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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 21 U 44/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 166 Abs. 1
BGB § 278
BGB § 288 Abs. 1 S. 2
BGB § 291
BGB § 432 Abs. 1 S. 1
BGB § 633
BGB § 635 a. F.
ZPO § 531
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16.12.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Essen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin und ihren Ehemann C, X-Straße, ####1 T, 6.449,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.7.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin und ihrem Ehemann C auch jeden weiteren, über 6.449,60 € hinausgehenden Schaden zu ersetzen, welcher diesen dadurch entsteht, daß sie die im Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. P vom 22.11.2004 im selbständigen Beweisverfahren 9 OH 16/04 LG Essen festgestellten Mängel beseitigen lassen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Kosten der Streithilfe hat die Streithelferin selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin und ihr Mann haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Klageforderung gemäß § 635 a. F. BGB, den die Klägerin gemäß § 432 Abs. 1 S. 1 BGB allein geltend machen kann.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klausel in Abschnitt 2.5 des Bauträgervertrages entsprechend der Auffassung des Landgerichts - und entgegen derjenigen der Klägerin - so zu verstehen ist, daß die Beklagte als Bauträgerin für Mängel, die sich auf einen mit einem Subunternehmer direkt abgestimmten Sonderwunsch beschränken, nicht gewährleistungspflichtig sein sollte.

Die von der Beklagten als Bauträgerin geschuldete Werkleistung ist nämlich selbst mit einem Mangel i. S. d. § 633 BGB behaftet, und zwar mit einem Koordinationsmangel.

1.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Erwerber mit Zustimmung des Bauträgers Sonderwünsche direkt an die ausführenden Handwerker beauftragt (sog. selbständiger Sonderwunschvertrag, vgl. Baden BauR 1983, 313), kann der vom Bauträger geschuldete Leistungsumfang hiervon dennoch nicht vollständig unberührt bleiben.

Aufgrund der betreuenden Funktion des Bauträgers, seiner "Sachwalterstellung" für den Erwerber, wird vielmehr in Rechtsprechung (OLG Düsseldorf BauR 1995, 854) und Literatur (Mauer, Besonderheiten der Gewährleistungshaftung des Bauträgers, Festschrift für Korbion, 1986, 301 [307 f.]; Vogelheim, Die Behandlung von Sonderwünschen beim Bauträgervertrag, BauR 1999, 117 [119, 122]; Virneburg, Der Sonderwunsch des Erwerbers im Bauträgervertrag, BauR 2004, 1681 [1689]; Locher/ Koeble, Baubetreuungs- und Bauträgerrecht, 4. Aufl., Rn. 482; Basty, Der Bauträgervertrag, 5. Aufl., Rn. 831) befürwortet, ihm auch in dieser vertraglichen Konstellation eine Koordinierungsverpflichtung aufzuerlegen. Sie soll insbesondere darin bestehen, zu überprüfen, ob sich der Sonderwunsch in das Gesamtkonzept der übrigen Bauleistungen störungsfrei einfügen läßt, und ggf. planerische Anweisungen zu geben; die Nichterfüllung dieser Koordinierungspflichten soll zur Bejahung eines Sachmangels führen (vgl. Mauer a. a. O. 308). Ein vereinbarter Gewährleistungsausschluß des Bauträgers für den Sonderwunsch als solchen soll insoweit nicht eingreifen (vgl. Vogelheim a. a. O. 122).

Konkrete Gegenstimmen gegen diese überzeugende Auffassung sind nicht ersichtlich. Insbesondere gibt die vom Landgericht angeführte Stelle bei Werner/ Pastor (Der Bauprozeß, 11. Aufl., Rn. 1039) ohne weitere Differenzierung nur den allgemeinen Grundsatz wieder, daß sich der Erwerber bei einem Mangel des direkt beauftragten Sonderwunsches an den betreffenden Handwerker halten müsse. Auch in der Entscheidung OLG Koblenz NJW-RR 1996, 919 wird lediglich die Mängelhaftung des Handwerkers bejaht, ohne sich zu einer ggf. zusätzlichen gesamtschuldnerischen Haftung des Bauträgers (vgl. Mauer a. a. O. 308) zu verhalten.

