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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 22 U 105/00
Rechtsgebiete: BGB, WoBindG


Vorschriften:

BGB § 325
BGB § 326
BGB § 434
BGB § 439
BGB § 440 1
WoBindG § 8 II 2
Leitsatz:

1. Unterliegt das Hausgrundstück bei Vertragsschluss der Mietpreisbindung nach dem Wohnungsbindungsgesetz, so ist dem Verkäufer eine Mangelbeseitigung wegen der Nachwirkungsfrist (§ 16 WoBindG) in aller Regel unmöglich mit der Folge, dass der Käufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 325 BGB verlangen kann und es einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 326 I BGB) nicht bedarf.

2. Weiß der Käufer bei Vertragsschluss, dass das zu erwerbende Hausgrundstück mit "WfA-Mitteln" finanziert ist, so lässt sich allein aus diesem Umstand eine Kenntnis des Käufers vom Rechtsmangel (Mietpreisbindung) nicht herleiten.

3. Eine Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 8 II 2 WoBindG besteht auch gegenüber dem nicht privilegierten Mieter.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 105/00 OLG Hamm 16 O 223/99 LG Münster

Verkündet am 15. Februar 2001

Oberdorf, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann, den Richter am Oberlandesgericht Aschenbach und den Richter am Amtsgericht Klein

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 14.04.2000 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 31.818,78 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 06.05.1999 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, die Kläger von folgenden Zinsansprüchen des Herrn, berechnet bis zum 21.04.1999, freizustellen:

4 % Zinsen aus 489,16 DM seit dem 05.12.1994, aus weiteren 489,16 DM seit dem 04.01.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.02.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.03.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.04.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.05.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.06.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.07.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.08.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.09.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 04.10.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.11.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.12.1995, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.01.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.02.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.03.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.04.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.05.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.06.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.07.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.08.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.09.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.10.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.11.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.12.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.01.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.02.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.03.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.04.1997,

aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.05.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.06.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.07.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.08.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.09.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.10.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.11.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.12.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.01.1998, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.02.1998, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.03.1998,

Der Beklagte wird ferner verurteilt, die Kläger von folgenden Zinsansprüchen des Herrn , berechnet bis zum 21.04.1999, freizustellen:

4 % Zinsen aus 489,16 DM seit dem 05.02.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.03.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.04.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.05.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.06.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 03.07.1996, aus weiteren 489,16 DM seit dem 05.08.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.09.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.10.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.11.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.12.1996, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.01.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.02.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.03.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.04.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.05.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.06.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.07.1997,

aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.08.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.09.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.11.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 03.12.1997, aus weiteren 476,90 DM seit dem 05.01.1998, aus weiteren 476,90 DM seit dem 04.02.1998, und aus weiteren 476,90 DM vom 04.03.1998.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Kläger erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 21.09.1994 von dem Beklagten ein Mehrfamilienhausgrundstück. Mit der Klage machen sie Schadensersatzansprüche wegen einer bei Vertragsschluss bestehenden Mietpreisbindung des Objektes geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat im Wesentlichen Erfolg.

II.

Die Kläger haben nach §§ 440 I, 434, 325 BGB gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 31.818,78 DM.

1.

Die bei Eigentumsübergang als dem maßgeblichem Zeitpunkt (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 60. Aufl., § 434 Rn. 3) bestehende Sozialbindung stellt nach std. Rspr. einen Rechtsmangel (5 434 BGB) dar (vgl. BGH NJW 2000, 1256 = MDR 2000, 510 m.w.N.; OLG Köln NJW-RR 1992, 1099 [1100]; Senat MDR 1997, 344), denn die Wohnungsbindung schränkt den Eigentümer in seinen rechtlichen Befugnissen ein, sowohl was die Eigennutzung (§ 6 WoBindG) als auch was die Fremdnutzung (§§ 4 ff WoBindG) angeht (BGH aaO).

2.

Die Haftung für Rechtsmängel ist vertraglich nicht ausgeschlossen. Der Gewährleistungsausschluss in § 3 des Kaufvertrages erfasst nur Sachmängel, während der Beklagte in § 4 ausdrücklich zusichert, dass Rechte Dritter außerhalb des Grundbuchs nicht bestehen.

