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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: 22 U 77/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 123
BGB § 504
BGB § 505
BGB § 242
1.

Die Anfechtung des notariellen Kaufvertrages durch den Drittkäufer wegen arglistiger Täuschung hindert den Vorkaufsberechtigten an der Ausübung seines Vorkaufsrechts jedenfalls dann, wenn die Anfechtung vom Drittkäufer vor Ausübung des Vorkaufsrechts erklärt wird.

2.

Zur Frage der Treuwidrigkeit der Berufung auf die infolge der durch arglistiges Verhalten des Vorkaufsverpflichteten veranlaßte Anfechtung durch den Drittkäufer.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 77/00 OLG Hamm 3 O 356/99 LG Paderborn

Verkündet am 21. Dezember 2000

Skrzypek, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2000 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Gottwald sowie den Richter am Amtsgericht Klein

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Februar 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleitung in Höhe von 18.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer des Klägers beträgt 142.800,00 DM.

Tatbestand:

Der Beklagte ist Eigentümer von drei im Grundbuch von Blatt unter den lfd. Nr. bis eingetragenen unbebauten Grundstücken.

An diesen Grundstücken besteht zugunsten des Klägers ein im Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht. Dieses hatte der Beklagte dem Kläger eingeräumt, als dieser das benachbarte Grundstück erworben hatte, da der Kläger ein Interesse daran hatte, daß diese Grundstücke unbebaut blieben. Mit notariellem Kaufvertrag des Notars raus vom 6. Mai 1999 (UR-Nr.) verkaufte der Beklagte die genannten Grundstücke zum Kaufpreis von 142.800,00 DM an die Firma.

Der beurkundende Notar zeigte dem Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 1999 den Abschluß des Kaufvertrages an und forderte ihn gleichzeitig auf, binnen zwei Monaten eine Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts zu treffen.

Mit notarieller Erklärung vom 9. Juli 1999, die dem Beklagten am 12. Juli 1999 zugestellt wurde, übte der Kläger sein Vorkaufsrecht aus.

Der Beklagte verweigerte in der Folgezeit die Auflassung der Grundstücke an den Kläger unter Hinweis auf ein ihm am 1. oder 2. Juni 1999 zugegangenes Schreiben der Firma in dem diese den Kaufvertrag angefochten hatte. Zur Begründung führte die Firma in dem genannten Schreiben aus, der Beklagte habe ihr zugesagt, die Grundstücke könnten sofort bebaut werden. Tatsächlich war ihr auf eine entsprechende Bauvoranfrage mit Schreiben der Stadt vom 27. Mai 1999 mitgeteilt worden, daß eine Bebauung der Grundstücke wegen nicht gesicherter Erschließung derzeit nicht zulässig sei und daher beabsichtigt sei, die entsprechende Bauvoranfrage negativ zu bescheiden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Anfechtung des Kaufvertrages durch die Firma sei unwirksam. Dazu hat er behauptet, ein Anfechtungsgrund liege nicht vor. Selbst wenn der Beklagte gegenüber der Firma die in dem Schreiben vom 1. Juni 1999 behaupteten Angaben gemacht habe, läge ein Anfechtungsgrund nicht vor, da der Beklagte gegenüber der Stadt jedenfalls einen Anspruch auf Erschließung der Grundstücke habe. Zudem sei die Anfechtungserklärung nur zum Schein und unter falschem Datum erst nach Ausübung des Vorkaufsrechts abgegeben worden. Dazu hat er behauptet, der Geschäftsführer der Firma der Zeuge habe ihm bereits vor Abschluß des Kaufvertrages gesagt, er könne nicht Eigentümer der Grundstücke werden, sondern allenfalls das Zustandekommen des Kaufvertrages mit dem Beklagten verhindern. Zudem habe der Zeuge ihm 2.000,00 DM angeboten, wenn er von seinem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch mache.

