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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 22 U 78/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 325 | |
BGB § 1093 |
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
22 U 78/01 OLG Hamm
Verkündet am 17. Dezember 2001
In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2001 durch die Richter am Oberlandesgericht Gottwald und Aschenbach und den Richter am Landgericht Dr. Pötting
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. März 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in genannter Höhe leistet. Die Sicherheiten können durch selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaft einer deutschen Großbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank geleistet werden.
Die Beschwer der Kläger übersteigt 60.000,00 DM.
Tatbestand:
Die Kläger verkauften mit notariellem Vertrag vom 25.10.1990 ihr Hausgrundstück an die Beklagte.
In § 3 regelten die Parteien zu Gunsten der Kläger ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnrecht an den dort näher bezeichneten Räumlichkeiten. Sie bewilligten und beantragten die Eintragung des Wohnrechts für die Kläger im Grundbuch und bewilligten einen Vorrang für noch zu bestellende Grundschulden bis zu einer Höhe von 150.000,00 DM.
Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf seine Kopie (Bl. 10-19 d.A.) Bezug genommen.
Das Wohnrecht wurde zu Gunsten der Kläger eingetragen und die Beklagte belastete das Grundstück in der Folgezeit mit vorrangigen Grundschulden in einer Gesamthöhe von 150.000,00 DM.
Am 03.02.1998 erfolgte die Zwangsversteigerung des Grundstücks auf Betreiben der Grundschuldgläubiger, weil die Beklagte die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht bedient hatte. Dies hatte zur Folge, dass auch das Wohnrecht erlosch. Aus der Verteilung des Versteigerungserlöses erhielten die Kläger für ihr Wohnrecht, dass mit 299.160,00 DM in die Forderungstabelle eingestellt worden war, aufgrund vorrangig zu befriedigender Ansprüche nur einen Betrag i.H.v. insgesamt 25.859,35 DM ausgezahlt.
Wegen des Verlustes ihres Wohnrechts verlangten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 01.09.1998 unter Fristsetzung zum 10.09.1998 von der Beklagten eine monatliche Entschädigung i.H.v. 1.800,00 DM rückwirkend ab Februar 1998 und weiterhin den Ersatz von Umzugskosten i.H.v. 6.000,00 DM sowie die Erstattung ihrer Anwaltskosten im Zwangsversteigerungsverfahren.
Die Kläger haben behauptet, die Beklagte habe es in offensichtlich gezielter Weise verstanden, sich unter Ausnutzung der Unerfahrenheit der Kläger das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen und sich von den Klägern - unter Berücksichtigung einer unzureichenden Belehrung durch den Urkundsnotar über die Risiken einer Vorrangeinräumung - zusätzlich noch einen Vorrang für noch zu bestellende Grundpfandrechte einräumen zu lassen, um es sodann offensichtlich zur Tilgung der Grundpfandrechte und der damit verbundenen Verbindlichkeiten gezielt auf eine Zwangsversteigerung des Grundbesitzes ankommen zu lassen.
