen der Betonflächen in der Tiefgarage, das Aufbringen eines Anstrichs, das Ausbessern einer Ausbruchsstelle an der Stütze im Einfahrtsbereich, das Schließen von Fehlbohrungen, das Spachteln der Torüberdeckung und das Entgraten der Lüftungsschächte zuerkannt hat, besteht nicht mehr. Nach den Feststellungen des Sachverständigen X hat die Klägerin diese Arbeiten inzwischen ordnungsgemäß durchgeführt bis auf den Anstrich. Für den Anstrich haben sich die Parteien im Termin darauf verständigt, daß ein Abzug von der Werklohnforderung in Höhe von 2.800,00 € vorgenommen wird.

Es verbleibt eine Forderung von 171.049,86 €.

12.

Kein Leistungsverweigerungsrecht besteht auch wegen der Entwässerungsröhrchen an den Balkonkästen. Der überzeugenden Darlegung des Sachverständigen X im Termin, daß die Röhrchen nicht mangelhaft sind, sondern nur nach innen gedreht werden müssen, ist keiner der Beteiligten mehr entgegengetreten.

13.

Das Leistungsverweigerungsrecht in Höhe von 2.250,00 € wegen der ausstehenden Erneuerung der Bodeneinläufe in den Waschräumen ist dadurch entfallen, daß sich die Parteien im Termin auf einen Abgeltungsbetrag von 700,00 € hierfür geeinigt haben.

Es verbleibt eine Forderung von 170.349,86 €.

14.

Wegen der nicht behandelten Rohbetonunterseiten der Balkons können die Beklagten entgegen dem angefochtenen Urteil keinen Einbehalt von der Werklohnforderung vornehmen. Der Sachverständige X hat zur Überzeugung des Senats dargelegt, daß die Klägerin als Rohbauunternehmen hier nach der Ausschreibung und den Regeln der Technik gearbeitet hat. Der Zustand der Betonflächen sei zwar nicht als Endzustand hinnehmbar, es sei aber üblich und habe deshalb auch von der Klägerin vorausgesetzt werden dürfen, daß die notwendige Beschichtung von einem Folgegewerk vorgenommen werde.

15.

Das gleiche gilt für die Endbehandlung der Betonstütze im Eingangsbereich des Gebäudes, so daß hier ebenfalls entgegen dem Landgericht kein Einbehalt gerechtfertigt ist.

16.

Die Ausführung der Treppenhäuser durch die Klägerin ist in schallschutztechnischer Sicht nicht mangelhaft. Die Feststellungen des Landgerichts hierzu sind auch nach der ergänzenden Begutachtung durch den Sachverständigen X und insbesondere den Spezialsachverständigen für Schallschutz Prof. Q im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Wie der Sachverständige Prof. Q überzeugend ausgeführt hat, bestehen nach den objektiven technischen Normen und öffentlich-rechtlichen Vorschriften keine besonderen Anforderungen an die schalltechnische Entkopplung der Treppenhäuser, weil das Gebäude über einen Aufzug verfügt und eine Benutzung der drei vorhandenen Treppenhäuser deshalb nur in geringfügigem Ausmaß zu erwarten war.

Vertragsrechtlich ergaben sich höhere Anforderungen auch nicht aus dem Grund, daß die Klägerin aus sonstigen Umständen auf eine intensivere Nutzung der Treppenhäuser oder auf besondere Schallschutzbedürfnisse hätte schließen müssen. Soweit sich in den Plänen Bezeichnungen wie Seniorenwohnungen o. ä. befanden, konnte daraus nicht auf eine verstärkte Benutzung der Treppenhäuser geschlossen werden. Bei Senioren ist im Vergleich zu einer altersgemischten Bewohnerstruktur eher eine höhere Aufzugbenutzung zu erwarten. Daß Mitarbeiter etwaiger Pflegedienste in besonderem Maße die Treppenhäuser anstatt des Aufzuges nutzen, ist ebenfalls nicht naheliegend. Eine verstärkte Nutzung der Treppenhäuser hat der Sachverständige Prof. Q am Tag seiner Untersuchungen auch tatsächlich nicht beobachten können. Aus Ausstattungsdetails wie der angeblichen Ausrüstung des Aufzuges mit besonders geräuscharmen Lederseilen mußte die Klägerin schließlich ebenfalls nicht auf einen erhöhten Schallschutzstandard schließen, weil es sich nicht um Details handelt, die ein Rohbauunternehmen zur Kenntnis nehmen muß.

