Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.11.2000
Aktenzeichen: 22 U 32/00
Rechtsgebiete: EuGVÜ


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 16 Nr. 1 a
Art. 16 Nr. 1 a EuGVÜ; spanisches Immobilienrecht

1.

Zur Anwendung des Art. 16 Nr. 1 a EuGVÜ (ausschließlicher Gerichtsstand der Belegenheit der Sache), wenn ein persönlicher Anspruch geltend gemacht wird, der dingliche Rechtsfolgen hat.

2.

Bei Nichtzahlung des Kaufpreises kann der Verkäufer nach spanischem Recht auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Auflösung des Vertrages mit der Rechtsfolge eines Zurückfallens des Eigentumsverlangens.

3.

Zur Beweislast bei Nichtzahlung, falls der Vertrag die Zahlung aufführt, sie aber bis zum Vertragsschluß nicht stattgefunden hatte.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 32/00 OLG Hamm 4 O 368/97 LG Münster

Verkündet am 9. November 2000

Oberdorf, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht Gottwald und Aschenbach sowie die Richterin am Oberlandesgericht Uetermeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Dezember 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer wird auf 42.373,00 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

1.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß Artikel 16 Nr. 1 a EuGVÜ der deutschen internationalen Zuständigkeit, damit dem Gerichtsstand des Landgerichts Münster als Wohnort der Beklagten, nicht entgegensteht.

Das EuGVÜ ist im Verhältnis zu Spanien für die Bundesrepublik Deutschland am 01.12.1994 in Kraft getreten (vgl. Gutachten (im folgenden GU genannt) Blatt 364 d.A.).

Es findet somit auf die am 23.09.1997 beim Landgericht anhängig gewordene Klage Anwendung (GU 365). Da die Beklagten ihren Wohnsitz im Inland haben und um die in Spanien gelegene Eigentumswohnung gestritten wird, richtet sich die internationale Zuständigkeit nach den Artikeln 2 ff. EuGVÜ. Nach Artikel 2 EuGVÜ richtet sich der Gerichtsstand nach dem Wohnsitz der Beklagten, es sei denn, Artikel 16 Ziffer 1 a EuGVÜ würde eingreifen. Artikel 16 Ziffer 1 a EuGVÜ begründet einen ausschließlichen Gerichtsstand der Belegenheit ohne Rücksicht auf den Wohnsitz für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, bei den Gerichten des Vertragsstaats, in dem die bewegliche Sache liegt, hier also in Spanien.

