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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.06.2002
Aktenzeichen: 23 W 166/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 717 Abs. 2
1. Die Wirkungslosigkeit eines Kostenfestsetzungsbeschlusses wegen Fortfalls der Kostengrundentscheidung ist aus Gründen der Rechtssicherheit lediglich deklaratorisch auszusprechen.

2. Eine Rückfestsetzung auf den wirkungslos gewordenen Kostenfestsetzungsbeschluss erbrachter Beträge, kommt in Betracht, wenn die Höhe feststeht und materiell - rechtliche Einwendungen nicht erhoben werden.

3. Im Rückfestsetzungsverfahren kann grundsätzlich geprüft werden, ob die Kostenentscheidung in einem Vergleich, der im selben Rechtsstreit geschlossen worden ist, in dem auch die wirkungslos gewordene ursprüngliche Kostengrundentscheidung ergangen ist, eine Rückfestsetzung ausschließt.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 166/02 OLG Hamm

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 20. Juni 2002 auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 26. April 2002 gegen den Beschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Dortmund vom 18. April 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird abgeändert.

Es wird festgestellt, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Dortmund vom 22. Mai 2000 gegenstandslos ist.

Im Wege der Rückfestsetzung wird angeordnet, daß die Beklagte dem Kläger den aufgrund des inzwischen gegenstandslos gewordenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. Mai 2000 vollstreckten Betrag von 2.333,51 Euro (4.563,94 DM) zu erstatten hat.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 2.333,51 Euro zu tragen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat Erfolg.

Der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 22. Mai 2000, der auf der im Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. März 2000 getroffenen Kostengrundentscheidung beruht, ist gegenstandslos. Die Kostengrundentscheidung ist nämlich dadurch entfallen, daß das Oberlandesgericht Hamm das landgerichtliche Urteil mit Urteil vom 19. Februar 2001 (Aktenzeichen 17 U 84/00) aufgehoben hat. Fällt die ursprüngliche Kostengrundentscheidung weg, so verlieren ohne weiteres auch auf ihrer Grundlage ergangene Kostenfestsetzungsbeschlüsse ihre Wirkung. Dies ist lediglich aus Gründen der Rechtssicherheit noch einmal deklaratorisch auszusprechen (siehe Senatsbeschluß vom 22.02.1988 - 23 W 702/87 - in JurBüro 1968,1033 = RPfleger 1988, 279; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 2.1.2.4 zum Stichwort "Kostenfestsetzung").

Zusätzlich ist entsprechend § 717 Abs. 2 ZPO anzuordnen, daß die Beklagte dem Kläger den aufgrund des gegenstandslos gewordenen Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. Mai 2000 vollstreckten Betrag, der sich unstreitig auf insgesamt 4.563,94 DM beläuft, zu erstatten hat. Eine solche Rückfestsetzung ist im Falle der Aufhebung der Kostengrundentscheidung zulässig, wenn die Höhe der Zahlung auf den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluß feststeht und der Empfänger der Zahlung gegen den Rückerstattungsanspruch keine materiell-rechtlichen Einwendungen erhebt (siehe Senatsbeschlüsse vom 22.02.1988, a.a.O. und vom 03.04.1981 - 23 W 9/81 - in JurBüro 1981, 1246, 1247; Göttlich/Mümmler, a.a.O., Anm. 2.2.5 zum Stichwort "Kostenfestsetzung"; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., §§ 103, 104 Rn. 21 zum Stichwort "Rückfestsetzung"; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 104 Rn. 14). Hier wendet die Beklagte zwar ein, die Regelung unter Ziff. 3 des beim Landgericht nach der Zurückverweisung am 15. November 2001 geschlossenen Vergleich schließe einen Rückerstattungsanspruch des Klägers aus. Eine solche Auslegung des Vergleichs ist jedoch unzutreffend. Der Senat ist befugt, diese Frage im Kostenfestsetzungsverfahren zu beurteilen, so daß der Kläger wegen des von ihm geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs nicht auf einen weiteren Rechtsstreit verwiesen werden muß.

Die für die Auslegung maßgeblichen Regelungen des Vergleichs vom 15. November 2001 lauten wie folgt:

3.

Die Parteien sind darüber einig, daß mit diesem Vergleich sämtliche zwischen ihnen bestehende Ansprüche, gleichgültig ob bekannt oder unbekannt, endgültig abgegolten und erledigt sind.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

Aus Nr. 4 folgt, daß die Parteien die Kosten des gesamten Rechtsstreits unter Einschluß der Kosten der Beklagten, die bis zum Erlaß des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 23. März 2000 angefallen und mit dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 22. Mai 2000 zu Gunsten der Beklagten gegen den Kläger festgesetzt worden waren, in der Weise regeln wollten, daß jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst und die Gerichtskosten jeweils zur Hälfte zu tragen hat (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Beklagte hat dem Kläger also einen gleichwohl erlangten Ausgleich ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Dem entsprechenden Anspruch des Klägers steht Nr. 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 15. November 2001 nicht entgegen, weil er die Zustimmung der Beklagten zum Vergleich vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont her dahin verstehen durfte, daß Nr. 4 des Vergleichs eine abschließende Regelung der Kosten des Rechtsstreits enthalten sollte und sich hieraus evtl. ergebende Erstattungsansprüche dem Anspruchausschluß nach Nr. 3 des Vergleichs nicht unterfallen sollten. Nr. 4 des Vergleichs stellte ersichtlich eine Nr. 3 des Vergleichs vorgehende Regelung dar.

Bei der von der Beklagten geltend gemachten gegenteiligen Ansicht handelt es sich nicht um eine der Beurteilung im Kostenfestsetzungsverfahren entzogene materiell-rechtliche Einwendung. Die Auslegung von in Titeln, z. B. in Vergleichen, enthaltenen Kostengrundentscheidungen gehört zu den Aufgaben des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren. Auch im Verfahren über eine Rückfestsetzung, dessen Ergebnis von der Auslegung der Kostenentscheidung eines Vergleichs abhängt, gilt dies zumindest dann, wenn auch ein streitiges Verfahren keine neuen Gesichtspunkte und Erkenntnisse erbringen könnte (Göttlich/Mümmler, a.a.O., Anm. 2.2.5 zum Stichwort "Kostenfestsetzung"). Davon ist hier auszugehen, weil sich auch die Beklagte zur Auslegung des Vergleichs vom 15. November 2001 nur auf dessen Wortlaut beruft, der aber, wie oben ausgeführt, anders verstanden werden muß.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Betrag der Rückfestsetzung entspricht, beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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