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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.01.2006
Aktenzeichen: 22 U 121/05
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 346 a.F.
BGB § 355 S. 2 a.F.
BGB § 1922
EGBGB Art. 229 § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Juni 2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils im Kostenpunkt dahin berichtigt wird, dass der Kläger die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt.

Der Kläger trägt ferner die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagten als Erben einen Anspruch auf Rückabwicklung des mit dem vormaligen Beklagten und dessen zwischenzeitlich verstorbener Ehefrau, deren Alleinerbe der vormalige Beklagte war, am 16.12.1993 abgeschlossenen notariellen Kaufvertrags - UR ###/#### des Notars Q - über eine noch zu vermessende Teilfläche eines in T gelegenen Grundstücks geltend.

Er stützt seine Klage darauf, dass eine Bebaubarkeit des zwischenzeitlich in seinem Eigentum stehenden Grundstücks nie eingetreten sei, weshalb ihm aufgrund der in VII Ziff. 2 des notariellen Vertrags getroffenen Vereinbarungen ein Rücktrittsrecht, zumindest aber - wie hilfsweise mit der Berufung geltend gemacht - ein Anspruch auf Anpassung des Kaufpreises zustehe, nachdem sowohl die beantragte weitere Verlängerung des ihm am 8.2.1996 erteilten Bauvorbescheides als auch sein am 22.3.2001 beim Bauamt eingegangener Bauantrag zwischenzeitlich rechtskräftig abgelehnt worden sind.

Wegen des genauen Inhalts der in VII Ziff. 2 des notariellen Vertrags getroffenen Regelung sowie des weiteren Sachverhalts wird auf die Feststellungen des am 03.06.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Arnsberg, mit dem unter Aufhebung des zwischenzeitlich ergangenen Versäumnisurteils die Klage abgewiesen wurde, Bezug genommen.

Das Landgericht hat offen gelassen, ob ein Rücktrittsrecht dem Grunde nach vorliege, da dieses jedenfalls nicht fristgerecht ausgeübt worden sei.

Die dreimonatige Rücktrittsfrist des VII Ziff. 2 Abs. 3 des Vertrags sei nicht gewahrt, da eine Rücktrittserklärung erst in dem vorprozessualen Schreiben des Klägervertreters vom 5.4.2004 bzw. der nachfolgenden Klageerhebung zu sehen sei, während die nach einem Monat eingetretene Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Urteile vom 08.07.2003 den Fristbeginn ausgelöst habe.

Auch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergebe sich nichts anderes, da zum einen die Parteien eine spezielle vertragliche Regelung über das Fehlen bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage getroffen hätten und zum anderen sich aus diesem Rechtsinstitut nicht grundsätzlich ein Rücktrittsrecht, sondern zunächst ein Anspruch auf Vertragsanpassung ergebe, was dem Kläger vorliegend grundsätzlich zumutbar sei.

Der Kläger stützt seine Berufung gegen das Urteil darauf, dass die Anwendung des befristeten Rücktrittsrechts auf den Fall der rechtskräftigen Ablehnung der Bauvoranfrage zu beschränken sei. Wegen der insoweit positiven Entscheidung auf seine Bauvoranfrage sei kein Raum für die Befristung gegeben. Dies sei auch deshalb anzunehmen, weil bei Vertragsabschluss von keiner Seite an den Fall, dass trotz positiver Entscheidung über die Bauvoranfrage eine Bebaubarkeit nicht erreicht werden könne, gedacht worden sei. Bei der Regelung sei es darum gegangen, im Falle der negativen Entscheidung über die Bauvoranfrage kurzfristig Klarheit zu schaffen, ob er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch mache.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, dass die Bebaubarkeit des Grundstücks Vertragsgrundlage geblieben sei; aufgrund der zwischenzeitlichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen sei jedoch davon auszugehen, dass nie Baureife vorgelegen habe.

Auch wenn man eine analoge Anwendung der Rücktrittsfrist erwäge, sei diese gewahrt, da insoweit auf sein Schreiben vom 3.5.2001 abgestellt werden müsse, durch das er seiner Auffassung nach unmissverständlich den Rücktritt erklärt bzw. Vertragsanpassung gefordert habe. Es sei davon auszugehen, dass mit diesem die Ansprüche unter der auflösenden Bedingung der noch angestrebten Bebaubarkeit geltend gemacht worden seien. Da der Beklagte in seinem Schreiben vom 11.5.2001 die Auffassung vertreten habe, dem Kläger stehe ein Rücktrittsrecht nicht zu, sei ihm - dem Kläger - nicht vorwerfbar, dass er zunächst versucht habe, gegen die Stadt vorzugehen.

Zumindest seinem nunmehrigen Hilfsantrag sei zu entsprechen, wobei eine Vertragsanpassung unter Reduzierung des Kaufpreises auf den für Weideland anzunehmenden Grundstückswert von 25.000 € als angemessen anzusehen sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils vom 03.06.2005 das Versäumnisurteil des Landgerichts Arnsberg vom 19.01.2005 aufrecht zu erhalten,

hilfsweise, unter Abänderung des Urteils vom 03.06.2005 das Versäumnisurteil des Landgerichts Arnsberg vom 19.01.2005 insoweit aufrecht zu erhalten, als der Beklagte verurteilt bleibt, an ihn 213.287,58 € zzgl. 6 % Zinsen aus 94.143,79 € für die Zeit vom 09.02.1994 bis 11.05.2001 sowie 6 % Zinsen aus weiteren 119.143,79 € für die Zeit vom 06.05.1994 bis 11.05.2001 sowie 9,25 % Zinsen aus 238.287,58 € ab 12.05.2001 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Sie sind der Auffassung, dass das Rücktrittsrecht auf den im Vertrag ausdrücklich geregelten Fall der negativen Bescheidung der Bauvoranfrage beschränkt sei. Mit dieser Regelung sei es den Parteien darum gegangen, zeitnah Rechtssicherheit bezüglich der grundsätzlichen Bebaubarkeit zu erlangen. Demgegenüber könne die vertragliche Regelung hier nicht zum Zuge kommen, da die Verlängerung der Bauvoranfrage und damit auch die Bebaubarkeit nachträglich aus Gründen entfallen sei, die der Kläger zu vertreten habe.

Sie verweisen zudem auf die in VII Ziff. 3 letzter Absatz getroffene Regelung, die zeige, dass das Risiko nach der Erteilung einer positiven Genehmigung auf den Käufer übergegangen sei.

Wenn man das Recht zum Rücktritt vom Vertrag nicht auf den Fall einer negativen Bescheidung einer Bauvoranfrage beschränken wolle, überzeuge jedenfalls die Auslegung des Landgerichts.

Bezüglich des Sachverhalts wird weitergehend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile sowie die zu Informationszwecken beigezogenen Akten 2 XVII W 76 Amtsgericht Schmallenberg, 2 O 308/03 Landgericht Arnsberg und die Ersatzakten ############## und ################ der Stadt T Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht wegen fehlender Bebaubarkeit des von den Rechtsvorgängern der Beklagten erworbenen Grundstücks aufgrund des vorprozessualen Schreibens des Klägervertreters vom 5.04.2004 bzw. der nachfolgenden Klageerhebung weder ein Rücktrittsrecht noch ein Anspruch auf Rückabwicklung bzw. Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu, so dass die Klage nach Haupt- und Hilfsantrag unbegründet ist.

I.

Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags gemäß §§ 346 a.F., 1922 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 5 EGBGB und VII Ziff. 2 des notariellen Vertrags ist nicht mehr gegeben.

1.