Schließlich hat er die Ansicht vertreten, die vor Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgte Anfechtung wirke sich nicht auf sein Vorkaufsrecht aus. Jedenfalls sei die Berufung auf die Anfechtung des Kaufvertrages rechtsmißbräuchlich. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beklagten sei nicht erkennbar. Zudem habe der Beklagte durch seine arglistige Täuschung die Grundlage für die Anfechtung geschaffen und sei deshalb wegen der Verletzung eigener Pflichten an der Berufung auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages gehindert.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 142.800, 00 DM den im Grundbuch von Blattverzeichneten Grundbesitz lfd. Nr. Flur Nr. Gebäude- und Freifläche lfd. Nr. Flur Nr. wie vor, 4 Quadratmeter, lfd. Nr. Flur Nr. wie vor, 450 Quadratmeter an ihn aufzulassen und seine Eintragung als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe aufgrund der erfolgten Anfechtung des Kaufvertrages sein Vorkaufsrecht nicht wirksam ausüben können. Die Anfechtung des Kaufvertrages sei wirksam erfolgt. Er habe die Firma durch Angaben ins Blaue hinein über die Frage der sofortigen Bebaubarkeit der Grundstücke getäuscht. Dazu hat er behauptet, der Zeuge habe vor Abschluß des notariellen Kaufvertrages erklärt, er wolle die Grundstücke sofort bebauen. Daraufhin habe er dem Zeugen zugesichert, die Grundstücke könnten sofort bebaut werden, obwohl er insoweit keinerlei Erkundigungen eingeholt hätte. Die Anfechtungserklärung sei auch nicht rückdatiert worden. Er hat zudem die Ansicht vertreten, die Berufung auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages sei nicht rechtsmißbräuchlich.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. Februar 2000 Bezug genommen.

Durch Urteil vom 10. Februar 2000 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünde wegen der von der Firma erklärten Anfechtung kein Anspruch auf Auflassung der Grundstücke gegen den Beklagten zu. Aufgrund der anfänglichen Nichtigkeit der auf Abschluß des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung der Firma habe im Zeitpunkt der Ausübungserklärung durch den Kläger am 12. Juli 1999 ein wirksamer Vorkaufsfall nicht bestanden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, daß die Firma den Kaufvertrag mit Schreiben vom 1. Juni 1999 wirksam angefochten habe. Der Kläger habe sie arglistig über die Bebaubarkeit der Grundstücke getäuscht, indem er ins Blaue hinein unrichtige Angaben über die für die Firma bei Vertragsschluß wesentliche sofortige Bebaubarkeit der Grundstücke gemacht habe. Die Berufung auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages seitens des Beklagten stelle auch keinen Rechtsmißbrauch dar. Dies gelte insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Beklagte selbst die Anfechtbarkeit herbeigeführt habe. Zum einen gebe es keinen allgemeinen Grundsatz, wonach nur derjenige Rechte geltend machen darf, der sich selbst rechtstreu verhalte. Zudem stelle sich die Pflichtverletzung des Beklagten, die lediglich darin bestanden habe, daß er Angaben ins Blaue hinein gemacht habe, als nicht so schwerwiegend dar, daß die Berufung auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages den Vorwurf der Treuwidrigkeit rechtfertige.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 9. März 2000 zugestellt worden ist, hat dieser mit einem am 7. April 2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 17. April 2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang weiter. Er bestreitet nicht weiter, daß die Firma bei Abschluß des notariellen Kaufvertrages durch den Beklagten arglistig getäuscht worden ist. Er stellt insbesondere unstreitig, daß der Beklagte gegenüber dem Zeugen zumindest ins Blaue hinein behauptet hat, die verkauften Grundstücke seien sofort bebaubar. Er vertieft seine Auffassung, die Berufung auf die wirksame Anfechtung des notariellen Kaufvertrages sei rechtsmißbräuchlich. Dies folge unmittelbar aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB.

Er beantragt,

das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 10. Februar 2000 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 142.800,00 DM den im Grundbuch von Blatt verzeichneten Grundbesitz lfd. Nr. Flur Nr. Gebäude- und Freifläche, 22 Quadratmeter, lfd. Nr. Flur Nr. wie vor, 4 Quadratmeter, lfd. Nr. Flur Nr. wie vor, 450 Quadratmeter an den Kläger aufzulassen und dessen Eintragung als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug, insbesondere vertieft er seine Auffassung, die Berufung auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages mit der Firma sei nicht rechtsmißbräuchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Übereignung der in Rede stehenden Grundstücke aus den §§ 433 Abs. 1, S. 1, 505 Abs. 2 BGB zu. Infolge der von der Firma vor Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Kläger erklärten Anfechtung ihrer auf Abschluß des notariellen Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichteten Willenserklärung lag ein für die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts erforderlicher wirksamer Kaufvertrag zwischen dem vorkaufsverpflichteten Kläger und der Firma als Drittkäufer (§ 504 BGB) nicht vor.

