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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: 21 W 6/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 269 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 494 a Abs. 1
ZPO § 494 a Abs. 2
ZPO § 494 a Abs. 2 Satz 1
ZPO § 494 a Abs. 2 Satz 2
ZPO § 569 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 20. Dezember 2004 gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 24. November 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin war für die Antragsgegnerin als Generalunternehmerin für das Bauvorhaben ... in ... tätig. Ihre Aufgabe bestand darin, für die Beklagte acht Doppelhaushälften zu errichten, die durch die Antragsgegnerin veräußert wurden. Die Antragsgegnerin behauptete nach Fertigstellung der Arbeiten, der Untergrund der Außenstellplätze im Bereich der Hausen ... sei schadhaft. Sie forderte die Antragstellerin zur Mangelbeseitigung auf. Die Antragsstellerin bestritt ihre Verantwortlichkeit für etwaige Mängel und nahm keine Mangelbeseitigungsarbeiten vor. Die Erwerber der Häuser drängten gegenüber der Antragsgegnerin auf Beseitigung der Mängel. Die Antragsgegnerin kündigte der Antragstellerin deshalb nach einiger Zeit an, sie werde die Mängel im Wege der Ersatzvornahme beseitigen lassen. Außerdem hielt die Antragsgegnerin wegen der behaupteten Mängel einen Teil der Vergütung der Antragstellerin ein.

Die Antragsstellerin hat am 14.1.2004 zur Feststellung der Ursachen für die Mängel die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt. In der Antragsschrift trägt die Antragstellerin vor, dass die Antragsgegnerin ihr gegenüber die Ersatzvornahme durch eine Drittfirma angekündigt habe. Die Antragstellerin hat außerdem Klage auf Zahlung ihres restlichen Vergütungsanspruchs erhoben.

Mit Schriftsatz vom 21.1.2004 hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin den Untergrund der Außenstellplätze durch eine Fremdfirma habe bearbeiten lassen. Ein Sachverständiger könne die Beweisfragen deshalb nicht mehr beantworten. Aus diesem Grunde nehme sie den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zurück. Später hat die Antragstellerin auch die Klage auf Zahlung des Restwerklohns zurückgenommen.

Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.11.2004 der Antragsstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt, mit der Begründung, nach Rücknahme der Klage in der Hauptsache sei eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren zulässig. Der Antragstellerin seien die Kosten entsprechend § 494 a Abs. 2 ZPO aufzuerlegen.

Gegen diesen, der Antragstellerin am 10.12.2004 zugestellten Beschluss, hat die Antragstellerin mit am 23.12.2004 eingegangenen Schriftsatz das zulässige Rechtsmittel eingelegt. Sie begehrt die Abänderung des Beschlusses dahin, dass der Antragsgegnerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt werden. Zur Begründung trägt sie vor, sie habe das selbständige Beweisverfahren für erledigt erklärt, nachdem die Antragsgegnerin den Beweis vereitelt habe. Der Antragsgegnerin seien deshalb entsprechend § 91 a ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH, IBR 2005, 64 = BauR 2005, 133 ff., wonach der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren nach Antragsrücknahme stets die Kosten entsprechend § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO tragen müsse.

II.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin ist als sofortige Beschwerde zulässig.

Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist in entsprechender Anwendung des § 494 a Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft, da das Landgericht seine Entscheidung auf die entsprechende Anwendung des § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO gestützt hat. Die Beschwerde ist innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens der Antragstellerin auferlegt. Das Landgericht hatte auf Antrag der Antragsgegnerin eine Kostenentscheidung zu treffen. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt jedoch weder eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung des § 494 a Abs. 2 Satz 2 ZPO (dazu 1.) - wie das Landgericht dies bejaht hat - noch die entsprechende Anwendung des § 91 a ZPO (dazu 2.) - wie die Antragstellerin meint - in Betracht. Vielmehr ist eine Kostenentscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (dazu 3.) zu treffen.

1.

§ 494 a Abs. 2 Satz 2 ZPO kommt in unmittelbarer Anwendung als Rechtsgrundlage für eine Kostenentscheidung nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vorliegen. Nach dieser Norm ist ausnahmsweise eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren zulässig, wenn dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners nach Beendigung der Beweiserhebung vergeblich eine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.

Eine entsprechende Anwendung des § 494 a Abs. 2 Satz 2 ZPO ist nicht geboten. Es liegt zwar eine planwidrige Regelungslücke vor, da der Gesetzgeber keine Rechtsgrundlage für eine Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme im selbständigen Beweisverfahren geschaffen hat, obwohl hierfür jedenfalls dann ein Bedürfnis besteht, wenn ein Hauptsacheverfahren - wie hier - nach Klagerücknahme nicht mehr anhängig ist. Die Regelungslücke ist jedoch nicht durch entsprechende Anwendung des § 494 a Abs. 2 Satz 2 ZPO sondern durch analoge Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (dazu 3.) zu schließen, weil der Regelungsbereich der Vorschrift über die Klagerücknahme dem der Antragsrücknahme im selbständigen Beweisverfahren deutlich näher steht, als der Sonder- und Ausnahmefall des § 494 a Abs. 1 ZPO. Sowohl bei der Klagerücknahme als auch bei der Rücknahme des Antrags im selbständigen Beweisverfahren ist es im Regelfall sachgerecht, das derjenige die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, der seinen Antrag zurücknimmt (BGH, BauR 2005, 133 ff.).