Unbeschadet dieser Ausführungen stehe außer Frage, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Schaden zu ersetzen, der durch den Verlust des Wohnrechts entstanden sei. Der Wert des Wohnrechts sei mit mindestens 1.600,00 DM/Monat anzusetzen. Weiterhin seien ihnen Umzugs- und Renovierungskosten für eine neue Wohnung i.H.v. mindestens 6.000,00 DM sowie Rechtsanwaltskosten für die Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren i.H.v. 3.810,60 DM entstanden, die die Beklagte als Folge ihres vertragswidrigen Verhaltens bzw. des von ihr zu vertretenden Verlustes des Wohnrechts ebenfalls zu erstatten habe.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger eine lebenslange, monatliche Entschädigung für den Verlust des Wohnrechts der Kläger an dem Hausgrundstück zu zahlen, und zwar rückwirkend ab dem 3. Februar 1998, deren Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch monatlich 1.600,00 DM, den bestehenden Rückstand sofort, künftige monatliche Entschädigungszahlungen jeweils zum 5. eines jeden Monats im Voraus, abzüglich folgender Zahlungen aus Zwangsversteigerungsverfahren durch Gerichtskasse:
a) 10.06.98 DM 9.000,00
b) 02.10.98 DM 4.518,00
c) 19.11.98 DM 4.527,00
d) 02.03.99 DM 4.540,50
e) 17.06.99 DM 3.273,85
außerdem zuzüglich 4% Verzugszinsen auf die Entschädigungsansprüche für die Monate Februar bis September 1998 seit dem 11.09.1998 sowie wegen der ab Oktober 1998 fälligen Entschädigungsbeträge 4% Verzugszinsen seit dem 5. des jeweiligen Monats; den Klägern als Gesamtgläubiger weitere 6.000,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 11.09.1998 zu zahlen; an die Kläger weitere 3.810,60 DM zzgl. 4% Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Gesamtgläubiger deren künftigen Schaden aus dem Verlust des Wohnrechts am Hausgrundstück zu ersetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, sie habe das Grundstück zur Finanzierung des Kaufpreises belastet und habe die damit verbundenen Verpflichtungen jahrelang einwandfrei erfüllt, bis sie zuletzt aufgrund eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten hierzu nicht mehr in der Lage gewesen sei. Gegen Pflichten aus dem notariellen Kaufvertrag habe sie nicht verstoßen.
Das Landgericht hat die Beklagte - unter Abweisung eines Teils des Zinsanspruches - verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 69.010,60 DM nebst 4% Zinsen aus 18.800,00 DM seit dem 11.09.1998, aus jeweils weiteren 1.600,00 DM seit dem 06.10.1998, dem 06.11.1998, dem 06.12.1998, dem 06.01.1999, dem 06.02.1999, dem 06.03.1999, dem 06.04.1999, dem 06.05.1999, dem 06.06.1999, dem 06.07.1999, dem 06.08.1999, dem 06.09.1999, dem 06.10.1999, dem 06.11.1999, dem 06.12.1999, dem 06.01.2000, dem 06.02.2000, dem 06.03.2000, dem 06.04.2000, dem 06.05.2000, dem 06.06.2000, dem 06.07.2000, dem 06.08.2000, dem 06.09.2000, dem 06.10.2000, dem 06.11.2000, dem 06.12.2000, dem 06.01.2001 und dem 06.02.2001 sowie aus 3.810,60 DM seit dem 02.06.2000 abzüglich der durch die Gerichtskasse im Zwangsversteigerungsverfahren erfolgten Zahlungen von 9.000,00 DM am 10.06.1998, 4.518,00 DM am 02.10.1998, 4527,00 DM am 19.11.1998, 4.540,50 DM am 02.03.1999 und 3.273,85 DM am 17.06.1999 zu zahlen.
Weiterhin ist die Beklagte verpflichtet, ab März 2001 an die Kläger als Gesamtgläubiger für den Verlust des Wohnrechts am Grundstück in Höhe von 1.600,00 DM jeweils zum 5. eines jeden Monats im Voraus zu zahlen und das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern als Gesamtgläubiger deren zukünftigen Schaden aus dem Verlust des Wohnrechts an dem oben genannten Hausgrundstück zu ersetzen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Anspruch der Kläger ergebe sich aus § 325 BGB. Mit der Zwangsversteigerung des Grundstücks sei der Beklagten die Erfüllung des vertraglich vereinbarten lebenslangen Wohnrechtes unmöglich geworden. Die Beklagte habe die Nichterfüllung des Vertrages auch zu vertreten, da nach einem der Rechts- und Wirtschaftsordnung immanenten allgemeinen Grundsatz jedermann - so auch die Beklagte - für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (Bl. 76-77 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie macht geltend, den Kaufpreis habe sie gezahlt. Ansonsten habe sie nach dem Kaufvertrag keine Geldleistung geschuldet, sondern die Einräumung des Wohnrechts, so dass die Grundsätze zur finanziellen Leistungsfähigkeit nicht anwendbar seien.
