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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 22 U 58/06
Rechtsgebiete: GBO, BGB


Vorschriften:

GBO § 90
BGB § 275 Abs. 1
BGB § 323
BGB § 326 Abs. 1
BGB § 326 Abs. 4
BGB § 326 Abs. 5
BGB § 346 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten im übrigen das am 13. Februar 2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 40.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 20. Januar 2005 zu zahlen, Zug- um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche, die der Klägerin hinsichtlich der im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Münster von N Bl. #### eingetragenen 43,80/10.000 Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung ##1 des Aufteilungsplans, zustehen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten um Erfüllungs-, Schadensersatz- und Rückzahlugsansprüche aus einem notariellen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung.

Wegen der Darstellung des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 13.02.2006 verwiesen.

Die hiesigen Beklagten haben in dem Verfahren 15 O 522/05 LG Münster ihrerseits den Vorveräußerer Dr. M auf Eigentumsverschaffung an der Wohnung Nr. ##2 des Aufteilungsplanes, hilfsweise Feststellung seiner Schadensersatzverpflichtung sowie weiter hilfsweise Rückzahlung des Kaufpreises in Anspruch genommen. Das dortige Klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Der dortige Beklagte Dr. M hat seinerseits seinem Vorveräußerer T den Streit verkündet mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf seiner Seite beizutreten (BA 82).

Das Landgericht hat im vorliegenden Verfahren die Beklagten durch Urteil vom 13.02.2006 zur Abgabe der mit dem Hilfsantrag verfolgten Identitätserklärung dahin verurteilt, dass die abgegebene Auflassungserklärung und Eintragungsbewilligung sich nicht auf die Wohnung Nr. ##1, sondern auf die Wohnung Nr. ##2 beziehe, ferner hat es dem Feststellungsbegehren der Klägerin hinsichtlich der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten stattgegeben. Der weitergehende Hauptantrag zu Ziffer 1. (Verurteilung zur Eigentumsverschaffung) wurde abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Auflassung der Wohnung Nr. ##2, der bisher nicht erfüllt sei. Insoweit bestehe im Hinblick auf die irrtümliche Verwechslung der Bezeichnung der Wohnungen lediglich ein Anspruch auf Erteilung einer der Form von § 90 GBO entsprechenden, die Falschbezeichnung richtig stellenden Erklärung. Dabei komme es nicht darauf an, ob durch diese Identitätserklärung sämtliche Probleme der Parteien miteinander und mit Dritten gelöst werden könnten, die darin beständen, dass die Parteien es nicht allein in der Hand hätten, in Übereinstimmung miteinander den Kaufvertrag vom 26.06.2003 grundbuchlich umzusetzen. Bei einer Verurteilung der Beklagten nach dem Hauptantrag der Klägerin würden die gleichen Probleme bestehen.

Die weitere Abwicklung des Kaufvertrages sei für die Beklagten nicht unzumutbar, zumal sie die Möglichkeit gehabt hätten, im Zwangsversteigerungsverfahren X/Dr. C die Wohnung ##2 zu einem relativ geringen Betrag zu ersteigern. Der Ersteigerer Dr. C sei auch nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin bereit, die Wohnung zu veräußern.

Der Feststellungsantrag der Klägerin sei zulässig und begründet, da den Beklagten seit Januar 2005 die Umstände der Wohnungsverwechslung und die fehlende Erfüllung ihrer kaufvertraglichen Verpflichtungen bekannt sei und ihre Verantwortlichkeit für die Schäden der Klägerin mit der Kenntnis dieser Umstände beginne.

Mit diesem Urteil sind beide Parteien nicht einverstanden und haben wechselseitig Berufung eingelegt.

Während die Beklagten mit ihrer Berufung weiterhin volle Klageabweisung begehren, hat die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel neben der vom Landgericht ausgeurteilten Feststellungsverpflichtung zunächst in erster Linie die Verurteilung der Beklagten nach dem weitergehenden Hauptantrag zu Ziffer 1. weiterverfolgt und hilfsweise die Rückabwicklung der erbrachten Leistungen und somit Rückzahlung des von ihr geleisteten Kaufpreises in Höhe von 40.000,00 € verlangt. Im Senatstermin vom 22.03.2007 hat die Klägerin unter Zurücknahme der zunächst gestellten Hauptanträge und unter Verzicht auf die durch das angefochtene Urteil zugesprochene Verurteilung lediglich den angekündigten Hilfsantrag gestellt.

