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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 30.08.2001
Aktenzeichen: 22 U 39/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
Zur Haftung der Spielbank bei Aufhebung einer Spielsperre gegenüber dem Spieler, der die Aufhebung verlangt hatte und Angehörigen, die um Fortbestand der Sperre baten.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 39/01 OLG Hamm

Verkündet am 30. August 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 30. August 2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann, den Richter am Oberlandesgericht Gottwald und den Richter am Landgericht Dr. Pötting

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 15. Dezember 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Kläger übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:

Mit der Berufung wenden sich die Kläger gegen die Abweisung ihrer Klage auf Schadensersatz wegen Nichteinhaltung einer Spielsperre ihres Sohnes durch die Beklagte, eine Spielbank.

Die Berufung hat indes keinen Erfolg. Den Klägern steht weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.

A.

I.

1.

Ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung ist nicht gegeben, da ein Vertragspflichten begründendes Schuldverhältnis zwischen den Parteien nicht besteht. Es ist nicht mit dem Schreiben der Kläger vom 13.4.1999 einerseits und der Antwort der Beklagten vom 19.4.1999 andererseits zustande gekommen.

Das Schreiben der Kläger ist bereits kein Angebot auf Abschluß eines Vertrages ; die Antwort der Beklagten stellt sich nicht als Annahme eines Angebots dar.

Mit ihrem Schreiben vom 13.4.1999 " bitten "die Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die psychische und finanzielle Lage ihres Sohnes lediglich um " Kenntnisnahme ", daß er seine am 6.5.1998 erklärte Selbstsperre ohne ihre Zustimmung nicht aufheben dürfe. Das Schreiben der Kläger stellt sich also als unverbindliche Bitte um ein bestimmtes Geschäftsverhalten, nicht als eine auf die rechtsgeschäftliche Bindung der Beklagten zu einer bestimmten Verhaltensweise abzielende Willenserklärung dar. Es geht den Klägern nicht um die Wahrnehmung eigener Vermögensinteressen, zu der sie die Beklagte verpflichten wollten, sondern um eine Hilfeleistung der Beklagten zum Schutz ihres Sohnes vor sich selbst.

Wenn die Direktion der Beklagten deshalb unter dem 19.4.1999 mitteilt, daß die Selbstsperre des Sohnes zunächst bis zum 7.5.2005 eingetragen sei und sie vorgemerkt habe, daß eine Wiederzulassung zum Spiel nur mit der ausdrücklichen Genehmigung der Kläger erfolgen dürfe, so konnten die Kläger die positive Antwort der Beklagten nur als Annahme ihrer Bitte, nicht als rechtsverbindliche Annahme eines Vertragsangebots verstehen.

Für eine solche Erklärung gilt nichts anderes als für die von einem Kunden veranlaßte Selbstsperre, hier des Sohnes der Kläger : Die Spielbank nimmt nach BGH NJW 1996, 248 eine Anregung oder Bitte des Kunden nur zum Anlaß, eine Spielsperre zu erteilen, die sie sonst nicht ausgesprochen hätte. Eine Begründung von Rechten ist damit nicht verbunden.

Noch weniger als dem Kunden gegenüber hatte die Beklagte gegenüber den Klägern Veranlassung, eine Sorgfaltspflichten begründende Selbstbindung zum Vorteil des Sohnes einzugehen, für dessen Schutz sie nicht verantwortlich war (vgl. Palandt -Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 328 Rdn. 17); die Kläger, die nicht Kunden der Beklagten waren und ohne Vollmacht ihres volljährigen Sohnes handelten, konnten nicht davon ausgehen, einen verbindlichen Anspruch auf Nichtaufhebung der Selbstsperre ihres Sohnes gegenüber der Beklagten ohne seine Zustimmung geltend zu machen; sie konnten die Antwort der Beklagten deshalb nur als unverbindliches Entgegenkommen aus Kulanz und/oder zur Vermeidung von den Geschäftsablauf störenden Auseinandersetzungen bewerten, auf dessen Verläßlichkeit sie keinen Anspruch herleiten konnten. Über diese allein angemessene Bewertung führt auch die Formulierung des Schreibens vom 19.4.1999, eine Wiederzulassung "dürfe" nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Kläger erfolgen, nicht hinaus.

2.

Davon abgesehen hat eine Verletzung der im Schreiben zugesagten Verhaltensweise keinen Schaden zur Folge, der sonst nicht eingetreten wäre.

Selbst wenn man entgegen dem Bestreiten der Beklagten davon ausgeht, daß der Sohn in der Spielbank der Beklagten 37000,- DM am 8.11.1999 verspielt hat und dieses Geld aus einem ihm am 6.11. von den Klägern gegebenen Darlehn stammt, so fehlt ein durch die Nichteinhaltung einer Zusage hervorgerufener Schaden der Kläger.