Die Firma hat den Kaufvertrag mit dem Kläger mit Schreiben vom 1. Juni 1999 wirksam angefochten. Dagegen spricht nicht, daß es in dem Schreiben heißt, sie wolle "vom Vertrag zurücktreten". Soweit es gleichzeitig am Schluß des genannten Schreibens heißt, daß sie den Vertrag anfechten wolle, ist trotz des mehrdeutigen Inhalts der Erklärung davon rauszugehen, daß die Firma den Kaufvertrag anfechten wollte. Denn als Grund für die beabsichtigte Vertragsbeendigung nennt ihr Geschäftsführer allein den Umstand, daß die veräußerten Grundstücke nicht bebaut werden können und er sich deshalb vom Beklagten getäuscht fühle. Es ist davon auszugehen, daß eine Anfechtung des Vertrages gemäß § 123 BGB gewollt war. Denn die genannten Gründe rechtfertigen kein Rücktrittsrecht, sondern allein die Anfechtung. Für den Fall der mangelnden Bebaubarkeit der Grundstücke besteht weder ein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht, noch sind die Voraussetzungen des § 326 BGB erfüllt.

Der Firma stand ein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB zu. Der Beklagte hat sie bei Abschluß des Kaufvertrages durch Täuschung über solche Umstände zur Abgabe ihrer Willenserklärung bestimmt, die auch nach seiner Einschätzung für die Entscheidung der Firma zum Abschluß des Kaufvertrages von wesentlicher Bedeutung war, so daß sie bei Kenntnis von deren Nichtvorliegen den Vertrag nicht geschlossen hätte (vgl. Palandt-Heinrichs § 123 Rdn. 11). Aufgrund der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß es der Firma als Bauträgerin auf die sofortige Bebaubarkeit der Grundstücke entscheidend ankam. Eine derartige Zusicherung ist dem Zeugen von dem Beklagten gemacht worden, obwohl sich später herausstellte, daß mangels gesicherter Erschließung der Grundstücke eine sofortige Bebauung nicht möglich war. Dies hat der Zeuge im Rahmen seiner Vernehmung bekundet. Anhaltspunkte dafür, daß er insoweit die Unwahrheit gesagt haben könnte, sind nicht ersichtlich. Auch der Kläger zweifelt die Richtigkeit der Aussage des Zeugen erkennbar nicht an.

Der Beklagte handelte arglistig im Sinne von § 123 BGB. Dies gilt auch für den Fall, daß er von der Unzulässigkeit einer sofortigen Bebauung positiv keine Kenntnis hatte. Arglist im Sinne von § 123 BGB liegt nicht nur für den Fall der bewußten Täuschung vor; vielmehr genügt insoweit auch bedingter Vorsatz. Dieser ist gegeben, wenn der Handelnde, obwohl er mit der möglichen Unrichtigkeit seiner Angaben rechnet, ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufstellt (Palandt-Heinrichs § 123 Rdn. 11). Der Arglistvorwurf resultiert in diesen Fällen daraus, daß der Handelnde sich der ihm ohne weiteres möglichen und zumutbaren Erkenntnis der die Täuschung begründenden Umstände verschließt und das Fehlen derartiger Umstände blindlings vertraglich zusichert. Daß ihm die Umstände tatsächlich nicht bekannt waren, ist dabei unerheblich. Das arglistige Verhalten liegt hier gerade darin, daß dem Erklärenden, was ihm auch bewußt war, jegliche zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlt und daß er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschwiegen hat (BGH NJW 1980, 2460, 2461). So liegt der Fall hier. Unstreitig hat der Beklagte vor Abschluß des Kaufvertrages mit der Firma keinerlei Informationen zur Frage der sofortigen Bebaubarkeit der Grundstücke eingeholt. Wenn er trotzdem deren sofortige Bebaubarkeit zusichert, war ihm bewußt, daß ihm eine sachliche Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob seine Zusicherung zutreffend ist, fehlte.

Von ihrem Anfechtungsrecht hat die Firma mit Schreiben vom 1. Juni 1999 Gebrauch gemacht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz steht fest, daß die Anfechtungserklärung tatsächlich unter dem 1. Juni 1999 abgegeben worden ist. Dies hat der Zeuge bekundet. Anhaltspunkte dafür, daß diese Bekundung nicht der Wahrheit entsprechen könnte, sind nicht ersichtlich. Mangels Vorliegen gegenteiliger Umstände ist auch davon auszugehen, daß die Anfechtungserklärung dem Beklagen tatsächlich noch am 1. oder am 2. Juni 1999 zugegangen ist.

