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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.02.2005
Aktenzeichen: 22 U 81/04
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 273 I
HGB § 369
HGB § 344
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25. März 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

540 ZPO)

A)

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe eines Grundschuldbriefs. Mit notariellem Vertrag vom 06.03.2002 hatte die Klägerin vom Beklagten die unter anderem in Abt. III lfd. Nr. 2 mit einer nicht valutierten Eigentümergrundschuld über 165.000 DM belasteten Flurstücke Flur X Nr. XX und XX in G zum Kaufpreis von 88.965 € erworben. Im Kaufvertrag beantragten die Parteien übereinstimmend die Löschung auch der Eigentümergrundschuld. Nach Fälligstellung des Kaufpreises durch den Urkundsnotar mit Schreiben vom 22.08.2002 und nach erfolgter Kaufpreiszahlung wurde das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 13.06.2003 auf die Klägerin aufgelassen. Am 15.08.2002 erteilte der Beklagte die Löschungsbewilligung bezüglich der Eigentümergrundschuld. Den Grundschuldbrief gab er trotz entsprechender Aufforderung in der Folge nicht heraus.

Der Beklagte ist der auf Herausgabe des Grundschuldbriefs gerichteten Klage unter anderem mit der Behauptung entgegengetreten, ihm stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu. Er sei bei zahlreichen Bauvorhaben von der Klägerin mit der Ausführung der Tragwerksplanung beauftragt worden. Seine Arbeiten habe er stets ordnungsgemäß ausgeführt. Bezahlt worden sei er jedoch nicht. Ihm stehe aus den Rechnungen vom 04.06.2003 über 5.592,76 € (BV L2-Straße Haus 1 in G), 5.042,06 € (BV L2-Straße Haus 2 in G), 5.094,14 € (BV L2-Straße Haus 3 in G), 4.412,67 € (BV L2-Straße Haus 4 in G), vom 05.12.2002 über 12.021,78 € (BV L-Straße in G), vom 01.12.2002 über 14.119,22 € (BV Q-Straße in N), vom 15.06.2003 über 11.645 € (BV T-Straße in I Haus 5 und 6), vom 25.10.2002 über 11.376,95 (BV T-Straße in I Haus 1 und 2) sowie vom 27.10.2002 (T-Straße in I Haus 3 und 4) noch eine Gesamtforderung in Höhe 79.983,60 € gegen die Klägerin zu.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien einschließlich des genauen Inhalts der erstinstanzlich verfolgten Sachanträge kann auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser vorrangig die Klageabweisung und hilfsweise begehrt, lediglich Zug um Zug gegen Zahlung von 79.983,60 € verurteilt zu werden.

Er ist der Ansicht, er könne sich sehr wohl gem. § 273 I BGB auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Ein innerer und wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe insbesondere bezüglich der Honorarrechnungen vom 04.06.2003 über insgesamt 20.141,63 €, da diese Rechnungen Statikerleistungen beträfen, die er für die Bebauung des streitgegenständlichen Grundstücks erbracht habe. Da aus dem gezahlten Kaufpreis zunächst die Grundschuld für die Sparkasse V über 165.000 € nebst Zinsen habe abgelöst werden müssen, habe er aus dem Kaufvertrag keinen nennenswerten Ertrag erhalten, so dass offensichtlich sei, dass er mit den von ihm zu erbringenden Statikerleistungen den wesentlichen Ertrag habe erzielen sollen.

Bezüglich der übrigen Rechnungen ergebe sich die Konnexität aus der ständigen Geschäftsbeziehung der Parteien. Er habe für die Klägerin ständig inhaltsgleiche und wiederholende Leistungen erbracht.

Schließlich ist der Beklagte der Ansicht, ihm stehe ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 369 HGB zu. Diese Vorschrift erfordere ein beiderseitiges Handelsgeschäft nur insoweit, als sich die Forderung des Zurückbehaltungsberechtigten aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft ergeben müsse. Dies sei der Fall, da sich seine Forderung aus einem Statikervertrag ergebe. Dass der Grundstückskaufvertrag selber kein beiderseitiges Handelsgeschäft sei, was der Beklagte im Hinblick auf § 344 HGB für fehlerhaft hält, sei daher unerheblich, da der Grundstückserwerb jedenfalls für die Klägerin ein Handelsgeschäft sei.

Im Senatstermin hat der Beklagtenvertreter gerügt, dass die Klägerin nicht über eine ladungsfähige Anschrift verfügt, da ihr Geschäftsführer unter den angegeben Adressen nicht habe geladen werden können. Ferner hat er die Prozessvollmacht des Klägervertreters bestritten.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtene Urteils die Klage abzuweisen;

hilfsweise unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 25.03.2004 den Beklagten zur Herausgabe des im Tenor der angefochtenen Entscheidung bezeichneten Grundschuldbriefs zu verurteilen, jedoch nur Zug um Zug gegen Zahlung von 79.983,60 €.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Sie legt dar, dass es an der notwendigen Konnexität fehle, weil der Verkauf des Grundstücks zu einer Zeit erfolgt sei, als an eine Bebauung noch gar nicht gedacht worden sei. Eine ständige Geschäftsbeziehung habe es zwischen den Parteien nicht gegeben. Schließlich stehe dem Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht aus § 369 HGB zu, da er das Grundstück als Privatperson und nicht in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH veräußert habe und der Beklagte als Freiberufler kein Kaufmann sei.