Durch die Darlehnshingabe, durch die sie einen Vermögenswert weggaben, haben die Kläger einen Rückzahlungsanspruch gegen den Sohn erlangt. Dieser Rückzahlungsanspruch bezüglich des Darlehns ist durch das Verspielen der 37000,- DM nicht untergegangen. Auch ist nicht dargelegt oder ersichtlich, daß der Sohn nunmehr den Darlehnsanspruch nur wegen des Verspielens nicht mehr befriedigen kann.

3.

Schließlich träfe die Kläger ein derart überwiegendes Mitverschulden, daß ein minderes Verschulden der Beklagten zurückträte : sie stellten ihrem, wie sie wußten, spielsüchtigen Sohn eine hohe Geldsumme zur Verfügung, anstatt Sorge zu tragen, daß seine Verbindlichkeiten / Anschaffungswünsche durch unmittelbare Zahlung ihrerseits erfüllt wurde. Sie konnten sich nicht auf eine ihnen von der Beklagten zugesagte Beibehaltung der Selbstsperre ihres Sohnes verlassen, wenn sie selbst keine Umsicht walten ließen. Ihnen mußte sich angesichts ihrer Erfahrungen mit ihrem Sohn aufdrängen, daß ihr Sohn das erhaltene Geld verspielte, sei es, daß er eine Aufhebung der Selbstsperre bei der Beklagten erreichte, eine solche Sperre umging oder er bei einer Aufrechterhaltung der Sperre entsprechend der den Klägern gegebenen Zusage das Geld in einem anderen Spielbetrieb, sei es im In- oder Ausland, verspielte.

II.

Die Kläger haben sich gleichfalls nicht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder einem diesen gleichzustellenden geschäftlichen Kontakt in ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zu der Beklagten begeben, das diese zur Beachtung von Sorgfaltspflichten verpflichtete.

Die Beklagte erklärte sich lediglich in eigenem Interesse unverbindlich schriftlich bereit, eine von den Klägern nicht in Wahrnehmung eigener Vermögensinteressen, sondern aus Sorge um das persönliche Wohl eines Dritten geäußerte Bitte zu erfüllen.

B.

Die Kläger leiten überdies erfolglos aus der Abtretungsvereinbarung vom 1.2./4.2.2000 Schadensersatzansprüche ihres Sohnes aus der Aufhebung der Selbstsperre her.

Rechte des Kunden auf Beachtung seiner Selbstsperre bestehen nicht.

Die Beklagte übernimmt mit einer Spielsperre nicht die Verpflichtung zur Betreuung des Vermögens des Betroffenen; sie macht lediglich von ihrem Hausrecht Gebrauch und baut zur Motivation des Betroffenen strafbewehrte Hürden gegen dessen Verweilen in Spielsälen auf ; dem Betroffenen erwachsen aus der Spielsperre, die die Beklagte auf Wunsch des Betroffenen ohne rechtsgeschäftliche Bedeutung ausspricht, - die Fassung des Antrags auf Spielsperre spricht nicht dagegen - keine eigenen Rechte. Eine Überwachung der Spielsperre braucht die Spielbank deshalb nicht durchzuführen (BGH NJW 1996, 248).

Im vorliegenden Fall kommt im Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt hinzu, daß der Sohn der Kläger nicht auf Grund unzureichender Überwachung der Spielsperre spielen konnte, sondern weil er in einem Gespräch mit Angestellten der Beklagten die zuvor erklärte Selbstsperre hatte aufheben lassen. Das trägt die Beklagte unwiderlegt vor ; es geht auch aus der Abtretungsvereinbarung vom 1.2./4.2.2000 der Kläger mit ihrem Sohn hervor.

Läßt aber der Spielkunde - unstr. - eine Selbstsperre nach einem Gespräch mit Angestellten der Beklagten aufheben, hat er sich in eigener Verantwortung seines Schutzes vor weiteren Spielen begeben und die Folgen in ausschließlich alleiniger Verantwortung zu tragen.

Daran ändert auch die Erklärung der Beklagten vom 19.4.1999 gegenüber den Klägern nichts : mit dieser wurden auch dem Sohn gegenüber Schutzpflichten der Beklagten, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, nicht begründet.

C.

Entgegen der Anregung der Kläger hat der Senat die Revision nicht zugelassen.

Zum einen hat die Rechtssache entgegen § 546 Abs.1 S. 2 Ziff. 1 ZPO nicht grundsätzliche Bedeutung.

Es ist weder zu erwarten, daß dieser spezielle Fall der Einwirkung Dritter auf die Spielsperre eines anderen bei einer Spielbank von allgemeiner Bedeutung ist und etwa künftig wiederholt auftreten wird, noch sind über seine Behandlung in der Rechtsprechung, soweit erkennbar, unterschiedliche Auffassungen geäußert worden (vgl. Zöller - Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 546 Rdn. 31).

Zum anderen (vgl. § 546 Abs.1 S.2 Ziff. 2 ZPO) weicht das Senatsurteil nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab. Im Gegenteil schließt sich der Senat der Entscheidung BGH NJW 1996, 248 ausdrücklich an.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Ziff. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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