In der Tat ist jedoch Artikel 16 Ziffer 1 a EuGVÜ, wie der Sachverständige in der Verhandlung vor dem Senat nochmals bestätigte, nicht anwendbar, weil die Klägerin ein persönliches, kein dingliches Recht im Sinne der Vorschrift geltend macht. Zwar ist eine Eigentumswohnung nach spanischem Recht - was für die Qualifikation nach herrschender Meinung maßgeblich ist (Recht des Belegenheitsstaates GU 365.; Schlosser, EuGVÜ, Art. 16 EuGVÜ Rdn. 2) - eine unbewegliche Sache. Auch hat die Ausübung des Auflösungsrechts, das die Klägerin in Anspruch nimmt, als Gestaltungsrecht zur Folge, daß das Eigentum an der Wohnung an sie schon ohne entsprechenden Registereintrag zurückfällt (GU 294, 371). Maßgeblich aber ist, daß die Klägerin mit dem Rückgabeverlangen nicht bereits ein gegen alle Dritten wirkendes dingliches, sondern zunächst ein nur gegen die Beklagten wirksames schuldrechtliches Recht geltend macht, das als Folge lediglich den Übergang des dinglichen Rechts bewirkt. Allgemein wird aber im Anschluß an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 10.01.1990 Reichert/Dresdner Bank IPRax 1991, 45) im Wege einer engen Auslegung danach unterschieden, daß ein dingliches Recht im Sinne des Artikel 16 Ziffer 1 a EuGVÜ dann vorliegt, wenn ein gegen jedermann wirkendes Recht geltend gemacht wird, während ein persönliches dann gegeben ist, wenn der Anspruch sich nur gegen die Schuldner richtet. Es genügt somit nicht, daß ein persönlicher Anspruch geltend gemacht wird, der im Zusammenhang mit der unbeweglichen Sache so steht, daß das dingliche Recht lediglich berührt wird (GU 367; Schlosser a.a.O. Art. 16 Rdn. 4; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6. Aufl., Art. 16 Rdn. 14, 15; Zöller a.a.O. Art. 16 Rdn. 1; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Art. 16 Rdn. 54, 60). Entsprechend hat der Europäische Gerichtshof (IPRax 1991, 45) bei einer Klage, mit der ein auf Gläubigeranfechtung gestützter Rückverschaffungsanspruch geltend gemacht wurde, der darauf abzielte, eine beeinträchtigende Verfügung über eine bewegliche Sache für unwirksam zu erklären, das Eingreifen von Art. 16 Ziffer 1 a EuGVÜ verneint (GU 373). Der Streitgegenstand auch im vorliegenden Fall hat nicht seinen unmittelbaren Grund im dinglichen Recht und unterfällt nicht deshalb Art. 16 Ziffer 1 a EuGVÜ, etwa wie bei einer Klage auf Feststellung des Eigentums oder Grundbuchberichtigung oder ein Herausgabeanspruch aus dinglichem Recht. Allenfalls liegt eine gemischte Materie vor, die gleichfalls nicht Art. 16 Ziffer 1 a) EuGVÜ zuzuordnen ist (GU 375), Auf die Betrachtung der Vorteile einer Behandlung in Spanien durch größere Sach- und Rechtsnähe kommt es demgegenüber nicht an. Diese Grundsätze hat in seinem mündlich erstatteten Gutachten bestätigt.

Art. 16 Ziffer 3 EuGVÜ kommt gleichfalls nicht zur Anwendung: Bereits nach dem Wortlaut der Norm geht es um Klagen, welche die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register zum Gegenstand haben. Auch der Klageantrag zu 2) betrifft diesen Fall nicht: Es geht nicht um die Gültigkeit von Eintragungen, sondern um die Auflösung eines Vertrages, ohne das Register zu berühren. Es handelt sich allein um materiell-rechtliche Fragen, die mit der Gültigkeit der Eintragung im Sinne einer Überprüfung eines Hoheitsaktes nichts zu tun haben (Geimer/Schütze a.a.O. Rdn. 218; Kropholler a.a.O. Rdn. 40).

2.

Daß das Landgericht die Umstellung der Klageanträge als sachdienliche Klageänderung zugelassen hat, können die Beklagten wegen § 268 ZPO, da auch eine Klageänderung nicht gesetzlich unzulässig oder unklar war, über welche Anträge entschieden worden ist (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 268 Rdn. 4 und 6; Zöller-Greger, ZPO, 21. Aufl., § 268 Rdn. 1; § 263 Rdn. 15), nicht mit Erfolg angreifen. Davon abgesehen wäre jede andere Entscheidung als eine das Ergebnis eines erst im Rechtsstreit gerichtlich eingeholten Gutachtens über eine prozessual und materiell-rechtlich schwierige Rechtslage berücksichtigende Zulassung der Klageänderung falsch gewesen.

3.

Der Anspruch auf Auflösung des am 14.05.1995 abgeschlossenen Vertrages ergibt sich aus Artikeln 1503, 1504, 1506, 1124 Codigo Civl (CC).

Es gelten die Artikel 27 ff. EGBGB trotz des EG-Übereinkommens vom 19.06.1980 über vertragliche Schuldverhältnisse, in die die Bundesrepublik Deutschland die Kollisionsregeln aus Zweckmäßigkeitsgründen eingestellt hat (Palandt-Heldrich, 59. Aufl., Vorbemerkungen vor EGBGB Rdn. 1, GU 274 f.). Die Anwendung spanischen Rechts ist zwischen den Parteien im Prozeß unstreitig (Anknüpfungspunkt vgl. Palandt-Heldrich a.a.O. Art. 27 Rdn. 7), so daß auch angesichts der übrigen Umstände - Vertrag in spanischer Sprache in Spanien vor einem dortigen Notar - von einer Rechtswahl gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB ausgegangen werden kann; insbesondere ist Art. 28 Abs. 3 EGBGB anwendbar, wonach vermutet wird, daß der Vertrag die engsten Verbindungen zu dem Staat aufweist, in dem das Grundstück belegen ist, soweit er ein dingliches Recht am Grundstück zum Gegenstand hat.