3.

Eine die Haftung der Beklagten ausschließende Kenntnis der Kläger von diesem Rechtsmangel bei Vertragsschluss (§ 439 BGB) konnte nicht festgestellt werden.

a)

Eine solche Kenntnis lässt sich nicht aus dem Umstand herleiten, dass die Kläger bei Vertragsschluss wussten, dass "WfA-Darlehen" zur Finanzierung verwandt worden waren, die in einer Größenordnung von ca. 80.000,00 DM bis 90.000,00 DM noch valutierten. Die Kläger haben unwiderlegt angegeben, dass ihnen weder die Bedeutung der Abkürzung "WfA" noch die Bedeutung des Kredites und insbesondere eine sich daraus ergebende Wohnungsbindung bekannt gewesen seien. Sie hätten nur gewusst, dass es sich bei den WfA-Mitteln um einen besonders günstigen Kredit handele.

Allein die Kenntnis, dass eine Finanzierung mit "WfA-Mitteln" vorlag, reicht zur Annahme einer Kenntnis von der bestehenden Wohnungsbindung nicht aus. Dem steht die vom Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (NJW 1994, 2767 [2768]) nicht entgegen. Dort hat der BGH ausgeführt, dass der Hinweis auf ein "Besetzungsrecht" und eine "Förderung aus öffentlichen Mitteln" für eine Kenntnis i.S.d. § 439 BGB ausreiche, denn damit sei nicht nur der Rechtsmangel (Besetzungsrecht) als solcher bekannt gegeben, sondern auch der Grund des Rechtsmangels (Förderung aus öffentlichen Mitteln) und damit die maßgeblichen Tatsachen mitgeteilt worden.

Im vorliegenden Fall ist aber ein Hinweis auf den Rechtsmangel (Wohnungsbindung) nicht erfolgt. Allein die Kenntnis oder der Hinweis auf ein "WfA-Darlehen" reicht nicht aus. Es kann nicht angenommen werden, dass jedermann bekannt ist, dass es sich bei einem "WfA-Darlehen" um eine öffentliche Förderung des Wohnungsbaus handelt, die in aller Regel mit einer Mietpreisbindung einhergeht. In diesem Sinn hat auch das OLG Koblenz (OLGR 1998, 97) "die Kenntnis der in Abteilung III des Grundbuches eingetragenen Belastungen zugunsten des Landes Rheinland-Pfalz" als nicht ausreichend erachtet, um hieraus auf eine Kenntnis des Rechtsmangels schließen zu können.

b)

Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass die Kläger durch den Zeugen im Zuge der Vertragsverhandlungen auf eine Mietpreisbindung hingewiesen und über die Möglichkeit einer über der Kostenmiete liegenden Miete gesprochen wurde. Der hierzu vernommene Zeuge hat bekundet, dass er sich an einen solchen Hinweis und einen solchen Gesprächsinhalt nicht erinnern könne. Es könne sein, aber auch nicht sein.

4.

Wegen des Rechtsmangels können die Kläger daher gemäß §§ 440 I, 325 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

a)

Die Mangelbeseitigung ist der Beklagten unmöglich (§ 325 BGB), so dass es einer Fristsetzung nach § 326 I BGB nicht bedurfte. Es liegt ein Fall des anfänglichen Unvermögens vor, da der Beklagte den Klägern das Eigentum nicht frei von Rechten Dritter verschaffen konnte (BGH MDR 2000, 510). Selbst wenn der Beklagte das WFA-Darlehen im Zuge der Lastenfreistellung zurückgezahlt hätte, so wäre dadurch der Rechtsmangel nicht beseitigt worden, da die Kläger durch die Nachwirkungsfrist § 16 WoBindG) weiterhin in der Nutzung des Grundstücks beeinträchtigt gewesen wären (vgl. Senat MDR 1997, 344). Eine der Sonderfälle, bei denen mit Ablösung der öffentlichen Mittel eine Mietbindung sofort entfallen wäre, ist nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht dargelegt.

b)

Die Kläger haben den Mietern den Differenzbetrag zwischen erhobener Miete und zulässiger Kostenmiete für die Zeiträume 01.12.1994 bis 31.03.1998 ( ) und 01.02.1996 bis 31.03.1998 ( ) i.H.v. insgesamt 31.818,78 DM erstattet.