Im Übrigen ist sie der Ansicht, ihre Klage sei ordnungsgemäß erhoben worden. Als ladungsfähige Anschrift habe sie die Adresse angegeben, unter der sie im Handelsregister geführt werde. Dass postalische Sendungen sie nicht erreichten, ändere an der Zulässigkeit der Klage nichts. Es sei unerheblich, ob unter der angegebenen Adresse Büroräume unterhalten würden oder ständig Personal anwesend sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags beider Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

B)

Die zulässige Berufung ist mit dem Hauptantrag begründet. Die Klage ist unzulässig.

I. Der Zulässigkeit steht Berufung steht der Umstand nicht entgegen, dass die Klägerin - was noch auszuführen ist - im Prozess keine ladungsfähige Anschrift angegeben hat. Dass eine zulässige Berufung nicht die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Berufungsklägers in der Berufungsschrift erfordert, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (BGH NJW 1988, 2114). Nichts anderes gilt für den Berufungsbeklagten. Weitergehende Anforderungen gingen über das Erfordernis des Vorliegens einer Berufungsschrift, aus der sich ergeben muss, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird, hinaus (BGH, a.a.O.; vgl. auch BGHZ 21, 168). Die Anschrift einer Partei ist nämlich nicht notwendig, um ihre Parteirolle in der Rechtsmittelinstanz zu bestimmen. Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 65, 114) eine Berufung nicht deswegen unwirksam ist, weil die Berufungsschrift weder die ladungsfähige Anschrift des Berufungsbeklagten noch die seines Prozeßbevollmächtigten enthält.

II. In der Sache hat die Berufung Erfolg. Die Klage ist unzulässig.

1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge des Beklagten, der Klägervertreter verfüge nicht über eine Prozessvollmacht (§ 88 I ZPO). Der Klägervertreter hat im Senatstermin das Original der Prozessvollmacht vorgelegt und zur Gerichtsakte gereicht (§ 80 I ZPO). Soweit der Beklagtenvertreter die Echtheit der Unterschrift unter dieser Vollmacht mit Nichtwissen bestritten hat, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert. Der Beklagte hat keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, dass und warum davon auszugehen sein könnte, dass die Unterschrift unter der vorgelegten Vollmacht gefälscht sein könnte.

2. Die Klage ist unzulässig, weil die Klägerin bislang ihre korrekte Anschrift nicht mitgeteilt hat und sich schlechthin ohne Angabe triftiger Gründe weigert, diese Anschrift offenzulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift grundsätzlich Voraussetzung für eine wirksame Klageerhebung (BGH NJW 1988, 2114). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die in der Klageschrift genannte Anschrift war unrichtig. Der Gerichtskostenvorschuss konnte unter dieser Anschrift nicht angefordert werden. Zwar wurde der Vorschuss, nachdem die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten eine neue Adresse - L-Straße, ##### N - benannt hatte, unter dieser Adresse angefordert und bezahlt. Der Geschäftsführer, dessen persönliches Erscheinen das Landgericht angeordnet hatte, konnte unter der genannten Adresse allerdings nicht geladen werden; nach dem Inhalt des Rückbriefes ist der Geschäftsführer der Klägerin unter der angegeben Adresse nicht zu ermitteln gewesen. Auch in der Berufung war die Ladung des Geschäftsführers unter der genannten Adresse T-Straße, ##### H, trotz zweier Versuche nicht möglich, weil der Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln war. Dem im Senatstermin am 22.11.2004 überreichten Schreiben der Stadt H vom 01.06.2004 lässt sich entnehmen, dass auch dem Ordnungsamt die Existenz einer Firma unter dieser Adresse bzw. in H nicht bekannt ist. Der Auflage des Senats, eine ladungsfähige Anschrift mitzuteilen, ist die Klägerin ebenfalls nicht nachgekommen. Vor diesem Hintergrund ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die Klägerin es rechtsmißbräuchlich darauf anlegt, den Prozess aus dem Verborgenen heraus zu führen, um sich den Folgen einer ihr nachteiligen Entscheidung zu entziehen (vgl. BGHZ 102, 332 ff. = NJW 1988, 2114 f.; OLG Frankfurt NJW 1992, 1178).

Der Einwand der Klägerin, sie sei im Handelsregister ordnungsgemäß eingetragen und die von ihr benannte Adresse gebe ihre tatsächliche Geschäftsadresse richtig wieder, verfängt nicht. Die Klägerin trägt selber vor, keine juristische Person sei verpflichtet, an ihrem Sitz ein Büro zu unterhalten bzw. ständig besetzt zu halten. Damit räumt sie letztlich selber ein, dass es sich bei der von ihr angegebenen Adresse lediglich um eine Scheinadresse und gerade nicht um die ladungsfähige Anschrift handelt.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin für ihre Auffassung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.02.1996 (1 BvR 2211/94 - NJW 1996, 1272). Zwar trifft es zu, dass die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift nicht ausnahmslos Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Klageerhebung ist. In Fällen, in denen dem Kläger die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ohne weiteres möglich ist und in denen die Angabe dieser Anschrift gleichwohl unterbleibt, weil es gewichtige Gründe hierfür gibt, ist allerdings zu fordern, das Gericht über die insoweit maßgeblichen Gründe zu informieren. Andernfalls ist es nämlich nicht möglich zu überprüfen, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann (BGH a.a.O., 2115). Derartige Gründe hat die Klägerin nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da nach Ansicht des Senats die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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