Die Beklagten machen geltend, für den Urteilsausspruch des Landgerichts habe kein Rechtsschutzinteresse bestanden, da eine einfache Richtigstellung der Identität nur zur Eintragung im Grundbuch führen könnte, wenn auch die Beklagten als Eigentümer der Wohnung Nr. ##2 im Grundbuch eingetragen wären, was jedoch nicht der Fall sei.

Auch ein Anspruch der Klägerin auf Eigentumsverschaffung habe nicht bestanden, da ihnen, den Beklagten, die Leistung gem. § 275 I BGB unmöglich sei oder ihnen nach § 275 I BGB wegen eines unverhältnismäßigen Aufwandes ein Leistungsverweigerungsrecht zustehe. Sie seien angesichts ihres geringen Einkommens als Rentner nicht in der Lage gewesen, im Zwangsversteigerungsverfahren die Wohnung Nr. ##2 zum Preise von 21.000,00 € zu ersteigern oder die Wohnung von dem jetzigen Eigentümer Dr. C freihändig zu erwerben.

Den bei der Veräußerung der Wohnung an die Klägerin erzielten Kaufpreis von 40.000,00 € hätten sie seinerzeit zum Erwerb einer anderen Eigentumswohnung verwandt und zu deren Finanzierung noch ein weiteres Darlehen von 25.000,00 € aufgenommen, dessen Finanzierungslasten sie mit ihrer niedrigen monatlichen Rente gerade tragen könnten.

Auch ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz oder auf Rückzahlung des Kaufpreises sei gegen sie nicht begründet. Denn sie hätten den schadenstiftenden Umstand nicht zu vertreten. Bei dem Erwerb durch sie von dem Verkäufer Dr. M hätten sie seinerzeit die von dem Sohn des Dr. M bewohnte Wohnung besichtigt. Auch dort sei der notarielle Kaufvertrag abgewickelt worden auf der Grundlage der Wohnung Nr. ##1, für die Dr. M im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Es sei ihnen nicht vorzuwerfen, dass sie auf die entsprechenden Eintragungen im Grundbuch vertraut und nicht kontrolliert hätten, dass es sich auch tatsächlich um die Wohnung handele, die sie hätten haben wollen. Zudem hätten sie, die Beklagten, dann jahrelang unbehelligt in dieser Wohnung gewohnt. Auch den Voreigentümern Dr. M und T sei die Verwechslung nicht aufgefallen. Gleiches gelte für das Zwangsversteigerungsverfahren, aufgrund dessen der Eigentümer T die Wohnung erworben habe und in welchem einem Sachverständigen bei der Besichtigung der Wohnung die Verwechslung nicht aufgefallen sei. Auch dieses spreche für ein fehlendes Verschulden.

Die Beklagten beantragen nunmehr,

1. das Urteil des Landgerichts Münster abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

2. unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche, die der Klägerin hinsichtlich des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Münster von N Blatt #### eingetragenen 43,80/10.000 Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung ##1 des Aufteilungsplans, zustehen.

Sie tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten Im Einzelnen entgegen und macht geltend, der von ihr zunächst in erster Linie verfolgte Eigentumsverschaffungsanspruch sei begründet gewesen. Nachdem jedoch aufgrund der vom jetzigen Eigentümer der Wohnung, Dr. C, erklärt worden sei, wegen zwischenzeitlicher erheblicher Investitionen zu einer Räumung und einem Verkauf nicht mehr bereit zu sein, so dass fest stehe, dass die den Beklagten obliegende Leistung zur Eigentumsverschaffung an der Wohnung unmöglich sei, trete sie, die Klägerin, vom Vertrag zurück und verlange den Ersatz des weitergehenden Schadens, der seit dem Zeitpunkt der Räumung am 19.01.2005 in Höhe der von den Beklagten gezogenen Kapitalnutzung bestehe, welche wertmäßig mit dem gesetzlichen Zinssatz gleichgesetzt werden könne.

B.

Die Berufung der Klägerin hat nach dem zuletzt gestellten Antrag Erfolg, während das auf Klageabweisung gerichtete Rechtsmittel der Beklagten erfolglos bleibt.

Die Klägerin ist zu Recht gem. §§ 326 I, V, 323 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten, nachdem zwischen den Parteien Einvernehmen erzielt worden ist, dass der jetzige Eigentümer Dr. C nicht (mehr) verkaufsbereit und der Klägerin die Erfüllung der ihr obliegenden Leistungspflicht zur Eigentumsverschaffung gemäß § 275 I BGB unmöglich ist.

