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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.06.2002
Aktenzeichen: 23 W 171/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 103
ZPO § 104
1. Vorprozessual entstandene Privatgutachterkosten sind im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzungsfähig, wenn sie prozessbezogen aufgewandt worden sind und prozessnotwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

2. An der erforderlichen Prozessbezogenheit fehlt es in der Regel, wenn der Versicherer das Gutachten auf eine Schadensmeldung hin zur Prüfung seiner Einstandspflicht in Auftrag gibt.

3. Dagegen ist die Prozessbezogenheit zu bejahen, wenn der Versicherer den nicht fernliegenden Verdacht hegt, Opfer eines Versicherungsbetruges werden zu sollen, weil er dann damit rechnen muss, der Anspruchsteller werde ihn unabhängig vom Ergebnis des Gutachtens gerichtlich in Anspruch nehmen.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 171/02 OLG Hamm

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 17. Juni 2002 auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 06. Dezember 2001 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Siegen vom 06. November 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht Schnapp, die Richterin am Oberlandesgericht Rautenberg und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung hat der Kläger an die Beklagte weitere Kosten von 1.228,12 Euro (2.402,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 15. Dezember 2000 zu erstatten.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger nach einem Gegenstandswert von 522,19 Euro.

Gründe:

Die als sofortige Beschwerde zulässige Erinnerung der Beklagten gegen die Absetzung der für den Sachverständigen M vorprozessual aufgewandten Kosten von 1.173,92 DM hat vollen Erfolg. Dadurch erhöht sich der weitere Erstattungsanspruch der Beklagten von 1.380,69 DM um 1.021,31 DM (87 % von 1.173,92 DM) auf nunmehr 1.228,12 Euro.

Allerdings stellt die Rechtspflegerin im Ansatz zutreffend darauf ab, daß die Kosten eines vorgerichtlich eingeholten Privatgutachtens nur dann erstattungsfähig sind, wenn der Sachverständige im Hinblick auf einen konkret bevorstehenden Rechtsstreit beauftragt wurde, um der Darlegungs- und Beweislast zu genügen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Dezember 1995 in OLGR 1996,105 f.), und wenn diese Maßnahme vorbereitend zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei verständiger Würdigung der Parteibelange aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten veranlaßt war (vgl. Senatsbeschluß vom 08. Juni 1998 in OLGR 1999,111 f.). Gibt ein Versicherer schon auf die Schadensmeldung hin zur Prüfung seiner Einstandspflicht ein Privatgutachten in Auftrag, so liegen Anhaltspunkte für eine Deckungsklage in der Regel noch nicht vor und fehlt mithin der Einschaltung des Sachverständigen die konkrete Prozeßbezogenheit. Diese Kosten sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht erstattungsfähig (vgl. Beschluß vom 26. November 1991 in JurBüro 1992, 818).

Abweichendes gilt aber dann, wenn der Versicherer sogleich den nicht fernliegenden Verdacht hegt, daß er Opfer eines Versicherungsbetruges werden soll. Dann muß er von Anfang an damit rechnen, daß es zum Prozeß kommen wird, selbst wenn er seine Einstandspflicht mit stichhaltiger Begründung ablehnt. Denn zur Charakteristik dieser Straftat gehört es, daß der Täter versucht, sein Ziel einer sachlich nicht gerechtfertigten Regulierung des Schadens unter Ausnutzung aller Möglichkeiten - insbesondere durch einen Rechtsstreit - zu erreichen. Nach kriminologischer Erfahrung kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein solcher Tatplan schon dann aufgegeben wird, wenn das von dem Versicherer eingeholte Schadensgutachten für den Anspruchsteller ungünstig ausfällt. Deshalb ist ein Versicherer im Eigeninteresse gehalten, bei Verdacht auf Versicherungsbetrug umgehend alle Maßnahmen zu ergreifen, um einer zu erwartenden gerichtlichen Inanspruchnahme wirksam begegnen zu können (vgl. unveröffentlichte Senatsbeschlüsse vom 09. August 2001 zu 23 W 280/01, 30. März 2000 zu 23 W 155/00, 08. Februar 1999 zu 23 W 539/98,19. August 1996 zu 23 W 244/96).

Die Besonderheiten der Schadensmeldung des Klägers legten die Vermutung nahe, daß die Beschädigungen an dem Pkw anders als behauptet eingetreten waren. Als Begründung hierfür konnte die Beklagte nur mutmaßen, daß bei wahrheitsgemäßer Schilderung der Schadensursachen ihre Leistungspflicht nicht in Betracht gekommen wäre, daß also gezielt versucht wurde, sich auf ihre Kosten zu bereichern. Sie mußte sich deshalb von vornherein auf einen Deckungsprozeß einstellen. Um ihren Verdacht dort vortragen und unter Beweis stellen zu können, war es geboten, einen Sachverständigen mit der Spurensicherung zu beauftragen. Denn es stand zu befürchten, daß tatsächliche Anhaltspunkte für eine unrichtige Sachdarstellung des Klägers bis zur Klageerhebung keinen Bestand haben würden, weil sie dann beseitigt worden oder verwischt sein konnten. Mithin sind auch die vorprozessual aufgewandten Kosten für den Sachverständigen M prozeßbezogen und prozeßnotwendig gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Gegenstandswert folgt aus dem Abänderungsbegehren.

Ende der Entscheidung

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