Der notarielle Vertrag vom 16.12.1993 enthält einen Rücktrittsvorbehalt im Sinne des § 346 BGB a.F. zugunsten des Klägers in VII Ziff. 2 Abs. 3 des Vertrags.

a)

Dieses Rücktrittsrecht war für den Fall vorgesehen, dass eine nach Abs. 2 vom Käufer zu stellende Bauvoranfrage rechtskräftig versagt wurde. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da die Bauvoranfrage des Klägers positiv beschieden wurde, indem ihm der Bauvorbescheid erteilt wurde.

b)

Es kann offen bleiben, ob über diesen ausdrücklich geregelten Fall hinaus dem Kläger ein Rücktrittsrecht auch dann zustand, wenn zwar zunächst die Bauvoranfrage positiv beschieden, später jedoch eine rechtskräftige Ablehnung ergehen würde, aus der sich ergibt, dass bereits anfänglich die Parzellen objektiv nicht bebaubar waren und somit die positive Entscheidung über die Bauvoranfrage sich nachträglich als objektiv rechtswidrig herausstellt.

Zwar spricht gegen ein weitergehendes Rücktrittsrecht, dass die Vertragsparteien mit ihren Regelungen zum Ausdruck gebracht haben, dass die wirtschaftlich gewichtige Frage nach dem Bestand des Vertrags möglichst kurzfristig geklärt werden sollte.

Dies zeigen die dem Rücktrittsvorbehalt vorangestellte Verpflichtung des Klägers, innerhalb von sechs Monaten nach Vorlage des amtlichen Vermessungsergebnisses eine Bauvoranfrage zu stellen, sowie die nur recht kurze Rücktrittsfrist von drei Monaten nach der Rechtskraft der abschlägigen Entscheidung.

Andererseits haben die Parteien bei Vertragsabschluss ersichtlich die Bewertung des Risikos einer Bebaubarkeit an das Ergebnis der Bauvoranfrage geknüpft und nicht den Fall einbezogen, dass eine positive Entscheidung rechtswidrig wäre. Daher könnte unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht auch für den Fall angenommen werden, dass trotz positiver Entscheidung über die Bauvoranfrage sich später herausstellt, dass eine Bebaubarkeit von Anfang an nicht gegeben war und eine Verlängerung des Bauvorbescheids rechtskräftig versagt wird.

2.

Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger in diesem Fall in entsprechender Anwendung der vertraglichen Rücktrittsregelung den Rücktritt nicht rechtzeitig ausgeübt hat.

Abzustellen ist auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 8.07.2003, mit dem die auf die erneute Verlängerung der Geltungsdauer des Bauvorbescheids gerichtete Klage des Klägers abgewiesen wurde; dieses hat der Kläger rechtskräftig werden lassen. Da der Kläger den Rücktritt nicht innerhalb von drei Monaten nach der Rechtskraft dieses Urteils erklärt hat, ist sein etwaiges Rücktrittsrecht jedenfalls entsprechend § 355 S. 2 BGB a.F. erloschen.

a)

Entgegen der Auffassung des Klägers enthält sein an den vormaligen Beklagten gerichtetes Schreiben vom 03.05.2001 keine Rücktrittserklärung. Der Kläger hat in diesem Schreiben zwar auf das im Vertrag vereinbarte Rücktrittsrecht hingewiesen, dieses jedoch nicht ausgeübt, sondern vielmehr ausdrücklich sein anhaltendes Interesse an der Bebauung des Grundstücks und damit sein Festhalten am Vertrag bekundet. Wie sich aus dem Schreiben ergibt, ging es dem Kläger vorrangig um die Realisierung der Bebaubarkeit des Grundstücks, während er für den Fall, dass es hierzu nicht kommen werde, Schadensersatzansprüche im Hinblick auf einen Minderwert der Grundstücke ankündigte. Eine Rückabwicklung des Vertrags, eine Abstandnahme von diesem oder eine Rückgabe des Grundstücks wurden weder erklärt noch in Aussicht gestellt.