Die Auffassung, die Anfechtungserklärung habe lediglich eine Scheinerklärung gem. § 116 BGB dargestellt, hat der Kläger in 2. Instanz offensichtlich nicht weiterverfolgt. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen sind Anhaltspunkte insoweit auch nicht ersichtlich.

Die durch die Anfechtung der auf Abschluß des notariellen Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung bewirkte Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrages vom 6. Mai 1999 (§ 142 Abs. 1 BGB) hindert den Kläger an der wirksamen Ausübung seines Vorkaufsrechtes. Dies gilt jedenfalls für den hier vorliegenden Fall, daß die Anfechtung vor Ausübung des Vorkaufsrechts erklärt wird.

Anerkannt in Literatur und Rechtsprechung ist, daß ein wirksamer Kaufvertrag im Sinne von § 504 BGB dann nicht vorliegt, wenn dessen Wirksamkeit Nichtigkeitsgründe im Sinne der §§ 125, 134, 138 BGB entgegenstehen (vgl. Palandt-Putzo § 504 Rdn. 5, MüKo-Westermann BGB § 504 Rdn. 14 m.w.N.). Nicht unumstritten ist allerdings die Frage, ob auch im Falle der Anfechtung, die gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Folge hat, daß das angefochtene Rechtsgeschäft von Anfang an als nichtig anzusehen ist, der Vorkaufsberechtigte an der Ausübung seines Vorkaufsrechts gehindert ist. Ausgehend von einer Entscheidung des Reichsgerichts (RG SeuffA 78 Nr. 14) wird allgemein davon ausgegangen, daß auch die durch die Anfechtung bewirkte Nichtigkeit des zugrundeliegenden Kaufvertrages grundsätzlich die Ausübung des Vorkaufsrechts verhindert (vgl. MüKo-Westermann § 504 Rdn. 15; Soergel-Huber BGB 12. Aufl. § 504 Rdn. 20). Einschränkungen von diesem Grundsatz werden allerdings dann gemacht, wenn schutzwürdige Interessen des Vorkaufsverpflichteten der Wirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht entgegenstehen. Nach den Auffassungen in der Literatur soll dies dann der Fall sein, wenn entweder der Vorkaufsverpflichtete durch eine Täuschung gegenüber dem Drittkäufer die Anfechtbarkeit des Vertrages bewirkt hat oder die Anfechtungsgründe dem Schutz seiner wirtschaftlichen Interessen dienen und entfallen, wenn das Vorkaufsrecht ausgeübt worden ist (MüKo-Westermann a.a.O.; Soergel-Huber a.a.O.; Schurig, Das Vorkaufsrecht im Privatrecht, S. 144). Der BGH hat in einer Entscheidung vom 25.9.1986 (BGH NJW 1987, 890, 893) ausgeführt, daß eine Anfechtung des Grundgeschäftes nicht stets zum rückwirkenden Entfallen des Vorkaufsverhältnisses führen muß, wenn der Vorkaufsverpflichtete erst in einem Zeitpunkt sein Anfechtungsrecht ausübt, nachdem der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht bereits ausgeübt hat. Sowohl die Stimmen in der Literatur, als auch die zitierte BGH-Entscheidung gehen aber erkennbar davon aus, daß eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung für den Vorkaufsfall lediglich dann ohne Bedeutung sein kann, wenn sie nach Ausübung des Vorkaufsrechts erklärt wird.

Auch nach Auffassung des Senats könnte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung lediglich dann für den Eintritt des Vorkaufsfalles bedeutungslos sein, wenn sie nach Ausübung des Vorkaufsrechtes erklärt wird. Denn das Grundgeschäft und das Vorkaufsverhältnis sind grundsätzlich unabhängig voneinander zu betrachten. § 505 Abs. 2 BGB stellt nämlich ausdrücklich klar, daß der Vorkaufsberechtigte nicht in den geschlossenen Kaufvertrag mit dem Berechtigten eintritt, sondern mit Ausübung des Vorkaufsrechtes ein neuer selbständiger Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten zu den Bedingungen des ursprünglichen Kaufvertrages zustande kommt. Wenn folglich das Grundgeschäft angefochten wird, bevor das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, fehlt im Zeitpunkt der Ausübung das den Rechtswirkungen des § 505 Abs. 2 zugrundeliegende Grundgeschäft, so daß ein Vorkaufsfall nicht mehr gegeben ist. Ob die Anfechtung des Kaufvertrages wegen einer arglistigen Täuschung des Verkäufers den Eintritt des Vorkaufsfalles tatsächlich hindert, kann deshalb vorliegend dahinstehen. Im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechtes durch den Beklagten war die Anfechtung des Kaufvertrages bereits erklärt.