Ebenfalls nicht anzunehmen ist regelmäßig eine vollständige Herausnahme des gesamten Gewerks, in dessen Bereich der Sonderwunsch liegt - hier: des gesamten Heizungsgewerks - aus dem Bauträgervertrag (vgl. OLG Celle BauR 1998, 802 [804 f.]). Eine solche wesentliche Abänderung des Bauträgervertrages bedürfte nämlich einer eindeutigen Vereinbarung, die dann naturgemäß auch mit einer deutlichen Preisreduzierung als Ausgleich für das komplett entfallende Gewerk einherginge. Eine derartige Vereinbarung ist hier nicht ersichtlich. Auf eine vollständige Herausnahme des Heizungsgewerks aus dem Vertrag beruft sich die Beklagte auch selbst nicht.

Nach allem bejaht der erkennende Senat - der sich der oben geschilderten Auffassung anschließt - eine Koordinierungspflicht der Beklagten bezüglich der direkt beauftragten Sonderwünsche der Klägerin und ihres Mannes. Diese Koordinierungspflicht bezog sich hier, ähnlich wie in der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (a. a. O. 855), insbesondere auf die Verbindungs- bzw. Schnittstelle zwischen Grundgewerk und Sonderwunsch, und begründete eine Verantwortlichkeit der Beklagten für das störungsfreie Funktionieren beider Bestandteile im Rahmen des Gesamtgewerks.

2.

Um eine solche Schnittstelle zwischen dem Grundgewerk "Radiatorenheizung" und dem Sonderwunsch "Fußbodenheizung", um ein Problem des störungsfreien Zusammenwirkens beider Komponenten, handelte es sich hier.

Die Heizungsanlage im Haus der Klägerin kann deshalb insgesamt nicht ordnungsgemäß funktionieren, weil sie nur einen einzigen Heizkreislauf aufweist. An diesen sind sowohl die Radiatoren als auch die Fußbodenheizung angeschlossen, obwohl die Radiatoren für eine höhere Vorlauftemperatur ausgelegt sind als die Fußbodenheizung. Das führt alternativ entweder dazu, daß die mit Radiatoren bestückten Räume nicht ausreichend erwärmt werden, obwohl die Radiatoren als solche für diese Räume korrekt dimensioniert sind, oder dazu, daß die Fußbodenheizung überhitzt wird und dadurch Schäden eintreten. Dieser Zustand ist von dem Sachverständigen P in dem selbständigen Beweisverfahren 9 OH 16/04 LG Essen festgestellt worden und seither zwischen den Parteien auch nicht streitig. Richtigerweise hätten, wie der Sachverständige im Senatstermin weiter ausgeführt hat, von der vorhandenen Heiztherme ausgehend zwei getrennte Heizkreisläufe für die Radiatorenheizung und für die Fußbodenheizung installiert werden müssen; dabei hätte eine sog. Mischstation im Bereich des Abzweiges des Fußbodenheizungs-Kreislaufs eingebaut werden müssen, durch die das in diesen Kreislauf gelangende Heizwasser auf eine niedrigere, der Fußbodenheizung zuträgliche Vorlauftemperatur heruntergekühlt würde.

Dieser fehlerhafte Zustand läßt sich nicht ohne weiteres einem der beiden Teilbereiche der Heizungsanlage, entweder der Radiatoren- oder der Fußbodenheizung jeweils isoliert betrachtet, eindeutig als Mangel zuordnen. Sieht man den vorhandenen einen Heizkreislauf als solchen der Radiatorenheizung an, so kann diese als solche ordnungsgemäß funktionieren, die Fußbodenheizung läßt sich jedoch nicht schadlos betreiben und wäre bei dieser Betrachtung - von der offenbar das landgerichtliche Urteil ausgeht - mangelbehaftet. Betrachtet man dagegen den Heizkreislauf als der Fußbodenheizung zugehörig, die ja ebenfalls an ihn angeschlossen ist und mit ihm ordnungsgemäß betrieben werden kann (und auch betrieben wird), wäre die Radiatorenheizung mangelhaft, weil sie nicht ausreichend warm wird. Indes ist weder die eine noch die andere Betrachtungsweise sachgerecht, weil aus technischer Sicht eine Zuordnung des Heizkreislaufs zu dem einen oder dem anderen Teilbereich gar nicht möglich ist. Dafür kann es nämlich weder darauf ankommen, ob die Radiatoren oder die Fußbodenheizung zeitlich früher an den Kreislauf angeschlossen worden sind (vgl. OLG Düsseldorf a. a. O. 855), noch darauf, ob die Fa. H den Heizkreislauf subjektiv für den einen oder für den anderen Teilbereich installieren wollte - derartige Gedanken dürfte sie sich gar nicht gemacht haben - bzw. ob sie ihn der Beklagten oder der Klägerin in Rechnung gestellt hat.

