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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.06.2003
Aktenzeichen: 23 W 22/03
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1 n.F.
ZPO § 171 Abs. 1 a.F.
ZPO § 180
ZPO § 569 Abs. 1
BRAGO § 19 Abs. 2 Satz 2
BGB § 104
BGB § 105 Nr. 2
BGB § 1896 Abs. 1 Satz 1
Wirksamkeit der Zustellung eines Festsetzungsbeschlusses nach § 19 BRAGO an die Mandantin, die unmittelbar danach unter Betreuung ohne Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gestellt wird.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 22/03 OLG Hamm

in dem aus dem Rechtsstreit

hervorgegangenen Verfahren betreffend die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung gemäß § 19 Abs. 1 BRAGO, an dem beteiligt sind:

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 16. Juni 2003 auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Münster vom 25. Februar 2002 durch die Richterin am Oberlandesgericht Rautenberg als Einzelrichterin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird nach einem Gegenstandswert bis zu 4.000 € zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist nicht zulässig. Das sechs Monate nach Zustellung des angefochtenen Festsetzungsbeschlusses durch ihren Betreuer eingelegte Rechtsmittel ist verspätet.

Die für den Fristbeginn nach den §§ 569 Abs. 1, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 19 Abs. 2 Satz 2 BRAGO maßgebliche, gemäß § 180 ZPO in der bis zum 01.07.2002 geltenden und hier maßgeblichen Fassung bewirkte Ersatzzustellung des Festsetzungsbeschlusses ist wirksam. Die mit der Beschwerde behauptete Prozessunfähigkeit der Beteiligten zu 2) im Zeitpunkt dieser Zustellung, die damit nicht ordnungsgemäß und folglich unwirksam nach § 171 Abs. 1 ZPO a.F. wäre, lässt sich nicht feststellen. Die Prozessunfähigkeit der Beteiligten zu 2) ergibt weder aus der Anordnung der Betreuung für die Beteiligte zu 2) u.a. für den Bereich der Vermögenssorge durch den Beschluss des AG Warendorf vom 03.04.2002 noch aus dem vom AG Warendorf zuvor eingeholten schriftlichen Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 02.04.2002.

Die Anordnung der an die Stelle der Entmündigung und Gebrechlichkeitspflegschaft getretene Betreuung nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Beteiligte zu 2) durch das AG Warendorf (3 XVII 368/01) führte nicht zum Verlust ihrer Geschäfts- und damit auch ihrer Prozessunfähigkeit. Diese blieb ihr vielmehr vorbehaltlich des § 105 Nr. 2 BGB voll erhalten. Da von der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB abgesehen wurde, bewirkte die Einrichtung der Betreuung auch keine partielle Beschränkung ihrer Geschäftsfähigkeit (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 52 Rn. 2a und 8).

Konkrete Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten zu 2) im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 13. März 2002 ergeben sich auch nicht aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen vom 02.04. 2002. Die vom Sachverständigen als Ursache ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen angeführten erheblichen cerebralen Durchblutungsstörungen mit Zustand nach zahlreichen kleinen und mindestens einem großen Schlaganfall verbunden mit Störungen des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit und des Antriebes bewirken keine psychische Erkrankung der Beteiligten zu 2), die sie in ihrer freien Willensbildung beeinträchtigt oder eine solche gar ausschließt mit der Folge ihrer Geschäfts- und Prozessunfähigkeit (vgl. BGH NJW 1984, 1063 ff; NJW 1970, 1680 mwN). Das ist vom Sachverständigen auf telefonische Nachfrage der Einzelrichterin bestätigt worden. Seine Forderung zu Punkt 3) auf Seite 9 seines Gutachtens, einen Einwilligungsvorbehalt anzuordnen, begründet er schon in seinem schriftlichen Gutachten nicht mit einer die freie Willensausbildung ausschließenden psychischen Erkrankung der Beteiligten zu 2), sondern ausschließlich mit der Gefahr, dass die Beteiligte zu 2) Geschäfte abschließen werde, deren Reichweite sie nicht überblickt sowie mit ihrer ausgeprägten Tendenz, alle notwendigen Dinge zu delegieren. Ein eventuelles Unvermögen der Beteiligten zu 2), die Tragweite ihrer Willenserklärungen zu erfassen, begründet keine Vermutung für das Vorliegen einer krankhaften Störung im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB (vgl. BGH, NJW 1961, 261; OHG 4, 66). Nichts anderes gilt für die Neigung der Beteiligten zu 2), die von ihr zu erledigenden Angelegenheiten zu delegieren. Hierbei handelt es sich laut der telefonischen Erläuterungen des Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten um einen Charakterzug der Beteiligten zu 2), der als solcher nicht die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB erfüllt.

Weitere Anhaltspunkte einer Geschäfts- und Prozessunfähigkeit der Beteiligten zu 2) im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB bei Zustellung des angefochtenen Beschlusses 15 Tage vor ihrer gutachterlichen Untersuchung vom 28. März 2002 sind nicht erkennbar. Hinweise auf eine Störung der Geistestätigkeit der Beteiligten zu 2) nach § 105 Abs. 2 BGB, die ebenfalls zur Unwirksamkeit der Zustellung führen würde, fehlen ebenfalls.

Für eine erneute neurologische und psychiatrische Untersuchung der Beteiligten zu 2) zur Klärung ihrer Prozessfähigkeit am 13. März 2002 bestand angesichts dieses im Wege des Freibeweises gewonnenen Beweisergebnisses keine Veranlassung.

Der angefochtene Festsetzungsbeschluss hat damit weiterhin Bestand. Die hiergegen gemäß § 19 Abs. 5 BRAGO erhobenen Einwendungen können nicht berücksichtigt werden, da die sofortige Beschwerde ohne sachliche Prüfung wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig zu verwerfen ist (§ 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO und Nr. 1957 der Anlage 1 zu § 11 GKG; die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 12 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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