Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.04.2004
Aktenzeichen: 21 U 152/03
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO, VOB/B, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 641
BGB § 768
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. F.
AGBG § 6 Abs. 2
AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 2
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 162
VOB/B § 17
EGBGB Art. 229 § 5 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. Mai 2003 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die Bürgschafturkunde Nr. #1 der O-Bank über 60.610,36 EUR, ausgestellt am 25.02.1999, an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 61.000,00 EUR für die Vollstreckung in der Hauptsache oder in Höhe von 110 % des jeweils beitreibbaren Kostenbetrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

A.

Tatbestand:

Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Der Sachverhalt stellt sich nunmehr wie folgt dar: Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Fa. X GmbH & Co. KG, erstellte als Generalunternehmerin für die Fa. H mbH das Bauvorhaben Technologiezentrum III in E. Am 31.03.1992/03.04.1992 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Nachunternehmervertrag über die Ausführung von Heizungs- Lüftungs- und klimatechnischen Arbeiten an dem Bauvorhaben ab (Bl. 6-11 d.A.). Der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorformulierte Nachunternehmervertrag enthält unter Ziffer 7.0 "Sicherheitsleistung" einen Verweis auf die "Allgemeinen Vorbemerkungen und Leistungs-/Funktionsbeschreibung" der Auftraggeberin (Bl. 12-27 d.A.). Diese Vorbermerkungen sind ebenfalls vorformuliert und gemäß Ziffer 1.0 des Nachunternehmervertrages Vertragsbestandteil. Ziffer 6.2.5 der Allgemeinen Vorbemerkungen und Leistungs-/Funktionsbeschreibung (Bl. 17 d.A.) bestimmt, dass 5 % der Abrechnungssumme für die Dauer der Gewährleistung einbehalten werden und "dieser Sicherheitseinbehalt" "gegen Vorlage einer Gewährleistungsbürgschaft nach Muster des Hauptunternehmers" ablösbar ist. Ziffer 9. sieht vor, dass einzelne unwirksame Bestimmungen den Bestand des Vertrages nicht berühren und "vielmehr durch eine rechtswirksame (Bestimmung), die dem wirtschaftlichen Sinn am nächsten kommt, zu ersetzen" sind (Bl. 18 d.A.). Gem. Ziffer 2 (Bl. 12 d.A.) ist die VOB/B ergänzend vereinbart. Das Bürgschaftsmuster der Auftraggeberin der Beklagten und Hauptunternehmerin enthält die ebenfalls vorformulierten Klauseln, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern zu zahlen sei und dass die Bürgin u.a. auf die Einrede gem. § 768 BGB verzichte. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes, Urteil vom 26.02.2004 - VII ZR 247/02 - vorgetragen, nicht mehr feststellen zu können, ob das Bürgschaftsformular der Hauptunternehmerin den Vertragsunterlagen bei ihrer Unterzeichnung bereits beigefügt gewesen oder ihnen erst später beigefügt worden sei. Nach dem vorstehend beschriebenen Bürgschaftsmuster stellte die O-Bank am 25.02.1999 die streitgegenständliche Bürgschaft über 118.543,56 DM (60.610,36 EUR) aus (Bl. 28 d.A.). Die Auftraggeberin der Beklagten nimmt diese im Verfahren 1 O 457/02 Landgericht Duisburg auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 729.798,24 EUR nebst Zinsen in Anspruch, wobei die Beklagte der Klägerin in dem Verfahren den Streit verkündet hat, weil sie die Auffassung vertritt, dass die von ihrer Auftraggeberin gerügten Mängel das Gewerk der Klägerin beträfen. In Bezug auf das vorliegende Verfahren hat die Klägerin gemeint, dass die Bürgschaftsklausel unwirksam und die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaft verpflichtet sei. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie die am 25.02.1999 ausgestellte Bürgschaftsurkunde Nr. #1 der O-Bank über 60.610,36 EUR herauszugeben. Die Beklagte hat beantragt, dem Klageantrag nur Zug um Zug gegen eine inhaltsgleiche Bürgschaft eines Kreditinstitutes oder Kreditversicheres mit Zulassung in der Europäischen Gemeinschaft oder in einem Staat der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in einem Staat der Vertragsparteien des WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen ohne die Verpflichtung zur Zahlung auf erstes Anfordern stattzugeben. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der aufgrund der unwirksamen Sicherungsabrede lückenhafte Vertrag dahingehend ergänzend ausgelegt werden könne, dass der Bauunternehmer nur eine befristete, selbstschuldnerische Bürgschaft schulde. Mit seinem Teilanerkenntnis- und Schlußurteil vom 22.05.2003 (Bl. 63ff d.A.) ist das Landgericht dem Antrag der Beklagten gefolgt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne von der Beklagten die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde vom 25.02.1999 verlangen, weil die Sicherungsabrede im Nachunternehmervertrag gem. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sei. Die hierdurch im Vertrag entstehende Lücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend auszufüllen, dass die Klägerin die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde nur Zug um Zug gegen die Übergabe einer Urkunde über eine unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft verlangen könne. Der ersatzlose Wegfall der Bürgschaftsverpflichtung führe zu einem dem Interesse der Parteien nicht gerecht werdenden Ergebnis. Die Beklagte sei ohne eine Gewährleistungsbürgschaft nicht ausreichend geschützt, das sei mit der Sicherungsabrede der Parteien nicht zu vereinbaren. Es sei vielmehr anzunehmen, dass sich die Parteien bei sachgerechtem Abwägen ihrer beiderseitigen Interessen für eine unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft entschieden hätten, falls ihnen die Unwirksamkeit der weitergehenden Bürgschaftsverpflichtung bekannt gewesen sei. Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 04.07.2002 - VII ZR 502/99 - zum Fall einer Erfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern sei auch auf den Fall einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern anzuwenden. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt zur Begründung insbesondere vor: Das Landgericht habe zwar zu Recht erkannt, dass die Beklagte die Bürgschaftsurkunde der O-Bank ohne Rechtsgrund erlangt habe, jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte die Herausgabe der Bürgschaft nur Zug um Zug gegen die Stellung einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft schulde. Die der Bürgschaftshingabe zugrunde liegende, unwirksame AGB-Bestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten könne im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Es sei gerade nicht erkennbar, welche Regelung die Bauvertragsparteien gewollt hätten, wenn sie die Nichtigkeit der Klausel erkannt hätten. Im Übrigen sei die ergänzende Vertragsauslegung des Landgerichts auch deswegen unzulässig, weil der in der Bürgschaft vorgesehene formularmäßige Verzicht auf die Einreden des Bürgen aus § 768 BGB gegen § 9 AGBG verstoße. Die Klägerin beantragt, die Beklagte abändernd zu verurteilen, die Bürgschaftsurkunde Nr. #1 der O-Bank über 118.543,56 DM, ausgestellt am 25.02.1999, an sie herauszugeben. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens: Das Landgericht habe die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Erfüllungsbürgschaften auf erstes Anfordern zutreffend auch auf Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern angewandt. Es sei anzunehmen, dass sich die Parteien auf die Gestellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft verständigt hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede bedacht hätten. Die selbstschuldnerische Bürgschaft sei ein Minus gegenüber einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Im Übrigen gehe sie nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.02.2004 - VII ZR 247/02 - nicht mehr davon aus, dass die Sicherungsabrede unwirksam sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bezeichneten Urkunden und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. B.

