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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 21 U 34/06
Rechtsgebiete: BGB, RBerG


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 627 Abs. 1
BGB § 628 Abs. 1 S. 3
BGB §§ 812 ff.
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1
BGB § 814
BGB § 817 S. 2
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 250
RBerG § 1 Abs. 1 S. 1
RBerG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
RBerG § 5 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.12.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der vom Landgericht zuerkannte Anspruch aus § 628 Abs. 1 S. 3 i. V. m. §§ 812 ff., 627 Abs. 1 BGB scheitert zwar am Fehlen einer wirksamen Kündigungserklärung. Den Zugang seines als Kündigung zu wertenden Schreibens vom 23.3.2005 kann der Kläger nicht beweisen, und das Rückzahlungsbegehren vom 28.7.2005 konnte keine Kündigung mehr darstellen, weil die Vertragslaufzeit - 6 Monate ab dem 1.12.2004 - zu diesem Zeitpunkt schon beendet war.

Das Urteil erweist sich aber aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig.

Der Kläger kann die Rückzahlung der von ihm gezahlten Vergütung nämlich aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB verlangen, weil der Vertrag vom 1.12.2004 wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) nach § 134 BGB nichtig ist.

1.

Der Beklagte hat durch die Zahlung und damit durch eine Leistung des Beklagten einen Geldbetrag von 11.600,00 € erlangt, wovon ein Teilbetrag in Höhe von 11.100,00 € Gegenstand der Klage ist.

2.

Diese Leistung ist ohne rechtlichen Grund erfolgt. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig, weil er eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten zum Gegenstand hat, für die dem Beklagten die gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG erforderliche Erlaubnis fehlt.

a) Nach dem Wortlaut des am 1.12.2004 geschlossenen Vertrages besteht zwar der Anschein, daß der Beklagte für den Kläger nur Tatsachenermittlungen über die Vermögensverhältnisse eines Herrn X anstellen sollte, die in mehreren Punkten auf S. 1 unten des Vertrages näher beschrieben sind.

b) Bereits aus dem übrigen Vertragstext ergibt sich jedoch, daß es sich nur um eine beispielhafte Aufzählung von Tätigkeiten handelt, die der Realisierung einer Forderung des Klägers gegen Herrn X über 163.691,83 € zuzüglich Nebenforderungen dienen und "nach entsprechender Sachlage gegebenenfalls" durchgeführt werden sollten. Damit war dem Beklagten ein Ermessen bezüglich der Auswahl der erforderlichen Tatsachenermittlungen zur Durchsetzung eines rechtlichen Anspruchs eingeräumt, was der vertraglichen Leistung bereits einen rechtsberatenden Charakter verleiht (vgl. Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Rn. 43 zu § 1; Chemnitz/Johnigk, RBerG, 11. Aufl., Rn. 44 zu § 1; Gehrlein, Beschränkungen der Tätigkeit eines Detektivs durch das RBerG, VersR 1996, 1343, 1344).

c) Darüber hinaus haben die Parteien ebenfalls am 1.12.2004 eine - vom Beklagten mit der Berufungsbegründung selbst vorgelegte - "Zusatzerklärung" unterzeichnet, aus deren Wortlaut sogar auf eine Einziehung der Forderung des Klägers als Gegenstand des Vertrages geschlossen werden kann, eine Tätigkeit, die in § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG ausdrücklich als Unterfall der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten definiert ist. In der "Zusatzerklärung" ist nämlich davon die Rede, daß "die Fa. L (= der Beklagte) die abgetretene Forderung innerhalb der vereinbarten Frist realisieren" sollte, wobei der Erlös zu 75 %, d. h. abzüglich eines Erfolgshonorars von 25 %, an den Kläger überwiesen werden sollte. Die Abtretung, die in einer weiteren gesonderten Erklärung ebenfalls am 1.12.2004 erfolgt ist, steht dabei einer unerlaubten Rechtsbesorgung nicht entgegen, weil § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG die Einziehung zu diesem Zweck abgetretener Forderungen ausdrücklich miterfaßt.