Nach der vom Gutachter GU 273 ff. erstellten Zusammenschau der Vorschriften Art. 1124, 1503, 1504, 1506 CC kann auch ein Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung, wie der vom 04.05.1995 Blatt 92 ff., Übersetzung Blatt 148 ff. der Akten, bei Nichterfüllung der Zahlungspflicht aufgelöst werden. Auch liegen die Voraussetzungen für eine - nach spanischem Recht mögliche - Vertragsauflösung vor.

Zunächst ist nicht zu übersehen, daß die genannten Vorschriften Artikel 1504, 1506 CC nur die Fälle des drohenden Verlustes von Sache und Preis oder einer vertraglich vorbehaltenen Auflösung bei Ausbleiben der Zahlung als Auflösungsgrund regeln und diese Sachverhalte nicht vorliegen. Allerdings läßt es die spanische Rechtsprechung, so GU 287 ff., 290, zu, daß auch ohne ausdrückliche Vereinbarung der Verkäufer bei Nichterfüllung der Kaufpreisschuld jedenfalls durch endgültige Zahlungsverweigerung des Käufers den Vertrag auflösen kann. Die Zahlungsverweigerung wird auch darin gesehen, daß der Käufer - wie hier - behauptet, bereits erfüllt zu haben, während dieses nicht erfolgt ist (GU 287). Blatt 239 hat dieses als Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Spanien festgestellt. Dieses Auflösungsverlangen ("requerimento") muß gerichtlich oder notariell gestellt werden; es kann aber, so GU 291 nachvollziehbar weiter, auch in der Klageerhebung gesehen werden, da hieraus erkennbar der auf Auflösung gerichtete Wille des Verkäufers hervorgeht. Da mit dem gerechtfertigten Auflösungsverlangen automatisch das Eigentum auf die Klägerin zurückfällt, war allein die Umstellung der Klage auf eine Feststellungsklage sachgerecht.

Die Nichtzahlung des in Höhe von 41.373,00 DM beurkundeten Kaufpreises haben die Beklagten zu beweisen. Dieser Beweislast sind sie nicht nachgekommen.

Nach spanischem Recht hat der Schuldner die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung zu beweisen (GU 297). Stellt man darauf ab, daß der Kaufvertrag vermerkt, der Kaufpreis sei in Deutschland vor der Beurkundung vollständig gezahlt (Blatt 97, 150 d.A.), so läge es nahe, die Klägerin den Gegenbeweis führen zu lassen, das der Kaufpreis entgegen dem Urkundentext nicht gezahlt ist. Das Gutachten vom 26.02.1999, GU 328 ff., belegt aber, daß die Richtigkeitsvermutung der Kaufvertragsurkunde sich nur darauf erstreckt, daß die Parteien die Erklärung bezüglich des Kaufpreises abgegeben haben, aber nicht darauf, daß der Kaufpreis gezahlt ist. Letzteres ist durch freie Beweiswürdigung zu ermitteln. Wird mit anderen Beweismitteln nachgewiesen, daß der Inhalt der Urkunde dem tatsächlichen Geschehen nicht entspricht, so ist frei zu würdigen (GU 339). Hier ist unstreitig, daß der Inhalt der Urkunde, es sei bereits gezahlt, bei Vertragsschluß falsch war vgl. Blatt 161. Auf den Urkundeninhalt kann dann nicht mehr abgestellt werden. Es greift dann der auch im spanischen Recht geltende Grundsatz ein, daß der Schuldner die Erfüllung zu beweisen hat (zur Widerlegung der Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung im deutschen Recht bei getroffener, aber nicht beurkundeter Nebenabrede vgl. BGH NJW 1989, 898; vgl. auch die Beweislage im deutschen Recht bei Quittungen: werden sie unstreitig oder bewiesen vorauserteilt, muß der Schuldner die spätere Leistung beweisen, Palandt-Heinrichs a.a.O. § 368 Rdn. 5).