Vielmehr ist schlicht anstelle von zwei Heizkreisläufen nur ein Heizkreislauf installiert worden, der dem einen System gleichermaßen dienen könnte wie dem anderen, nur nicht beiden Systemen gleichzeitig. Dies ist ein geradezu typisches Problem des Zusammenwirkens zwischen den beiden, unterschiedlichen Vertragsverhältnissen zuzuordnenden Teilbereichen der Heizungsanlage.

Nach den obigen (1.) Ausführungen oblag die Koordination dieses Zusammenwirkens, ungeachtet der vertraglichen Selbständigkeit des Sonderwunsches, der Beklagten als Bauträgerin. Wie der Sachverständige bestätigt hat, hätte es sich um eine Planungsaufgabe gehandelt, bzw. nachdem ursprünglich eine reine Konvektorenheizung vorgesehen war, um eine Umplanung. Diese hätte eine Wärmebedarfsberechnung umfaßt sowie die technische Einplanung des zweiten Heizkreislaufs einschließlich Mischstation und Pumpe. Ob die Beklagte für diese Koordinationsleistung ein zusätzliches Entgelt hätte verlangen können, spielt für die Frage ihrer Notwendigkeit und damit für den Mangelbegriff keine Rolle; es könnte sich allenfalls um eine Frage von Sowiesokosten handeln (dazu s. unten 5.).

Unerheblich ist für die Koordinationspflicht der Beklagten im vorliegenden Fall die Behauptung der Streithelfer, die Konvektorenheizung sei in den Räumen, in denen sie sich jetzt befinde (KG und DG), ursprünglich gar nicht vorgesehen gewesen, sondern erst nachträglich dort vorgesehen worden, als auch der Sonderwunsch Fußbodenheizung (in EG und OG) vereinbart worden sei. Fraglich ist bereits, ob diese Behauptung in der Berufungsinstanz gemäß § 531 ZPO überhaupt noch zugelassen werden könnte. Jedenfalls aber gehört die Konvektorenheizung dort, wo sie sich jetzt befindet, unstreitig zur Vertragsleistung der Beklagten, mag diese ursprünglich (vgl. Baubeschreibung Pkt. 4.3: "Heizkörper in allen Wohnräumen") oder erst nachträglich vereinbart worden sein.

3.

Die unterbliebene (Um-)Planung und damit die mangelhafte Erfüllung der Koordinationspflicht zwischen eigenem Gewerk und Sonderwunsch hat die Beklagte zwar nicht in eigener Person zu vertreten. Vielmehr handelt es sich um ein Versäumnis der Fa. Grundmann, der die Beklagte die Fachplanung der Heizungsanlage übertragen hat.

Dies ist nicht schon als solches als Eigenverschulden der Beklagten anzusehen. Die Übertragung der heizungstechnischen Planung an ein Fachunternehmen wie die Fa. H - also ohne Einschaltung eines zusätzlichen Fachingenieurs - ist, wie der Sachverständige P dargelegt hat, bei überschaubaren Objekten dieser Größenordnung üblich; Bedenken hat er hiergegen nicht geäußert.

Die Beklagte hat sich jedoch die Fehler der Fa. H gemäß § 278 BGB zurechnen zu lassen, ohne daß es darauf ankäme, ob sie selbst die Versäumnisse hätte vorhersehen oder durch Überwachung - z. B. durch die von ihr beauftragten Architekten, die Streithelfer - hätte erkennen können. Da die oben ausgeführte Koordinationspflicht der Beklagten eine Planungsaufgabe darstellte, ist die Fa. H, an die sie die Planung des Gewerks als ganze delegiert hat, auch bezüglich dieser Koordinationspflicht als ihre Erfüllungsgehilfin anzusehen.