Die Berufung des Beklagten auf die Nichtigkeit des Kaufvertrages verstößt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie stellt insbesondere keine unzulässige Rechtsausübung dar. Zwar kann gemäß § 242 BGB die Ausübung eines Rechtes mißbräuchlich sein, wenn der Berechtigte es durch gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben hat. Voraussetzung ist jedoch stets, daß das unredliche Verhalten für den Inhaber der Rechtsposition Vorteile und dem Schuldner (hier dem Kläger) Nachteile gebracht hat, die bei redlichem Verhalten nicht entstanden wären. Rechtsfolge eines zu mißbilligenden Verhaltens, das die Rechte der Gegenpartei zu vereiteln geeignet ist, kann deshalb lediglich sein, daß es rechtlich unbeachtlich bleibt (BGH LM (Cd) Nr. 226; MüKo-Roth § 242 Rdn. 283; Palandt-Heinrichs § 242 Rdn. 43). Daher kann der Kläger über den Grundsatz von Treu und Glauben lediglich so gestellt werden, als hätte sich der Beklagte bei Abschluß des Kaufvertrages mit der Firma redlich verhalten. In diesem Fall hätte der Beklagte den Geschäftsführer der Firma entweder auf seine mangelnde Kenntnis oder auf die fehlende Bebaubarkeit der Grundstücke hinweisen müssen. Aufgrund der - nach nunmehr übereinstimmendem Parteivortrag - richtigen Aussage des Zeugen in erster Instanz hätte er für den Fall der Nichtbebaubarkeit der Grundstücke den Kaufvertrag aber nicht abgeschlossen. Deshalb wäre für den Fall, daß der Beklagte sich redlich verhalten hätte, ein Kaufvertrag über die in Rede stehenden Grundstücke nicht abgeschlossen worden. Für diesen Fall hätte der Kläger sein Vorkaufsrecht aber ebenfalls nicht ausüben können.

Dagegen spricht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB. Soweit der Kläger sich zur Stützung seiner Auffassung insoweit auf die Ausführungen von Schurig (Das Vorkaufsrecht im Privatrecht) bezieht, ist zunächst festzustellen, daß auch dieser zutreffenderweise davon ausgeht, daß eine Anwendung des Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB lediglich für den Fall in Betracht kommen kann, daß die Anfechtung nach Eintritt des Vorkaufsfalls erklärt wird (Schurig a.a.O. S. 143). Zudem will auch Schurig unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB lediglich den Verkäufer an der Ausübung eines ihm zustehenden Anfechtungsrechtes hindern, während auch seiner Meinung nach für den Fall, daß das Anfechtungsrecht dem Käufer zusteht, § 162 Abs. 1 BGB nicht anwendbar ist (Schurig a.a.O. S. 145). Unabhängig davon, ob der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB im Rahmen der Ausübung des Vorkaufsrechtes überhaupt Anwendung finden kann, ist er für den Fall, daß das Anfechtungsrecht dem Käufer zusteht, jedenfalls nicht einschlägig. Denn die Grundsätze von Treu und Glauben können sich immer nur auf die Beziehungen der am konkret in Rede stehenden Vertragsverhältnis - hier dem Vorkaufsrecht - beteiligten Parteien beziehen. Soweit ein an diesem Vertragsverhältnis nicht beteiligter Dritter - im Fall des Vorkaufsrechts der Drittkäufer - in Ausübung von ihm berechtigterweise zustehenden Gestaltungsmöglichkeiten den Eintritt der für das andere Vertragsverhältnis bedeutsamen Bedingung verhindert, kann dies den Vorwurf der Treuwidrigkeit - bezogen auf ein Rechtsverhältnis, an dem er nicht beteiligt ist - nicht begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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