d) Doch auch wenn die eigentliche Einziehung der Forderung entgegen dem Wortlaut der "Zusatzerklärung" nach dem Willen der Beteiligten nicht mehr Aufgabe des Beklagten sein, sondern - wie dieser im Termin erklärt hat - die "Rückführung des Geldes" über insoweit direkt vom Kläger zu beauftragende Anwälte erfolgen sollte, wären auch die übrigen im Vertrag enthaltenen Leistungen ausreichend, um eine unerlaubte Rechtsberatung zu bejahen.

Sowohl aus der Schilderung beider Parteien als auch aus der Zeugenaussage des Mitarbeiters des Beklagten T ergibt sich nämlich, daß der Beklagte die - nach seinem Ermessen, s. dazu bereits oben b) - gewonnenen Erkenntnisse auch einsetzen sollte, indem er den Schuldner mit ihnen konfrontieren und ihn "fragen" sollte, ob er vor diesem Hintergrund zu Zahlungen auf die Forderung bereit sei. Unstreitig bestand Einigkeit zwischen den Parteien, daß es sich auch dabei um einen Bestandteil des vertraglichen Leistungsumfangs handelte, der in dem vom Kläger zu entrichtenden Honorar inbegriffen war. Es sollte sich auch nicht um einen untergeordneten, sondern im Gegenteil um einen wesentlichen Leistungsbestandteil handeln, denn wie sowohl der Beklagte selbst als auch der Zeuge T betont haben, sollte die Kontaktaufnahme zum Schuldner wiederholt und in intensiver Form erfolgen. Dadurch, daß ihm die Ermittlungsergebnisse persönlich vor Ort (= an seiner Wohnanschrift) vorgehalten werden sollten, sollte bewußt psychologischer Druck aufgebaut werden, um ihn zur Zahlung oder zumindest zu einem Teilzahlungsvergleich zu bewegen.

Bei einem derartigen Herantreten an den Schuldner handelt es sich um unerlaubte Rechtsbesorgung (vgl. Gehrlein a. a. O.). Eine solche Rechtsbesorgung stellt die Aufnahme von Verhandlungen mit der Gegenseite insbesondere auch dann dar, wenn die Rechtslage als solche - hier das Bestehen der Forderung - bereits festgeschrieben ist und Ziel der Verhandlungen demgegenüber eine vergleichsweise Einigung sein soll (vgl. BGH NJW 1995, 3122, 3123).

Hinzu kommt noch, daß der Beklagte - was ebenfalls der Zeuge T deutlich bekundet hat - auch seinen Auftraggeber selbst, den Kläger, nachdrücklich von den Vorteilen einer vergleichsweisen Einigung mit dem Schuldner überzeugen wollte. Auch hierin liegt eine weitere rechtsberatende Tätigkeit.

e) Zusätzlich hat der Beklagte im Senatstermin noch ausgeführt, daß zum vertraglichen Umfang seiner Tätigkeit gegebenenfalls auch eine rechtliche Begutachtung durch eine Anwaltskanzlei gehöre. Hierin läge ohne weiteres eine rechtsberatende Tätigkeit, die gegen § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG verstieße. Daß die Tätigkeit durch einen zugelassenen Anwalt ausgeführt wird, ändert an dem Verstoß nichts, wenn der Anwalt im Verhältnis zum Kunden lediglich Erfüllungsgehilfe seines unmittelbaren, selbst nicht zur Rechtsberatung befugten Vertragspartners ist (vgl. BGH NJW-RR 1997, 564). So läge es hier, denn der Beklagte hat ausdrücklich bestätigt, daß die Anwälte, mit denen er zusammenarbeite, bezüglich des Rechtsgutachtens von ihm im eigenen Namen beauftragt würden und das Rechtsgutachten im Verhältnis zum Kunden im Preis enthalten sei.