Gründe: Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Beklagte hat der Klägerin die streitgegenständliche Gewährleistungsbürgschaft gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. F. BGB zurückzugeben. Die Anspruchsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, sie sind von der Beklagten auch anerkannt worden (I.). Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht steht der Beklagten nicht zu, sie hat keinen Anspruch auf die Stellung einer nicht auf erstes Anfordern zahlbaren Gewährleistungsbürgschaft (II.). I. Anspruchsvoraussetzungen 1. Die Beklagte hat die Anspruchsvoraussetzungen anerkannt (§ 307 ZPO). Ein prozessuales Anerkenntnis kann nicht nur den Inhalt haben, dass die beklagte Partei den Klageanspruch ganz oder teilweise vorbehaltlos anerkennt, sondern auch den, dass der Anspruch vorbehaltlich einer Gegenleistung des Klägers anerkannt wird und sich die beklagte Partei einer entsprechenden Zug um Zug Verurteilung beugt, vgl. BGH, Urteil vom 05.04.1989, IVb ZR 26/88, BGHZ 107, 142ff. Ein derartig eingeschränktes Anerkenntnis der Beklagten ist ihrem in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22.05.2003 gestellten und auf eine Zug um Zug Verurteilung gerichteten Klageantrag zu entnehmen. Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagte nicht ausdrücklich von einen Anerkenntnis gesprochen hat. Da das Anerkenntnis in ihrem Klageantrag klar zum Ausdruck kommt, ist eine ausdrückliche "Anerkenntnis"-Erklärung nicht mehr erforderlich (vgl. auch Zöller-Vollkommer, ZPO-Kom., 24. Aufl. 2004, Vor § 306 Rz. 12). Dass das Anerkenntnis nicht ordnungsgemäß gem. §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 ZPO protokolliert wurde, ist ebenfalls unerheblich, weil das Einhalten dieser Vorschriften keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist, BGH a.a.O. 2. Abgesehen davon liegen auch die Anspruchsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. F. BGB vor. a) Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat die streitgegenständliche Bürgschaft aufgrund einer Leistung der Klägerin erlangt. b) Das geschah ohne Rechtsgrund, weil die Sicherungsabrede, die die Vertragsparteien unter Ziffer 6.2.5 der Allgemeinen Vorbemerkungen und Leistungs-/ Funktionalbeschreibung und mit dem Bürgschaftsformular der Hauptunternehmerin vereinbart haben, wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG nichtig ist. aa) Bei den vorstehenden Vertragsunterlagen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Diese hat der Klägerin die Texte vorgegeben und sie nicht im einzelnen ausgehandelt. Das gilt auch für die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten verwandten Geschäftsbedingungen ihrer Auftraggeberin. Ihr Inhalt und ihre Gestaltung sowie ihre formularmäßige Einbeziehung in den Nachunternehmervertrag der Parteien erwecken den Anschein, dass sie zur Mehrfachverwendung vorformuliert und von der Rechtsvorgängerin der Beklagten auch so verwandt worden sind. Das hat die Beklagte nicht widerlegt. bb) Die Sicherungsabrede ergibt sich vorliegend aus Ziffer 6.2.5 der Allgemeinen Vorbemerkungen und aus dem Bürgschaftsformular. Erst letzteres und nicht bereits die Vertragsklausel unter Ziffer 6.2.5 legt die inhaltlichen Anforderungen an die Bürgschaft fest. Diese Vertragsgestaltung ist mit der Vertragsgestaltung, über die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26.02.2004 - VII ZR 247/02 - zu entscheiden hatte, nicht zu vergleichen. Der Senat kann offenlassen, ob den Vertragsparteien das unter Ziffer 6.2.5 der Allgemeinen Vorbemerkungen bezeichnete Bürgschaftsformular der Auftraggeberin der Beklagten bei Vertragsabschluss bereits vorlag oder der Klägerin erst danach überlassen wurde. Auch im zuletzt genannten Fall haben die Vertragsparteien, die Kaufleute sind bzw. waren, dieses Formular wirksam vereinbart. cc) Die Sicherungsabrede