Diesen Betrag hat der Beklagte zu ersetzen, da er bei gehöriger Erfüllung des Kaufvertrages nicht angefallen wäre.

Der Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, dass die Kläger zur Rückzahlung an die Mieter nicht verpflichtet gewesen seien.

Eine Rückzahlungsverpflichtung ergibt sich aus § 8 II 2 WoBindG. Diese besteht nicht nur gegenüber dem privilegierten Mieter, sondern auch gegenüber dem Mieter, der wie der Mieter über keinen Mietberechtigungsschein verfügt. Bei § 8 II 2 WoBindG handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Sanktionsvorschrift gegen den Vermieter, der zu einer Vermietung nur an Berechtigte angehalten und dem über der Kostenmiete liegende Einnahmen nicht verbleiben sollen (vgl. BGH MDR 1965, 479; OLG Hamm WM 1988, 203).

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass mit dieser Regelung der nicht privilegierte dem privilegierten Mieter gleichgestellt wird, da der nicht berechtigte Mieter zu einer Fehlbelegerabgabe herangezogen werden kann. Geschieht dies im Einzelfall nicht oder verspätet, so ist dies ein Umstand, der dem gesetzwidrig handelnden Vermieter nicht zugute kommen kann.

Weiterhin kann den Klägern nicht entgegengehalten werden, dass die Kläger den Differenzbetrag von sich aus zurückgezahlt haben, die Mieter von sich aus aber keine Rückzahlung verlangt hätten oder ein später gestelltes Rückzahlungsverlangen aufgrund der Verjährungsvorschrift des § 8 II 3 WoBindG zu einem niedrigeren Erstattungsanspruch geführt hätte.

Es kann dahin stehen, ob ein solcher Einwand überhaupt erheblich ist, da hier jedenfalls die Zahlung der Kläger nicht aus freien Stücken erfolgte, sondern nach Androhung der Festsetzung einer Geldleistung nach § 25 WoBindG in mindestens gleicher Höhe, die nach dem Schreiben der Stadt vom 17.12.1997 durch die Erstattung des von der Stadt ermittelten Differenzbetrages zwischen Kostenmiete und tatsächlicher Miete an die Mieter vermieden werden konnte.

Nachdem die Kläger die Berechnungsunterlagen für den Differenzbetrag nachgereicht haben, ist seine Höhe von dem Beklagten wie auch eine vollständige Zahlung dieses Betrages an die Mieter unstreitig gestellt worden.

Unerheblich ist weiterhin, ob im Hinblick auf die Verjährungsvorschrift des § 8 II 3 WoBindG ein Teil der erstatteten Leistungen an die Mieter schon verjährt war, da die Erstattung zur Vermeidung einer Festsetzung nach § 25 WoBindG in mindestens gleicher Höhe erfolgte. Die Festsetzungsmöglichkeit unterliegt nicht der Verjährung nach § 8 II 3 WoBindG.

II.

Wegen der nach § 8 II 2 WoBindG bestehenden Verpflichtung zur Verzinsung der unberechtigterweise erlangten Mietbeträge können die Kläger von dem Beklagten nur Freistellung, nicht aber Zahlung der Zinsen an die Mieter verlangen.

III.

Eine Verzinsung des erstatteten Betrages (31.818,78 DM) i.H.v. 4% können die Kläger gem. §§ 286 1, 284 I BGB erst ab Rechtshängigkeit (06.05.1999) und nicht bereits seit dem 22.04.1999 (Tag nach der Banküberweisung) verlagen. Ein Zinsanspruch ab diesem Zeitpunkt ist nicht dargelegt.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 II ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und die Feststellung der Beschwer aus § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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