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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 10.03.2005
Aktenzeichen: 21 W 12/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
BGB § 661 a
1. Falls absehbar ist, dass die Vollstreckung gegen eine im Ausland ansässige Briefkastenfirma keinen Erfolg haben kann, ist zu erwägen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung als mutwillig i.S.v. § 114 ZPO anzusehen.

2. Für die Klage aus einer Gewinnzusage eines ausländischen Unternehmens, die an einen im Inland ansässigen Verbraucher gerichtet ist, besteht nach dem EuGVVO grundsätzlich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

3. Eine Gewinnzusage liegt nicht schon dann vor, wenn durch drucktechnische Maßnahmen bestimmte Passagen eines Fließtextes, die für sich allein als Gewinnzusage verstanden werden könnten, reißerisch hervorgehoben sind, während dem Gesamttext ein solcher Inhalt nicht entnommen werden kann.


Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe: Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Landgericht hat ihr die für die beabsichtigte Klage auf Auszahlung einer Gewinnzusage nach § 661 a BGB nachgesuchte Prozeßkostenhilfe zu Recht verweigert. 1. Es kann dahinstehen, ob Prozeßkostenhilfe bereits deshalb nicht bewilligt werden kann, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint. Das OLG Dresden (NJW-RR 2004, 1078) nimmt dies mit beachtlichen Gründen zumindest dann an, wenn sich die Klage gegen eine im Ausland ansässige Briefkastenfirma richten soll und der Antragsteller die nach Meinung des OLG Dresden generell gerechtfertigte Vermutung, eine Vollstreckung werde nicht möglich sein, durch konkreten, einen Ausnahmefall rechtfertigenden Vortrag nicht erschüttert hat (s. allerdings die Prozeßkostenhilfe bewilligenden Entscheidungen OLG Oldenburg MDR 2004, 930 und OLG Celle, Beschluß vom 06.12.2002 - 8 W 273/02). 2. Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin besteht eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Maßgeblich hierfür ist die "Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (EuGVVO), die am 01.03.2002 in Kraft getreten ist (Art. 66 Abs. 1, 76 EuGVVO). Die Klage aus einer Gewinnzusage kann gem. Art. 15 Abs. 1 c, 16 EuGVVO auch dann im Gerichtsstand des Verbrauchers erhoben werden, wenn nicht gleichzeitig eine Warenbestellung erfolgt. Sähe man dies anders, folgte die internationale Zuständigkeit jedenfalls aus dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO (s. OLG Stuttgart MDR 2003, 350; zur Rechtslage nach dem früher anwendbaren EuGVÜ s. im Übrigen BGH NJW 2003, 426; BGH NJW 2004, 3039; BGH WRP 2005, 252). 3. Der geltend gemachte Anspruch dürfte - auch wenn man keine entsprechende Rechtswahl der Parteien annimmt - nach deutschem materiellem Recht zu beurteilen sein, weil es sich bei der gebotenen weiten Auslegung bei einer Gewinnzusage um einen Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 EGBGB handelt (s. OLG Hamm NJW-RR 2003, 17) bzw. Art. 40 Abs. 1 EGBGB (unerlaubte Handlung) anwendbar ist. 4. Die Antragsgegnerin ist auch als Senderin der Mitteilung im Sinne von § 661 a BGB anzusehen. Sender ist auch ein solches Unternehmen, das - wie hier die Antragsgegnerin - einem Verbraucher unter einem nicht existierenden oder falschen Namen ein Gewinnschreiben zukommen läßt (BGH NJW 2004, 3555; BGH WRP 2005, 252). 5. Dennoch bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO. Eine Gewinnzusage im Sinne von § 661 a BGB, die, ohne daß der Empfänger weitere Maßnahmen ergreifen muß, bereits mit ihrem Zugang wirksam wird (s. OLGR Saarbrücken 2004, 576; Lorenz NJW 2000, 3305, 3307), setzt voraus, daß die Mitteilung aus objektivierter Empfängersicht nach Inhalt und Gestaltung abstrakt geeignet ist, bei einem durchschnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers den Eindruck zu erwecken, er werde einen - bereits gewonnenen - Preis erhalten (BGH NJW 2004, 1652). Dabei ist nicht auf einen besonders mißtrauischen, aufgeklärten Verbraucher abzustellen, sondern darauf, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher die Mitteilung