der Vertragsparteien ist dahingehend auszulegen, dass der 5 %ige Sicherheitseinbehalt der Auftraggeberin nur durch eine Bürgschaft nach dem Muster der Hauptunternehmerin abzulösen sein sollte. Der Text der Klausel lässt andere Sicherheiten nicht zu und ist erkennbar als abschließende Regelung gemeint. Das schließt eine ergänzende Anwendung des § 17 VOB/B aus. Die Klägerin konnte den Gewährleistungseinbehalt mithin nur mit einer Gewährleistungsbürgschaft ablösen, in der sich die Bürgin auf erstes Anfordern zur Zahlung verpflichtete und auf die Einrede aus § 768 BGB verzichtete. dd) Diese Sicherungsabrede verstößt gegen § 9 Abs. 1 AGBG, weil sie die Klägerin unangemessen benachteiligt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 05.06.1997, VII ZR 324/95, BauR 1997, 829ff; Urteil vom 02.03.2000, VII ZR 475/98, BauR 2000, 1052f; Urteil vom 22.11.2001, VII ZR 208/00, BauR 2002, 463ff; Urteil vom 16.05.2002, VII ZR 494/00, BauR 2002, 1392ff und Urteil vom 08.03.2001, IX ZR 236/00, BauR 2001, 1093ff) stellt eine Sicherungsabrede, die die Ablösung eines 5%igen Sicherheitseinbehaltes für eine mehrjährige Gewährleistungsfrist nur durch eine Gewährleistungsbürgschaft auf ersten Anfordern zulässt und § 17 VOB/B im Übrigen ausschließt, eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar. So liegt der Fall hier. Ziffer 6.2.5 der Allgemeinen Vorbemerkungen berechtigte die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin als Auftraggeberin der Klägerin dazu, 5 % der Abrechnungssumme als Gewährleistungssicherheit für eine mehrjährige Gewährleistungszeit (die gemäß Ziffer 6.2 des Nachunternehmervertrages, vgl. Bl. 8 d.A., im Regelfall 62 Monate betragen und nur für drehende und elektrisch berührte Teile auf 14 Monate beschränkt sein sollte) einzubehalten. Dieser Gewährleistungseinbehalt war, wie bereits ausgeführt, von der Klägerin nur mit einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen. Das benachteiligt die Klägerin in unangemessener Weise, weil der Gewährleistungseinbehalt unverzinslich einbehalten werden sollte, die Klägerin für die Dauer der Gewährleistungszeit das Insolvenzrisiko ihrer Auftraggeberin zu tragen hatte und die allein zulässige Austauschbürgschaft auf erstes Anfordern keinen angemessenen Ausgleich darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1997, VII ZR 324/95). ee) Die Sicherungsabrede verstößt im Übrigen auch gegen § 9 Abs. 2 AGBG, weil sie einen Verzicht der Bürgin auf die Einrede des § 768 BGB verlangt. Die bürgschaftsrechtliche Verpflichtung wird durch die Abhängigkeit der Haftung vom Bestehen der Hauptschuld gekennzeichnet. Bestimmungen, die diesen in § 768 BGB verankerten Akzessorietätsgrundsatz aushebeln, verändern die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses und sind mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar (BGH, Urteil vom 08.03.2001, IX ZR 236/00). II. Zurückbehaltungsrecht der Beklagten Die Beklagte hat keinen Anspruch auf die Stellung einer nicht auf erstes Anfordern zahlbaren Gewährleistungsbürgschaft. Das insoweit geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht steht ihr nicht zu. 1. Der Verstoß gegen § 9 AGBG führt vorliegend dazu, dass die Sicherungsabrede insgesamt unwirksam ist. Sie kann nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass die Klägerin den Sicherheitseinbehalt durch Beibringen einer einfachen Bürgschaft ablösen darf. Die Klausel über den Sicherheitseinbehalt und dessen Ablösung bilden einen untrennbare Einheit. Sie beinhalten eine in sich geschlossene Konzeption über den Gewährleistungseinbehalt zugunsten der Auftraggeberin und dessen Kompensation durch die Stellung einer durch das Bürgschaftsformular näher bestimmten Bürgschaft von Seiten der Auftragnehmerin. Erst aus dem Zusammenwirken beider Regelungen ergibt sich der Verstoß gegen § 9 AGBG. Die Bestimmungen sind daher keine inhaltlich voneinander trennbaren, einzeln aus sich heraus verständlichen Bestandteile, die auch teilweise aufrechterhalten werden können, vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2001, IX ZR 236/00. 