Eine andere Bedeutung im Sinne einer Rücktrittserklärung ist dem klägerischen Schreiben vom 03.05.2001 auch nicht aufgrund des rechtsanwaltlichen Antwortschreibens vom 11.05.2001 zuzumessen.

In diesem wird lediglich darauf Bezug genommen, dass der Kläger ein Rücktrittsrecht zu seinen Gunsten erwähnt und im Anschluss hieran die eigene Auffassung geäußert habe, dass dem Kläger das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht nicht mehr zustehe. Unabhängig davon, ob aufgrund des späteren Schreiben der Gegenseite der Sinngehalt der früheren Erklärung des Klägers noch hätte verändert werden können, enthält es jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass der vormalige Beklagte das klägerische Schreiben als Rücktrittserklärung verstanden habe.

b)

Gleichfalls keine Rücktrittserklärung enthält die im Verfahren 2 O 308/03 Landgericht Arnsberg gegenüber dem vormaligen Beklagten des hiesigen Rechtsstreits erhobene Streitverkündungsschrift vom 11.02.2004 (Bl. 128 f. der Beiakte), die am 19.02.2004 zugestellt wurde. In diesem Schriftsatz wird auch nicht auf einen bereits erklärten Rücktritt Bezug genommen, sondern zum Ausdruck gebracht, dass die Auffassung der dortigen Beklagten nicht geteilt werde. Lediglich für den Fall der Klageabweisung in jenem Verfahren wird eine Schadloshaltung beim Streitverkündeten in Aussicht gestellt.

c)

Erst mit Schreiben vom 5.04.2004 hat der Kläger den Rücktritt erklärt. Ebenso wie die noch spätere Klageerhebung im hiesigen Verfahren ist diese Erklärung jedoch außerhalb der vertraglich vereinbarten dreimonatigen Rücktrittsfrist erfolgt, die mit der Rechtskraft des Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 8.07.2003 begonnen hatte.

II.

Dem Kläger steht auch nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage weder ein Rücktrittsrecht noch ein Anspruch auf Anpassung des Vertrags zu.

Vielmehr fehlt es für eine Anwendung hinsichtlich der Frage der Bebaubarkeit des Grundstücks bereits an einer vertraglichen Regelungslücke. Soweit der Vertrag - sei es auch im Wege der ergänzenden Auslegung zu ermittelnde - Regelungen für das Fehlen oder den Wegfall der betreffenden Umstände enthält, scheidet eine Vertragsanpassung, die auch in einem Rücktrittsrecht bestehen kann, gemäß § 242 BGB aus; was nach dem Vertragstext Vertragsinhalt ist, kann nicht im Sinne des Rechtsinstituts Geschäftsgrundlage sein (Palandt- Heinrichs, 61. Auflage, § 242 Rn. 116 mwN).

Der Vertrag enthält für die Frage der fehlenden Bebaubarkeit differenzierte Regelungen, die sowohl das Vorgehen des Klägers zur Erlangung eines aussagekräftigen Bescheides der Stadt als auch Form und Frist für die Rücktrittserklärung sowie diesbezügliche Ausschlussgründe beinhalten. Sie stellen sich als eine nach dem Willen der Vertragsparteien umfassende und abschließende Ausgestaltung dieser Frage und der hieraus herzuleitenden Rechtsfolgen dar.

Ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt daher nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren war insoweit von Amts wegen zu berichtigen, als die Kosten der Säumnis der Beklagtenseite zu Unrecht gemäß § 344 ZPO auferlegt worden waren. Wie das Landgericht mit Beschluss vom 29.04.2005 - dortige Ziffer I. - bereits festgestellt hat, war das Versäumnisurteil gegen den vormaligen Beklagten mangels diesbezüglichen Antrags des Klägers nicht in gesetzlicher Weise ergangen. Dementsprechend hat der Kläger die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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