nach ihrem Gesamteindruck auffassen muß (Kammergericht, Urteil vom 21.06.2004 - 8 U 10/04; OLG Celle, Urteil vom 02.12.2004 - 11 U 151/04; OLGR Saarbrücken 2003, 55; OLGR Frankfurt 2002, 168). An versteckter Stelle in einer Gewinnzusage enthaltene Bedingungen, die den Gewinn, der ansonsten als bereits eingetreten dargestellt wird, von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig machen, stehen einem Anspruch des Verbrauchers nicht entgegen (OLGR Celle 2004, 453; OLGR Karlsruhe 2004, 417; OLGR Saarbrücken 2004, 576; OLG Stuttgart MDR 2003, 350; OLG Hamm MDR 2003, 17). Andererseits kann von einem durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden, daß er nicht nur reißerisch durch größere Schrifttypen drucktechnisch hervorgehobene Passagen zur Kenntnis nimmt, sondern auch die Sätze des Fließtextes liest, die sich kleiner gedruckt zwischen den hervorgehobenen Sentenzen befinden. § 661 a BGB gewährt nicht schon dem Verbraucher einen Anspruch auf einen Preis, der bei lediglich flüchtiger Kenntnisnahme den Eindruck hätte gewinnen können, er habe bereits gewonnen (s. auch OLGR Celle 2004, 453). Wenngleich § 661 a BGB bezweckt, unerwünschten Geschäftspraktiken entgegenzuwirken, gilt dies auch dann, wenn es der Sender darauf angelegt hat, daß seine Mitteilung von einem Verbraucher, der das Schreiben nur oberflächlich betrachtet, mißverstanden werden kann. Aus dem hier verwandten Mitteilungstext ging hinreichend deutlich hervor, daß der nach Darstellung der Antragsgegnerin angeblich ausgeschriebene Hauptgewinn von 65.000,00 € noch nicht vergeben war. Soweit die Antragstellerin in dem Schreiben schon als Gewinnerin bezeichnet worden ist, bezog dies - wie aus den nachfolgend zitierten Passagen hervorgeht - lediglich auf einen anderen nicht bezifferten "Bargeldpreis": Warum lacht Ihnen das Glück zu? Weil von den drei Auserwählten auf nebenstehender Namensliste, die in der heutigen J-Promotion wahrscheinlich einen bemerkenswerten Preis gewonnen haben, Sie die einzige Gewinnerin sind! Das wird bestätigt! 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Dank der persönlichen Nummer... hat Frau I gewonnen: einen Bargeldpreis Falls auf Ihre persönliche und einmalige Nummer der Hauptgewinn gefallen ist und Sie uns Ihr Teilnahmeformular und den Gewinnannahmeschein mit der aufgeklebten Gewinnzahl innerhalb der nächsten 48 Stunden zurückschicken, dann garantiert J Ihnen den Erhalt des Hauptgewinns i. H. V. 65.000,00 €. Die reißerische Hervorhebung einzelner Sätze dieses Textes, die für sich allein dahin ausgelegt werden könnten, ein Gewinn von 65.000,00 € sei bereits eingetreten, führt nicht dazu, daß diese - aus dem Zusammenhang herausgerissen - als allein maßgeblich betrachtet werden können. Auch im Zusammenhang mit den zusätzlich übersandten Formularen ergibt sich nichts anderes. Soweit es in einer "aktuellen Mitteilung" heißt, der Gewinn werde bei kurzfristiger Rücksendung um 20.000,00 € erhöht, ist die Antragstellerin auch darin lediglich als Gewinnerin eines unbezifferten Bargeldpreises bezeichnet, während der Gewinn des Hauptpreises von 65.000,00 € nebst Erhöhung von 20.000,00 € wie folgt als fraglich dargestellt wird: Die Unterzeichneten erklären hiermit, daß der Inhaber des Dokuments als Gewinner eines Bargeldpreises anerkannt worden ist. Wenn er/sie überdies der Gewinner des Hauptgewinns von 65.000,00 € ist und uns das Teilnahmeformular und den Gewinnannahmeschein mit angeheftetem Extra-Gewinnbonus innerhalb von 24 Stunden zuschickt, wird der Gewinn um 20.000,00 € erhöht werden. Unter diesen Umständen durfte ein durchschnittlicher Verbraucher bei einer Gesamtbewertung auch aus dem Text, der sich neben dem als drittes Dokument übersandten "Gewinnannahmeschein" befand und der die oben geschilderten Einschränkungen bei einer Einzelbetrachtung nicht erkennen ließ, den Eindruck eines bereits eingetretenen Gewinns von 65.000,00 € nicht gewinnen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 127 Abs. 4, 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Nr. 1811 der Anlage 1 zum GKG.

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