2. Der Senat hat erwogen, die entstandene Vertragslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen, so wie es der Bundesgerichtshof (Urteil vom 04.07.2002, VII ZR 502/99, BauR 2003, 1533ff) für den Fall einer formularmäßig unwirksam vereinbarten Vertragserfüllungsbürgschaft für zulässig erachtet hat. Zwar ist das Interesse des Auftraggebers an einer angemessenen Sicherheit für etwaige Gewährleistungsansprüche nach der Abnahme des Werkes grundsätzlich schutzwürdig. Erfahrungsgemäß wird kaum ein Bauwerk völlig mangelfrei errichtet. Nach der Abnahme können sich innerhalb der Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche Mängel zeigen, die der Auftragnehmer auf seine Kosten zu beseitigen hat. Ohne eine Sicherheit müßte der Auftraggeber während dieser Zeit uneingeschränkt das Bonitätsrisiko des Auftragnehmers tragen. Dennoch ist im vorliegenden Fall eine ergänzende Vertragsauslegung nicht möglich, weil die mit dem Wegfall der Sicherungsabrede entstehende Lücke bereits durch das dispositive Gesetzesrecht geschlossen wird. Ihr steht das in § 6 Abs. 2 AGBG normierte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegen (so auch Thode, Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zur Sicherungsabrede in Bauverträgen, ZfBR 2002, 4 (7)). Nach dem Werkvertragsrecht des BGB ist die volle Vergütung bei Abnahme des Werkes zu entrichten und von diesem Zeitpunkt an regelmäßig zu verzinsen, § 641 BGB. Da das dispositive Gesetzesrecht die Abwicklung des Werkvertrages ohne Gewährleistungseinbehalt des Auftraggebers vorsieht, schuldet der Auftragnehmer auch keine Sicherheit zur Ablösung eines Gewährleistungseinbehalts. Auf die Regelung des § 17 VOB/B kann insoweit nicht zurückgegriffen werden, weil die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Gestaltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen bewußt von dieser Regelung abgewichen ist. Das schließt eine Rückkehr zu § 17 VOB/B durch ergänzende Vertragsauslegung aus (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2001, VII ZR 208/00). Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, welche konkrete Regelung die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel erkannt hätten. Abgesehen von einer Bürgschaft wäre auch eine Verringerung des Einbehalts, eine Verkürzung der Einbehaltsfrist oder die Wahl einer anderen der in § 17 VO/B/ genannten Sicherungsformen in Betracht gekommen. Die Rechtsgrundlage für eine ergänzende Vertragsauslegung ist auch Ziffer 9 der Allgemeinen Vorbemerkungen und Leistungs-/Funktionalbeschreibung nicht zu entnehmen. Die Klausel sieht zwar vor, dass unwirksame AGB-Bestimmungen durch wirksame Bestimmungen zu ersetzen sind, die dem Sinn der Klausel am nächsten kommen. Diese Klausel ist allerdings wiederum gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, soweit sie darauf abzielt, die für den Fall der Unwirksamkeit einer AGB-Bestimmung in § 6 Abs. 2 AGBG vorgesehene Geltung des dispositiven Rechts zu verdrängen (BGH, Urteil vom 22.11.2001, VII ZR 208/00). C. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen, Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB. D. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 93 ZPO war nicht anzuwenden, weil die Beklagte die berechtigte Klageforderung nicht uneingeschränkt anerkannt hat. Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Bundesgerichtshof die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung bei einer formularmäßig nicht wirksam vereinbarten Gewährleistungsbürgschaft noch nicht entschieden hat und Obergerichte diese Frage bislang unterschiedlich beantwortet haben.

Ende der Entscheidung

Zurück