Dem Grunde nach war der von der Klägerin zunächst geltend gemachte Anspruch auf Eigentumsverschaffung an dem im Wohnungsgrundbuch von N Blatt ####2 eingetragenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung ##2 des Aufteilungsplans, aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom 26.06.2003 zunächst entstanden. Insoweit ist nämlich von folgender Rechtslage auszugehen:

Der frühere Eigentümer T hat durch den Zuschlagsbeschluss vom 21.11.1997 in dem Zwangsversteigerungsverfahren 9 K 59/94 AG Münster Eigentum an der Eigentumswohnung ##1 erworben. Auf die Vorstellung des Ersteigerers, die Eigentumswohnung ##2 zu erwerben, kommt es bei einem originären Erwerb aufgrund staatlichen Hoheitsaktes nicht an.

X. Y. ist auch bis heute Eigentümer der Wohnung ##1 geblieben, da die nachfolgenden rechtsgeschäftlichen Veräußerungsgeschäfte (Verkauf am 28.07.1998 und Auflassung von T an Dr. M sowie vom 28.09.2000 von Dr. M an die beklagten Eheleute F und vom 26.06.2003 von den Beklagten an die Klägerin) trotz anderslautender Bezeichnung in den jeweiligen Kaufverträgen (als Wohnung A 27) jeweils über die von Ihnen besichtigte Eigentumswohnung ##2 geschlossen worden sind. Insoweit kommt es auf die gemeinsame Vorstellung der jeweiligen Vertragsparteien von dem Kaufgegenstand an.

Die kaufvertragliche Einigung auch der Parteien dieses Rechtsstreits bezog sich daher auf die Eigentumswohnung ##2.

Wegen der mittlerweile zwischen den Parteien unstreitigen Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch die Beklagten ist der Anspruch auf Eigentumsverschaffung (§ 433 I BGB) jedoch gem. § 275 I BGB ausgeschlossen.

Die Klägerin kann allerdings nunmehr gem. § 326 IV BGB die bereits bewirkte Gegenleistung in Form der Kaufpreiszahlung in Höhe von 40.000,00 € zurückverlangen. Dieses Rücktrittsrecht besteht unter Geltung des neuen Schuldrechts gem. § 323 BGB selbst dann, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. Palandt-Grüneberg, § 323 Rn 1). Insoweit kommt es nicht auf die zwischen den Parteien erörterte Frage an, ob den Beklagten ein Verschulden unter dem Gesichtspunkt zur Last fällt, dass sie eine eigene Kontrolle der Wohnungsbezeichnungen nicht vorgenommen haben und ihnen die Verwechslung der Wohnungen daher nicht aufgefallen ist.

Der Rückzahlungsanspruch war allerdings entsprechend dem gestellten Antrag nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche zuzuerkennen, die der Klägerin hinsichtlich der im Wohnungsgrundbuch vorhandenen Eintragung an der Wohnung ##1 des Aufteilungsplanes zustehen. In Betracht kommt hier vor allem ein Grundbuchberichtigungsanspruch wegen der vorhandenen Buchposition.

Da die Klägerin zu Recht den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat, steht ihr neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. § 346 I BGB auch ein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen in der Form der Kapitalnutzung, soweit sie nicht selbst die Wohnung hat nutzen können, zu. Dieser von den Beklagten gezogene Nutzungsvorteil ist vorliegend nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin mit dem gesetzlichen Zinssatz (5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) gleichsetzen.

Die Klägerin begehrt eine Verzinsung auch erst seit dem 20.01.2005, nachdem sie die Nutzung der ihr übergebenen Wohnung Nr. ##1 auf Verlangen des Verwalters hatte aufgeben müssen.

Das angefochtene Urteil war daher, wie erkannt, abzuändern.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 II, 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die gesamten Kosten des Rechtsstreits waren den Beklagten aufzuerlegen. Der von der Klägerin angegebene Streitwert für den zunächst verfolgten Eigentumsverschaffungsanspruch entsprach der Höhe der Kaufpreiszahlung, so dass insoweit wirtschaftliche Identität anzunehmen ist. Soweit die Klägerin Verzicht auf die durch das angefochtene Urteil zugesprochene Verurteilung (Feststellung) erklärt hat, entfällt hierauf lediglich ein Streitwertanteil von 1.000 €, so dass bei einem Gesamtstreitwert von 41.000 € nach Maßgabe des § 97 II Nr. 1 ZPO eine anteilige Kostentragungspflicht der Klägerin nicht gerechtfertigt erscheint.

Ende der Entscheidung

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