f) Auf eine erlaubnisfreie Nebentätigkeit gemäß § 5 Nr. 1 RBerG kann sich der Beklagte nicht berufen, weil die Einziehung von Forderungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb eines Ermittlers bzw. Detektivs steht (vgl. OLG Nürnberg OLGZ 1976, 235; Gehrlein a. a. O. 1344; Rennen/Caliebe Rn. 18 zu § 5).

g) Die Nichtigkeit gemäß §§ 134 BGB, 1 Abs. 1 S. 1 RBerG erfaßt den gesamten Vertrag, auch wenn einzelne Tätigkeiten, wie hier die reinen Ermittlungstätigkeiten, isoliert betrachtet keine unerlaubte Rechtsbesorgung darstellen würden (vgl. BGH NJW 2000, 1560; BGHZ 50, 90; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Rn. 21 zu § 134).

3.

Der Anspruch ist nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen. Daß dem Kläger der Verstoß des Vertrages gegen das Rechtsberatungsgesetz bewußt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.

4.

Der Rückzahlungsanspruch ist auch nicht teilweise mit einem entgegengesetzten Anspruch des Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 i. V. m. § 818 Abs. 2 BGB wegen der von diesem tatsächlich erbrachten Leistungen zu saldieren (verrechnen). Es kann nämlich nicht festgestellt werden, daß Leistungen, die der Beklagte aufgrund des nichtigen Vertrages erbracht hätte, für den Kläger von objektivem Wert gewesen wären.

a) Die Vergütung von aufgrund eines unwirksamen Geschäftsbesorgungsvertrages erbrachten Leistungen kommt zwar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung insbesondere dann in Betracht, wenn die Nichtigkeit des Vertrages teilweise auch erlaubte Leistungen umfaßt; der Empfänger dieser Leistungen soll aus ihnen keinen ungerechtfertigten Vorteil ziehen (vgl. BGH NJW 2000, 1560).

b) Einem Bereicherungsanspruch des Beklagten auf Vergütung seiner Leistungen stünde § 817 S. 2 BGB (vgl. BGH a. a. O.) nicht entgegen, weil nicht feststellbar ist, daß ihm selbst der Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz bewußt gewesen wäre. Auch wenn der erstinstanzliche Bevollmächtigte des Beklagten im Termin eingeräumt hat, der Beklagte habe mit einem Verstoß gegen das Gesetz gerechnet und sich die einzutreibende Forderung deshalb abtreten lassen, ist ihm nicht zu widerlegen, daß er daran geglaubt hat, mit der Abtretung seien die rechtlichen Bedenken ausgeräumt.

c) Daß die Ermittlungstätigkeit des Beklagten mit einem negativen Ergebnis endete, dem Kläger daher bei der Beitreibung seiner Forderung nicht weiterhalf und ihm - aus nachträglicher Sicht - somit keinen meßbaren Vermögensvorteil brachte, würde einem Bereicherungsanspruch des Beklagten ebenfalls nicht zwangsläufig entgegenstehen. Einen objektiven Wert i. S. d. § 818 Abs. 2 BGB hätte die Tätigkeit trotzdem gehabt haben können, nämlich dann, wenn der Kläger sonst eine andere, zur Geschäftsbesorgung rechtlich befugte Person mit ihr beauftragt hätte und dieser ein entsprechendes Entgelt dafür hätte zahlen müssen (vgl. BGH a. a. O.).

d) Letzteres kann aber im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.

aa) Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger anstelle des Beklagten eine zur Rechtsberatung befugte Person beauftragt hätte.