Soweit der Schallschutz, der bei einer plangerechten und technisch mangelfreien Ausführung des Gebäudes zu erreichen gewesen wäre, tatsächlich nicht erreicht worden ist, fällt das entsprechend der übereinstimmenden Auffassung aller Sachverständigen nicht in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Die Klägerin hat nämlich die sie betreffenden Ausführungspläne einwandfrei befolgt und durfte das auch ohne eine Bedenkenhinweispflicht gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B tun, weil nicht diese Pläne fehlerhaft waren, sondern die Schallschutzdefizite erst durch die fehlerhafte Ausführung von Nachfolgegewerken hervorgerufen worden sind. Im Bereich der Treppenläufe sahen die Pläne entsprechend den Regeln der Technik Fugen zu den angrenzenden Umfassungswänden vor, die von der Klägerin auch freigelassen worden sind. Daß an diesen Stellen dennoch Schallbrücken entstanden sind, liegt daran, daß die Fugen von einem Nachfolgeunternehmer mit Fugmörtel verschlossen worden sind. Im Bereich der Treppenpodeste haben die Sachverständigen das Durchbetonieren der Rohpodeste an die Umfassungswände bzw. die angrenzenden Betondecken, so wie es auch in den Plänen vorgesehen war, nicht beanstandet. Schallschutzmängel beruhen in diesem Bereich vielmehr darauf, daß die Bodenbelagplatten im Dickbett unmittelbar auf den Rohbetonsohlen verlegt worden sind, anstatt die nach den Regeln der Technik erforderliche Trittschalldämmschicht im Fußbodenaufbau anzuordnen und ggf. einen schwimmenden Estrich einzubauen. Welche Aufbauhöhe hierfür vorzusehen ist, damit die Anschlüsse an die angrenzenden Fußbodenbereiche höhenmäßig passen, ist - so die Sachverständigen weiter - Sache der Planung. Ein der Klägerin erkennbarer Planungsfehler liegt in diesem Punkt allerdings ebenfalls nicht vor, und zwar jedenfalls deshalb nicht, weil nach den Darlegungen der Sachverständigen X und Prof. Q die vorgesehene Aufbauhöhe von 7 cm für einen schalltechnisch ordnungsgemäßen Bodenbelag ausreichend ist.

17.

Rohbaubedingte Undichtigkeiten der Tiefgaragendecke, wie sie die Beklagten weiterhin ohne jegliche näheren Angaben behaupten, hat das Landgericht zu Recht verneint. Ebenso wie der Sachverständige U in seinem erstinstanzlichen Gutachten hat auch der Sachverständige X solche Undichtigkeiten nicht feststellen können.

18.

Die von den Beklagten vermißten Dehnungsfugen (Punkte 4. c. aa., bb., dd., ff., hh., mm. des landgerichtlichen Urteils) hat auch der Sachverständige X nicht dem Gewerk der Klägerin zugeordnet, so daß hier keine Mängelrechte gegenüber ihrem Werklohnanspruch bestehen.

19.

Die Klägerin hat schließlich auch keine vertragswidrigen Balkonkästen geliefert. Der Streithelfer hat im Termin angegeben, die von der Klägerin ausgeführte Art der Kästen ausdrücklich so angeordnet zu haben, nachdem die ursprünglich vorgesehenen Kästen nicht mehr lieferbar gewesen seien.

Nach allem verbleibt es bei einer Restforderungshöhe von 170.349,86 € zugunsten der Klägerin.

20.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 291 BGB gerechtfertigt, allerdings nicht vor Ablauf von 2 Monaten ab dem mutmaßlichen Zugang der Schlußrechnung vom 5.2.2002 (§§ 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOB/B, 291 S. 1 a. E. BGB). Außerdem standen der Restforderung von 173.849,86 € (= ohne die nachträglichen einvernehmlichen Abzüge zu Nr. 11 und 13) gemäß dem landgerichtlichen Urteil, das die Klägerin insoweit nicht angegriffen hatte, Leistungsverweigerungsrechte in Höhe von 21.482,43 € (19.232,43 € Tiefgarage + 2.250,00 € Bodeneinläufe Waschräume) entgegen. Einredefrei fällig war daher nur ein Teilbetrag von 152.367,43 €.

Dennoch ist der restliche Betrag seit dem 12.2.2005 ebenfalls zu verzinsen. Die Klägerin hatte den Beklagten die Mängelbeseitigungsarbeiten, auf die sich die Leistungsverweigerungsrechte bezogen, nämlich mit Schreiben vom 7.2.2005 mit einer Äußerungsfrist zum 11.2.2005 in Annahmeverzug begründender Weise angeboten. Wenn auch allein durch den Annahmeverzug die Leistungsverweigerungsrechte jedenfalls nicht vollständig entfallen sind, die Restforderung also weiterhin nicht vollständig fällig war, stellte die Nichtannahme der Mängelbeseitigungsarbeiten aber zugleich einen Verstoß gegen die Kooperationspflicht des Bauherrn dar, der eine Zinspflicht unter dem Gesichtspunkt einer positiven Vertragsverletzung rechtfertigt (vgl. OLG Hamm BauR 1996, 123).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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