Zuzurechnen ist der Beklagten auch die Kenntnis der Fa. H davon, daß überhaupt ein Sonderwunsch beauftragt war, und von den Einzelheiten dieser Beauftragung. Die Beklagte hatte nämlich nicht nur die Fachplanung für das Heizungsgewerk vollständig an die Fa. H delegiert, sondern auch in ihrem Bauträgervertrag ausdrücklich vorgesehen, daß die Sonderwünsche zwischen den Erwerbern und der Fa. H selbständig abgestimmt werden sollten. Die Fa. H erlangte dadurch im Hinblick auf die Koordinationspflicht der Beklagten die Stellung eines sog. Wissensvertreters entsprechend § 166 Abs. 1 BGB. Aus diesem Grund kann sich die Beklagte auch mit dem Argument, sie habe selbst keinen Einblick in die Detailvereinbarungen zwischen der Klägerin und der Fa. H gehabt, nicht entlasten. Darüber hinaus war der Sonderwunsch aber zumindest als solcher der Beklagten auch selbst bekannt, weil die Klägerin ihn ordnungsgemäß entsprechend dem Bauträgervertrag angezeigt hatte.

4.

Einer befristeten Mangelbeseitigungsaufforderung mit Ablehnungsandrohung (§ 634 Abs. 1 S. 1 a. F. BGB) bedurfte es nicht, weil die Beklagte ihre Einstandspflicht ernsthaft und endgültig ablehnt.

5.

Die Höhe der geltend gemachten Mängelbeseitigungskosten entspricht der nachvollziehbaren Ermittlung in dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen P. Sie ist von der Beklagten nur in bezug auf die Höhe der sog. Sowiesokosten angegriffen worden, d. h. derjenigen Kosten, die die Klägerin und ihr Mann auch dann, wenn die Heizungsanlage von vornherein mangelfrei erstellt worden wäre, hätten selbst tragen müssen. Daß die Beklagte in diesem Punkt beanstandet, die Klägerin habe die von der Fa. H erhaltene Rechnung für den Sonderwunsch nicht vorgelegt, ist jedoch unsubstantiiert. Mit den Kosten, die für einen zweiten Heizkreislauf pp. zusätzlich angefallen wären, wenn er schon damals ordnungsgemäß installiert worden wäre, steht diese Abrechnung nämlich in keinem ersichtlichen Zusammenhang. Im übrigen hat die Klägerin die Rechnung im Senatstermin auch vorgelegt; dem Sachverständigen hat sie keinen Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung des Mängelbeseitigungsaufwandes gegeben. Erhöhte Sowiesokosten sind im Ergebnis auch nicht aufgrund des Umstandes, daß die unterbliebene Koordinierung/Umplanung ein zusätzliches Entgelt gerechtfertigt hätte, anzusetzen. Da bei überschaubaren Objekten wie diesen die Fachplanung nach Angabe des Sachverständigen P regelmäßig von der Heizungsbaufirma miterledigt wird, ist davon auszugehen, daß sie in dem von ihm ermittelten Sowiesokostenbetrag bereits mitenthalten ist.

Gerechtfertigt ist auch die Position von 80,00 € nebst MWSt. für die Beseitigung von Undichtigkeiten. Die Ersatzfähigkeit dieser Position steht als solche außer Zweifel; insbesondere hätte sie selbst vom Standpunkt des Landgerichts aus gesehen nicht (teilweise) davon abhängig gemacht werden dürfen, ob die fraglichen Arbeiten bei der Sanierung der Fußbodenheizung ohnehin anfallen würden. Ferner hat der Sachverständige die Behauptung der Beklagten, die Undichtigkeit sei bereits im Rahmen seiner Ortsbesichtigung beseitigt worden, nicht bestätigt.

Der Feststellungsantrag ist begründet, weil die Entstehung weiterer Schäden im Rahmen der Mängelbeseitigung möglich ist.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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