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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 23 W 154/03
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 6
BRAGO § 25 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
Ist zumindest ein Streitgenosse vorsteuerabzugsberechtigt und begehrt ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse (Kostengläubiger) die Kostenfestsetzung, so reicht allein die Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Erstattung von Umsatzsteuer nicht hin. Vielmehr muß der Kostengläubiger darüber hinaus erklären, dass kein vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse mit der angemeldeten Umsatzsteuer ganz oder teilweise belastet wird.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 154/03 OLG Hamm

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 21. August 2003 auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 6. Mai 2003 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Bielefeld vom 4. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schnapp als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung hat die Klägerin an den Beklagten zu 1) 1.239,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2002 zu erstatten.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin nach einem Gegenstandswert von 460,30 €.

Von den außergerichtlichen Kosten entfallen auf die Klägerin 72 % und auf den Beklagten zu 1) 28 % nach einem Gegenstandswert von 635,65 €.

Gründe:

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg, weil der Beklagte zu 1) die von ihm mit 195,11 € angemeldete Umsatzsteuer nur in Höhe von 19,76 € erstattet verlangen kann. Dadurch verringert sich seine Forderung gegen die Klägerin von 1.414,54 € um 175,35 € (195,11 ./. 19,76) auf den tenorierten Betrag.

Wie die Rechtspflegerin in ihrer Nichtabhilfeverfügung zutreffend ausgeführt hat, steht es in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß der Beklagte zu 1) als Streitgenosse mit dem besseren Prozeßergebnis die Kosten der gemeinsamen Anwälte im Rahmen seiner vollen Haftung nach § 6 Abs. 2 BRAGO gegenüber der ihm uneingeschränkt zur Erstattung verpflichteten Klägerin festsetzen lassen kann (vgl. AnwKom - BRAGO - Schnapp § 6 Rdn. 64 ff). Deshalb muß die Beschwerde erfolglos bleiben, soweit sie eine kopfteilige Zuordnung der gemeinsamen Anwaltskosten der Beklagten zu 1) und 3) verfolgt.

Die Geltendmachung der Kostenhaftung nach § 6 Abs. 2 BRAGO erstreckt sich jedoch nur auf die Gebühren des Anwalts, nicht hingegen auch auf die Erstattung "der auf seine Vergütung entfallenden Umsatzsteuer" (§ 25 Abs. 2 BRAGO). Diese ist nicht ohne weiteres, sondern überhaupt nur dann erstattungsfähig, wenn aufgrund konkreter Umstände davon ausgegangen werden kann, daß sie bei dem Kostengläubiger wirklich einen Belastungsposten darstellt. Denn nach dem Steuerrecht kommt in Betracht, daß der Kostengläubiger den Umsatzsteueranteil der Anwaltsforderung vom Finanzamt erstattet bekommt und deshalb bei einer (nochmaligen) Erstattung durch den Prozeßgegner um diesen Betrag bereichert wäre. Um das zu vermeiden, normiert § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO die (formale) Anspruchsvoraussetzung, wonach der Umsatzsteueranteil nur dann erstattungsfähig ist, wenn der Kostengläubiger erklärt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein.

Die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung ist ein verläßliches Merkmal dafür, daß der Kostengläubiger keinen Anspruch gegen den Fiskus auf Umsatzsteuererstattung hat. Eine solche Feststellung reicht grundsätzlich aus, um der Gefahr doppelter Erstattung zu begegnen. Sie besagt indes nicht, daß mithin dem Kostengläubiger ein Erstattungsanspruch gegen den Kostenschuldner zustehen müsse. Dieser erfordert vielmehr eine tatsächliche Belastung des Kostengläubigers mit dem Umsatzsteueranteil. Das folgt bereits aus dem Erfordernis der Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO. Die vom Gesetz verlangte Verneinung eines Erstattungsanspruchs gegenüber dem Fiskus macht nur dort Sinn, wo ein solcher Anspruch womöglich in Betracht käme. Das wäre jedoch nicht der Fall, wenn es schon deshalb keine Steuer zu erstatten gäbe, weil es bereits an einer Steuerbelastung des Kostengläubigers fehlen würde.

Hat der Anwalt nur Auftraggeber, die allesamt nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, erscheint deren Belastung mit der nach § 25 Abs. 2 BRAGO auf die Gesamtvergütung zu zahlenden Umsatzsteuer nicht fraglich. Das gilt folglich auch für den jeweiligen Streitgenossen, der einen Teil dieser Gesamtvergütung gegen den Prozeßgegner zur Erstattung anmeldet. Ebenso klar ist die Rechtslage, wenn sämtliche Auftraggeber zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Dann kann keiner von ihnen den Prozeßgegner auf Umsatzsteuererstattung in Anspruch nehmen.

Anders verhält es sich jedoch, wenn die Auftraggeber teils zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und teilweise nicht. Hier kommt in Betracht, daß der eine Teil im Rahmen seiner Haftung nach § 6 Abs. 2 BRAGO dem Fiskus gegenüber die Erstattung der enthaltenen Umsatzsteuer geltend macht, während der andere Teil die Umsatzsteuer vom Prozeßgegner erstattet verlangt. Wäre in diesem Fall allein die Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 2 ZPO ausreichend, um dem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen einen Erstattungsanspruch gegen den Prozeßgegner zuzubilligen, würde sich hier gleichwohl die Gefahr von doppelten Erstattungen aufdrängen, die der Gesetzgeber mit § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO gerade begrenzen will. Solange nicht klargestellt wird, welcher Streitgenosse welchen Steueranteil zu tragen hat, kann dieser Gefahr nicht wirksam begegnet werden. Deshalb hat der Streitgenosse, der über die Nettovergütung des gemeinsamen Anwalts hinaus - gleichgültig, ob kopfteilige oder haftungsanteilige Erstattung begehrt wird - auch Umsatzsteuer vom Gegner ersetzt verlangt, neben der Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO auch zu erklären, daß ein vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse mit dieser Umsatzsteuer nicht belastet ist. Fehlt eine solche Erklärung oder ist sie offensichtlich unrichtig, scheidet eine Umsatzsteuererstattung durch den Prozeßgegner aus, soweit eine Vorsteueranmeldung von Streitgenossen des Kostengläubigers in Betracht kommt.

Der Beklagte zu 1) hat eine Erklärung dahin, daß die von den gemeinsamen Anwälten mitvertretene Beklagte zu 3) mit der geltend gemachten Umsatzsteuer nicht belastet werde, nicht abgegeben, obwohl er mit Schreiben vom 30. Juni 2003 auf die Sach- und Rechtslage ausdrücklich hingewiesen worden ist. Folglich ist davon auszugehen, daß die Beklagte zu 3) die Umsatzsteuer, die auf ihren Haftungsanteil gemäß § 6 Abs. 2 BRAGO den gemeinsamen Anwälten gegenüber entfällt, zum Vorsteuerabzug angemeldet hat. Mithin verbleibt nur noch eine Umsatzsteuerbelastung des Beklagten zu 1) hinsichtlich der Erhöhung der Prozeßgebühr um 3/10 (§ 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO). Das sind 19,76 € (16 % von 123,48 €).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und Nr. 1957 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 11 GKG). Der Gegenstandswert folgt hinsichtlich der Gerichtskosten aus dem Unterliegen der Klägerin und im übrigen aus ihrem Abänderungsbegehren.

Ende der Entscheidung

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