Die Beklagte beantragt
unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und führen ergänzend aus, dass es allein deswegen zum Verlust des Wohnrechts gekommen sei, weil die Beklagte die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Darlehen nicht mehr bedient habe. Von der Schuldentilgung hänge es aber ab, dass die Kläger ihr lebenslängliches Wohnrecht behielten. Darlehenstilgung und Wohnrecht seien aufgrund des notariellen Vertrages untrennbar miteinander verknüpft.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
I
Ein Anspruch aus § 325 BGB besteht nicht, da der Beklagten eine ihr aus einem gegenseitigen Vertrage obliegende Leistung nicht unmöglich geworden ist.
In § 2 Nr. 2 des notariellen Kaufvertrages vom 25.10.1990 hat sich die Beklagte schuldrechtlich verpflichtet, den Klägern ein dingliches Wohnrecht an den dort näher bezeichneten Räumlichkeiten zu bestellen. Diese vertraglich geschuldete Leistung hat die Beklagte erbracht. In der selben Urkunde wurde das Wohnrecht bewilligt und seine Eintragung ins Grundbuch beantragt. Die Eintragung ist erfolgt. Damit ist Erfüllung eingetreten (vgl. BGH NJW-RR 1999, 376 = MDR 1999, 218 [219]), so dass Schadensersatzansprüche nach § 325 BGB wegen des nunmehr in der Zwangsversteigerung untergegangenen dinglichen Wohnrechts nicht bestehen.
Eine eigenständige schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten, neben der Bestellung des dinglichen Wohnrechts auch für den Bestand des Wohnrechts im Sinne eines Dauerschuldverhältnisses auf Lebenszeit einstehen zu wollen, kann weder der Regelung in § 2 Nr. 2 des Kaufvertrages noch den Umständen des Vertragsschlusses entnommen werden, noch wird von den Klägern ein solch übereinstimmender Wille der Parteien bei Vertragsschluss behauptet.
II
Ein sonstiger Schadensersatzanspruch, sei es aus c.i.c., pVV, § 823 I, oder § 826 BGB ist nicht schlüssig dargelegt.
Hierzu reicht es nicht zu behaupten, die Beklagte habe es in offensichtlich gezielter Weise verstanden, sich unter Ausnutzung der Unerfahrenheit der Kläger das Eigentum an dem Grundstück und eine Vorrangeinräumung für Grundschulden i.H v. 150.000,00 DM vor dem Wohnrecht zu verschaffen, um es sodann offensichtlich gezielt auf eine Zwangsversteigerung des Grundstücks ankommen zu lassen.
Soweit die Kläger behaupten, sie seien über die Bedeutung und Folgen der Vorrangeinräumung nicht richtig aufgeklärt worden, ist hierdurch eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht dargelegt. Unabhängig von der Frage, ob eine Aufklärungspflicht der Beklagten bestand, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte um die Bedeutung und rechtlichen Folgen überhaupt wusste.
Für einen Beratungsfehler des Urkundsnotars, den die Beklagte in diesem Zusammenhang behauptet, hat die Beklagte nicht einzustehen.
III
Ansprüche gegen die Beklagte ergeben sich nicht aus dem Wohnrecht selbst.
Soweit die Kläger an ihrer Rechtsausübung gehindert sind, erfolgte dies nicht widerrechtlich und insbesondere nicht durch die Beklagte. Die Beklagte hat den Klägern die Nutzung der vom Wohnrecht erfassten Räume überlassen und weder Besitz noch Nutzung gestört.
Der eingetretene Rechtsverlust ist gem. § 91 I ZVG die gesetzliche Folge des Zuschlages in der Zwangsversteigerung.
Der Beklagten oblag weder aus dem eingeräumten Wohnrecht noch aus anderem Recht die Verpflichtung, die Kläger vor diesen gesetzlichen Folgen zu schützen und für die damit einhergehenden Vermögensverluste einzustehen.
IV
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO und die Feststellung der Beschwer aus § 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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