Einen Rechtsanwalt hätte er nicht mandatiert. Wie sich aus dem Umstand, daß die beizutreibende Forderung durch ein oberlandesgerichtliches Urteil tituliert war, ergibt, hatte der Kläger die Dienste mindestens eines Rechtsanwalts bereits in Anspruch genommen. Aus seinem gesamten Vortrag einschließlich seiner mündlichen Schilderung geht hervor, daß er die übliche Vorgehensweise eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung einer Geldforderung nunmehr gerade nicht mehr für ausreichend und erfolgversprechend hielt und deshalb den Beklagten beauftragte, der - anders als ein Rechtsanwalt - umfangreiche Tatsachenermittlungen durchführen und deren Ergebnisse als Druckmittel einsetzen sollte. Auch nach der eigenen Darstellung des Beklagten gehen die von ihm angebotenen Dienstleistungen über die übliche Einzugstätigkeit eines Rechtsanwalts deutlich hinaus. Gerade die Leistungen im Bereich der Tatsachenermittlung, die der Beklagte als tatsächlich erbracht behauptet und die isoliert betrachtet nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen würden, gehören typischerweise nicht zum Tätigkeitsfeld eines Rechtsanwalts.

Auch daß der Kläger anstelle des Beklagten ein gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 RBerG zugelassenes Inkassounternehmen beauftragt hätte, ist jedenfalls nicht positiv feststellbar. Auch von derartigen Unternehmen hat sich der Beklagte selbst bereits in der Klageerwiderung vom 28.11.2005 bewußt abgegrenzt, und der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat betont die "eigenen Methoden" geschildert, mit denen der Beklagte bzw. dessen Mitarbeiter geworben habe. Der Kläger hat ferner angegeben, er sei durch eine Zeitungsanzeige auf den Beklagten aufmerksam geworden; wenn er eine übliche Inkassofirma hätte beauftragen wollen, ist es eher unwahrscheinlich, daß er, der selbst unternehmerisch tätig ist, nach einer solchen Firma in Zeitungsanzeigen gesucht hätte.

bb) Zum anderen ist aber auch nicht davon auszugehen, daß der Kläger dem Beklagten oder einer anderen Detektei bzw. einem ähnlichen Unternehmen einen Auftrag über reine Tatsachenermittlungen, der mit dem Rechtsberatungsgesetz nicht in Konflikt geraten wäre, erteilt hätte. Auch hiergegen sprechen die Schilderungen beider Parteien, wonach gerade die umfassende, mit einer erfolgreichen Durchsetzung der titulierten Forderung abschließende Tätigkeit das Wesentliche gewesen sei. Es hätten nicht nur tatsächliche Erkenntnisse gewonnen, sondern diese auch anschließend in energischer Weise als Druckmittel gegenüber dem Schuldner eingesetzt werden sollen. Ob der Kläger, wenn ihm nicht beide Komponenten "aus einer Hand" angeboten wären, zunächst lediglich die reinen Detektivleistungen isoliert in Auftrag gegeben und die anschließende Verwendung der Erkenntnisse gegen den Schuldner selbst bzw. anderweitig veranlaßt hätte, kann nicht mit der nötigen Gewißheit bejaht werden.

5.

Die Nebenansprüche auf Verzugszinsen und vorgerichtliche nicht anrechenbare Anwaltskosten sind gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt. Der Anfall der Anwaltskosten ist mittlerweile durch Vorlage einer Gebührenrechnung hinreichend belegt. Daß der Kläger für die tatsächliche Bezahlung der Rechnung keinen Beweis angetreten hat, ist im Ergebnis unschädlich. Grundsätzlich bestünde zwar bei noch nicht bezahlter Rechnung lediglich ein Freistellungsanspruch. Da der Beklagte aber die Hauptforderung und damit auch seine Einstandspflicht für die (Verzugs)Schadensersatzforderung als solche konsequent bestreitet, kann der Kläger auch ohne vorherige Fristsetzung gemäß § 250 BGB unmittelbar einen Zahlungsanspruch geltend machen (vgl. BGH NJW 1999, 1542).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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