Die Beklagten haben jedoch Beweis für die komplette Zahlung des Kaufpreises von 41.373,00 DM nicht angetreten. Soweit sie Zeugenbeweis für ihre Behauptung angetreten haben, von ihrer Tochter nach ihrer Rückkehr aus Spanien am 07.05.1995 einen Betrag von 15.000,00 DM geliehen zu haben, läßt sich hieraus nicht der Schluß ziehen, die 41.373,00 DM seien gezahlt worden. Hinzu kommt, daß die Beklagten erheblich widersprüchlich zur Geldzahlung vorgetragen haben: Bereits das Schreiben des Beklagten zu 1) vom 10.07.1997, Blatt 76 der Akte, deutet jedenfalls auf eine nicht vollständige Zahlung hin "Phantasiepreis von 43.000,00 DM bis 45.000,00 DM aus dem Kopf schlagen". In der mündlichen Verhandlung vom 25.11.1997, Blatt 143 ff., erklärte der Beklagte zu 1) daß der Kaufpreis nach dem Urlaub Mitte Juni 1995, also nach dem Kaufvertrag vom 04.05.1995 gezahlt worden sei. Die Zahlung sei erfolgt, weil der Notar sonst nicht die Urkunde ausgehändigt hätte. Die Bestätigung, daß gezahlt worden sei, habe sich der Notar im Frühjahr 1996 geben lassen, da sei die Urkunde ausgehändigt worden. Der Betrag sei in zwei Raten von 20.000,00 DM und dem Restbetrag über 20.000,00 DM gezahlt worden. Der Beklagte zu 1) korrigierte sich dann und erklärte, der Betrag von 20.000,00 DM sei nicht nach dem Urlaub Juni 1995, sondern bereits bei dem Notartermin (04.05.1995) gezahlt worden, ohne daß dieses allerdings der Notar gesehen habe. Die Zeugin B ist auf Blatt 161 der Akte für die Behauptung benannt worden, man sei sich bereits bei Kaufvertragsabschluß einig gewesen, das die Urkunde erst nach vollständiger Zahlung ausgehändigt werden sollte. Dazu trägt die Klägerin vor, Blatt 170 der Akte, aus dem Kaufvertrag ergebe sich, vgl. die deutsche Übersetzung, daß die Urkunde den Beklagten sofort ausgehändigt worden sei und zum Grundbuchamt am 11.05.1995 gegangen sei. Später tragen die Beklagten, Blatt 162 der Akte, unter Berufung auf ihre Tochter ein weiteres Datum vor: jetzt ist der zweite Teil des Kaufpreises nicht im Juni 1995, sondern am 10.05.1995 nach Zahlung bereits beim Notar gezahlt worden. Aus der schriftlichen Aussage B Blatt 220 der Akte ergibt sich demgegenüber, daß die Parteien in Deutschland vor Vertrag ihre finanziellen Angelegenheiten geregelt hätten.

4.

Der unter Ziffer 2 im Urteil des Landgerichtes vom 21.12.1999 austenorierte Anspruch ergibt sich als Rechtsfolge aus der Ausübung des Auflösungsrechts und den dadurch bewirkten Eigentumsübergang (GU 298).

5.

Veranlassung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, die nach Artikel 2, Ziffer 2, 3 Abs. 2 des Protokolls betreffend die Auslegung des Übereinkommens durch den Gerichtshof vom 03.06.1971 auch durch den Senat als Rechtsmittelgericht erfolgen kann, hat der Senat auch im Zusammenhang mit Artikel 16 Nr. 1 a EuGVÜ nicht gesehen.

6.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Ziffer 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück