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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.10.2007
Aktenzeichen: 21 U 80/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 130 Nr. 6
ZPO §§ 233 ff.
ZPO § 338 S. 2
ZPO § 339 Abs. 1
ZPO § 340 Abs. 3 S. 4
BGB § 187 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.3.2007 verkündete Schlußurteil des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich der durch die zurückgenommene Anschlußberufung verursachten Kosten - haben je zur Hälfte der Kläger und die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil das Landgericht den Einspruch des Klägers gegen das Teil-Versäumnis- und Schlußurteil vom 4.1.2007 zu Recht als verspätet und damit unzulässig verworfen hat.

1.

Die Frist für den Einspruch gegen das Versäumnisurteil ist durch seine Zustellung an den Klägervertreter am 13.2.2007 in Lauf gesetzt worden und endete folglich gemäß §§ 339 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf des 27.2.2007. Die Ingangsetzung der Einspruchsfrist wurde insbesondere nicht dadurch gehindert, daß das Versäumnisurteil möglicherweise ohne den seit 2005 vorgeschriebenen Hinweis auf die Einspruchsmöglichkeit, das zuständige Gericht und die einzuhaltende Frist und Form (§ 338 S. 2 ZPO) übersandt worden ist. Der Senat folgt in diesem Punkt der einhelligen Auffassung (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., Rn. 4 zu § 338; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., Rn. 2 zu § 338), die in Literatur und Rechtsprechung auch für die weitere, bereits früher geltende Hinweisvorschrift des § 340 Abs. 3 S. 4 ZPO unangefochten besteht (vgl. OLG Köln VersR 1998, 1302; OLG Karlsruhe Justiz 1983, 409; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., Rn. 8 zu § 340; Stein/Jonas/ Grunsky Rn. 9 zu § 340). Danach hindert eine unterbliebene Belehrung nur die Ingangsetzung der Einspruchsbegründungsfrist, nicht jedoch die der Einspruchsfrist.

Die dagegen gerichtete Argumentation des Klägers mit dem europarechtlichen Hintergrund des neuen § 338 S. 2 ZPO vermag nicht zu überzeugen. Mit der Vorschrift wird ein Erfordernis umgesetzt, das die EU-Vollstreckungstitel-Verordnung für die Bestätigung von Versäumnisentscheidungen als "Europäischer Vollstrekkungstitel", welcher dann ohne weiteres innerhalb der EU vollstreckt werden kann, aufgestellt hat. Sie dient damit - wie auch der Klägervertreter selbst anführt - dem Schutz der Bürger im grenzüberschreitenden Verkehr, d. h. dort, wo ihnen die Rechtsverteidigung durch mutmaßliche Unkenntnis ausländischer Verfahrensordnungen in besonderem Maße erschwert ist. Deshalb besteht kein Anlaß, einen Verstoß gegen die Hinweispflicht auch für den reinen Inlandsverkehr mit Konsequenzen auszustatten, die im Zivilprozeßrecht bisher nicht vorgesehen waren.

2.

Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis (vgl. Zöller/Stöber/Greger Rn. 2 vor § 230), daß der Einspruch vor dem Ablauf des 27.2.2007 bei Gericht eingegangen ist, nicht geführt.

a)

Wird ein bestimmender Schriftsatz wie hier per Telefax übermittelt, so ist er nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann rechtzeitig eingegangen, wenn er von dem Faxgerät des Gerichts empfangen worden ist (vgl. BGH NJW 2006, 2263), und zwar vollständig einschließlich der erforderlichen Unterschrift (vgl. BGH NJW 2005, 2086).

In der zuletzt zitierten Entscheidung hat der BGH daran festgehalten, daß das Unterschriftserfordernis gemäß § 130 Nr. 6 ZPO - entgegen der Auffassung des Klägers - als Mußvorschrift anzusehen ist. Dabei soll selbst in dem hier nicht vorliegenden Fall eines Computerfaxes zumindest eine eingescannte Unterschrift erforderlich sein, um die notwendige Verläßlichkeit der Eingabe und damit Rechtssicherheit zu gewährleisten. Bei einem normalen Fax wie hier, wo die Übermittlung einer realen Unterschrift problemlos möglich ist, kann deshalb erst recht nicht auf sie verzichtet werden.

Daß es für die Beurteilung, ob ein Schriftsatz den notwendigen Inhalt hat, nur auf den rechtzeitig eingegangenen Teil ankommt, entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2004, 2525; 2003, 3487; 1994, 2097).

b)

Daß die Einspruchsschrift einschließlich der letzten Seite, auf der sich die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten befand, noch vor Mitternacht von dem Faxgerät des Landgerichts Essen empfangen worden sein muß, hat die Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Gewißheit ergeben.

aa)

Sowohl der Empfangsvermerk des Faxgerätes der Geschäftsstelle der XX. Zivilkammer als auch die Sendevermerke und der Sendebericht des Faxgerätes der Rechtsanwaltskanzlei K. pp. lassen die Möglichkeit offen, daß der Übermittlungsvorgang um 0 Uhr 0 Minuten und 0 Sekunden noch nicht beendet war:

- Die von dem Empfangsfaxgerät auf die letzte Seite aufgebrachte Zeitangabe "0.12" ist zwar unzweifelhaft falsch, weil die Uhr des Gerätes nach den nachträglichen Ermittlungen des Landgerichts vorging. Daraus ist aber nicht der Schluß zu ziehen, daß die tatsächliche Empfangszeit vor 0.00 Uhr gelegen haben müßte. Dafür ist im Ergebnis unerheblich, ob das Landgericht das Ausmaß der Gangabweichung, wie geschehen, linear auf den fraglichen Tag zurückrechnen und auf diese Weise auf 11:28 bis 11:32 Minuten eingrenzen durfte. Denn jedenfalls kann nicht umgekehrt positiv festgestellt werden, daß die Uhr am fraglichen Tag noch weiter vorgegangen wäre als vom Landgericht errechnet, d. h. mehr als 12 Minuten.

- Der Sendebericht der Kanzlei K. pp. weist die Uhrzeit "23.59", eine Übertragungsdauer von 52 Sekunden und den Ausdruckzeitpunkt des Berichts als solchen mit "0.00" aus. Das spricht dafür, daß mit der Uhrzeit "23.59" der Sendebeginn gemeint ist; mangels Sekundenangabe kann nicht ausgeschlossen werden, daß der genaue Beginn nach 23 Uhr 59 Minuten 08 Sekunden lag und die Übermittlung folglich erst nach Mitternacht abgeschlossen war. Daß die auf die einzelnen Seiten aufgebrachten Sendefaxleisten sämtlich die Uhrzeit "23.59" zeigen, besagt nichts Gegenteiliges, denn auch bezüglich einer einzelnen Seite - hier insbesondere der letzten - kann der Übertragungsbeginn durchaus noch vor Mitternacht gelegen haben, der vollständige Empfang beim Landgericht hingegen danach.

bb)

Einen Einzelverbindungsnachweis der Telekom, mit dem die fristgerechte Übermittlung hätte nachgewiesen werden können (vgl. BGH NJW 2003, 3487), vermochte der Kläger auch auf Hinweis des Senats nicht beizubringen.

cc)

Die bestehenden Zweifel konnten schließlich auch nicht durch die Aussage des damaligen Prozeßbevollmächtigten und Einspruchsverfassers, des Zeugen I, ausgeräumt werden. Der Zeuge hat als von ihm konkret abgelesene Uhrzeit nur den Zeitpunkt "23.57" angeben können, die sein Computer zu Beginn des Ausdrucks des Schriftsatzes angezeigt habe. Selbst wenn man dabei als richtig zugrundelegt, daß die Uhr des Computers sekundengenau ging, wäre hierbei als erster Unsicherheitsfaktor bereits eine fehlende Sekundenanzeige zu nennen. Vor allem aber ist der Zeitpunkt des Druckbeginns für den Zeitpunkt des Abschlusses der darauffolgenden Faxübertragung kaum aussagekräftig. Dazwischen liegen der Druckvorgang, der je nach Art des Druckers unterschiedlich lange dauern kann, die Unterzeichnung des Schriftsatzes, der Gang zum Faxgerät, das Einlegen des Schriftsatzes, das Wählen der Faxnummer des Empfängers und schließlich der Übermittlungsvorgang selbst. Da letzterer lt. Sendebericht bereits 52 Sekunden in Anspruch genommen hat, hätten alle anderen o. g. Vorgänge zusammen, je nachdem wann genau zwischen 23.57:00 und 23.57:59 Uhr der Ausdruck begonnen wurde, in insgesamt 1:09 bis 2:08 Minuten stattgefunden haben müssen, um zur Rechtzeitigkeit zu gelangen. Das ist nicht mit hinreichender Gewißheit feststellbar.

Des weiteren hat der Zeuge gemeint, auch auf seine Armbanduhr gesehen zu haben, wobei er dort jedoch keine von 23.57 Uhr abweichende Ablesung bekundet hat und die Armbanduhr eine sichere minutengenaue Ablesung im übrigen auch nicht zuließ.

3.

Schließlich hätte dem Kläger auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die (nicht widerlegte) Versäumung der Einspruchsfrist gewährt werden müssen. Eine schuldlose Versäumung hätte nämlich wiederum einen rechtzeitigen Sendebeginn vorausgesetzt (vgl. dazu BGH NJW 2005, 678; NJW-RR 2001, 916), der bei einem dreiseitigen Telefax zumindest vor 23.59:00 Uhr hätte liegen müssen. Da der Kläger nach den obigen Ausführungen aber schon einen Sendebeginn vor 23.59:08 Uhr nicht beweisen konnte, kann erst recht ein noch früherer Sendebeginn, der auch seinem eigenen Sendebericht widerspräche, nicht festgestellt und auch nicht als glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 S. 1 ZPO) angesehen werden. Eine echte Herabsetzung des Beweismaßes gewährt der Begriff der Glaubhaftmachung nämlich im Bereich der §§ 233 ff. ZPO nicht; vielmehr ist die Wiedereinsetzung schon dann zu versagen, wenn auch nur die Möglichkeit eines Verschuldens offenbleibt (vgl. BGH NJW 1996, 319; 1992, 574).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1 entsprechend, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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