2.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kommt auch § 91 a ZPO in entsprechender Anwendung als Rechtsgrundlage für eine Kostenentscheidung hier nicht in Betracht. Da die Antragsgegnerin einer Erledigung nicht zugestimmt hat, liegen keine beiderseitigen Erledigungserklärungen im Sinne der Vorschrift vor.

Eine Kostenentscheidung aufgrund einseitiger Erledigungserklärung der Antragstellerin kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es kann dabei dahinstehen, ob die Erklärung der Antragsrücknahme durch die Antragstellerin unter Berücksichtigung ihres weiteren Vertrags überhaupt als einseitige Erledigungserklärung ausgelegt werden kann. Jedenfalls ist das auf eine Kostenentscheidung und auf Verfahrensbeendigung gerichtete Verfahren nach einseitiger Erledigung des Rechtsstreits im selbständigen Beweisverfahren nicht zulässig (BGH, BauR 2005, 133 ff.).

3.

Nimmt der Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren seinen Antrag vor der Beweiserhebung zurück und ist kein Hauptsacheverfahren (mehr) anhängig, ist auf Antrag eine Kostenentscheidung entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auszusprechen (BGH, BauR 2005, 133 ff.; OLG Düsseldorf, BauR 2002, 350; OLG Köln, OLGR 2001, 355). Der Antragsgegner hat in diesem Fall ein schützenswertes Interesse an einer sofortigen Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren (vgl. Nothoff, JurBüro 1998, 61 f.). Er kann nämlich mangels Durchführung der Beweiserhebung nicht gemäß § 494 a Abs. 1 ZPO ein Hauptsacheverfahren herbeiführen. Ihn auf die Durchsetzung eines materiellrechtlichen Kostenanspruchs zu verweisen, wäre nicht sachgerecht (BGH, BauR 2005, 133 ff.).

Die Antragstellerin hat hier die Antragsrücknahme entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO und nicht - wie sie behauptet - die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Hierfür spricht zum einen der Wortlaut ihrer Prozesserklärung. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat ausdrücklich erklärt, dass sie den Antrag zurücknehme. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass eine Kostenentscheidung nach einseitiger Erledigung im selbständigen Verfahren unzulässig ist. Deshalb ist eine einseitige auf Beendigung des Verfahrens und auf Entscheidung über die Kosten gerichtete Prozesserklärung des Antragstellers unabhängig von ihrer genauen Bezeichnung und näheren Begründung als Antragsrücknahmeerklärung aufzufassen (vgl. BGH, BauR 2005, 133 ff.; KG, BauR 2002, 1735 f.).

Nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO waren die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen. Nach Rücknahme des Antrags sind die Kosten im Regelfall dem Antragsteller aufzuerlegen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Antragsgegner aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Hier liegt kein anderer Grund vor, der es rechtfertigen könnte, die Kosten des Verfahrens ausnahmsweise der Antragsgegnerin aufzuerlegen, wobei offen bleiben kann, ob bei der Frage, ob ein anderer Grund vorliegt, überhaupt die Berücksichtigung eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs oder von sonstigen Ermessenserwägungen zulässig ist (für die Berücksichtigung ist Schneider, JurBüro 2002, 509; dagegen: Bonifacio, MDR 2002, 499; offen gelassen von BGH, IBR 2005, 64). Selbst wenn man die Möglichkeit der Berücksichtigung eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs oder von Ermessenserwägungen unterstellt, liegt hier kein Grund vor, der es rechtfertigen würde, die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Einziger Anknüpfungspunkt für solch einen Grund könnte sein, dass die Beweiserhebung dadurch unmöglich geworden ist, dass die Antragsgegnerin den Untergrund der Außenstellplätze nach Antragstellung durch eine Fremdfirma hat bearbeiten lassen. Dies rechtfertigt es indes nicht, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Weder ist ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin hierdurch begründet worden noch gebieten sonstige Ermessenerwägungen deshalb eine abweichende Kostenregelung. Das Verhalten der Antragsgegnerin stellt nämlich keine Beweisvereitelung dar. Vielmehr stand die Antragsgegnerin aufgrund des Mangelbeseitigungsverlangens der Erwerber der Grundstücke unter Zeitdruck und war deshalb berechtigt, die Mangelbeseitigung vorzunehmen. Hiervon hatte die Antragstellerin auch Kenntnis. Deshalb ist es hier auch unter Berücksichtigung von Ermessenerwägungen sachgerecht, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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