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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.03.2001
Aktenzeichen: 23 W 24/01
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3
BRAGO § 53
BRAGO § 43 Abs. 1 Nr. 1
Gesetz:

§§ 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO, 53, 43 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO

Leitsatz:

1. Die Bestellung eines unterbevollmächtigten Anwalts zur Terminswahrnehmung ist nach dem Wegfall des Zulassungserfordernisses aus kostenrechtlicher Sicht von vornherein unproblematisch, wenn die Gebühren des unterbevollmächtigten Anwalts die Kosten nicht erreichen, die bei Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevöllmächtigten entstanden wären.

2. Wird der Termin nach Bestellung des Unterbevollmächtigten ersatzlos aufgehoben und auf schriftlichem Wege durch Anerkenntnisurteil entschieden, gibt dies als nachträgliches Ereignis zu einer abändernden Beurteilung keinen Anlaß.

3. Eine abändernde Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht daraus, daß die sofortige Beauftragung eines Anwalts am Gerichtsort als Prozeßbevollmächtigter kostengünstiger gewesen wäre; dann wären nämlich überschießende Informationsreisekosten der Partei entstanden.

4. In die vorbezeichnete Betrachtung ist die Überlegung mit einzubeziehen, daß der Hauptbevollmächtigte in kostenrechtlich zulässiger Weise verfahrenseinleitend zunächst als Mahnanwalt tätig geworden ist, weil mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht gerechnet werden mußte.

OLG Hamm, Beschluß vom 08.03.2001 - 23 W 24/01 -


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 24/01 OLG Hamm 2 O 255/00 LG Paderborn

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 8. März 2001 auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 4. Januar 2001 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Paderborn vom 8. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sandmann, die Richterin am Oberlandesgericht Rautenberg und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke

beschlossen:

Tenor:

Der der Klägerin von der Beklagten zu erstattende Betrag wird abändernd auf 2.670,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. Oktober 2000 festgesetzt.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten dem Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 594,50 DM.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG) ist zulässig und begründet.

Entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin kann die Klägerin auch die ihr durch die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 53, 26, 25 Abs. 2 BRAGO entstandenen Kosten von 594,50 DM erstattet verlangen, so dass sich der festzusetzende Betrag auf 2.670,20 DM erhöht.

Die durch einen N Hauptbevollmächtigten vertretene Klägerin konnte ohne Verstoß gegen die Pflicht zur Geringhaltung der Prozeßkosten einen Unterbevollmächtigten einschalten, nachdem das Landgericht Paderborn mit Verfügung vom 05.09.2000 einen Kammertermin für den 29.09.2000 anberaumt hatte. Die Kosten eines beim Prozeßgericht ansässigen Unterbevollmächtigten waren nämlich aus damaliger Sicht niedriger als die Kosten, die bei einer Wahrnehmung des anstehenden Gerichtstermins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (siehe § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Für eine Geschäftsreise des Hauptbevollmächtigten von N nach und zurück wären nach § 28 BRAGO 572,00 DM netto (432,00 DM für eine Bahnfahrt in der 1. Wagenklasse, 30,00 DM Taxikosten und 110,00 Tage- und Abwesenheitsgeld) angefallen, während sich die zusätzliche halbe Prozeßgebühr für den Unterbevollmächtigten nach § 53 BRAG0 einschließlich einer Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO auf 512,50 DM netto beläuft. Dass die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten als die für die Beklagte als Prozeßgegnerin günstigere Lösung erschien, ändert sich nicht dadurch, dass die Klägerin statt beim Prozeßgericht in P in ansässige Unterbevollmächtigte gewählt hat. Dadurch entstehende Mehrkosten hätten gegenüber der Beklagten gemäß § 91 Abs. 2 Satz. 2 ZPO ohnehin nicht geltend gemacht werden können.

Zwar hat sich im Nachhinein ergeben, dass ein Unterbevollmächtigter für die Wahrnehmung des für den 29.09.2000 anberaumten Kammertermins nicht hätte bestellt werden müssen, weil die Beklagte die Forderung der Klägerin mit Schriftsatz vom 27.09.2000 anerkannt und das Landgericht den Kammertermin deshalb aufgehoben und auf schriftlichem Wege durch Anerkenntnisurteil entschieden hat. Für die Beurteilung der Prozeßnotwendigkeit von Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO ist aber auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Kosten durch eine Partei veranlasst worden sind, hier also auf den Zeitpunkt der Beauftragung der Unterbevollmächtigten durch die Klägerin. Damals erschien die Maßnahme sachgerecht.

II.

Die Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen der Klägerin für einen Unterbevollmächtigten kann schließlich nicht mit dem Argument verneint werden, ein zweiter Anwalt wäre nicht notwendig geworden, wenn die Klägerin von vornherein lediglich einen Anwalt beim Prozeßgericht in P mit der Wahrnehmung ihrer Rechte betraut hätte. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass dadurch Kosten erspart worden wären (siehe § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO), weil die Klägerin einen Prozeßbevollmächtigten in P dann zumindest einmal persönlich zwecks Informationserteilung hätte aufsuchen können, was mit nicht unbeträchtlichem Kostenaufwand verbunden gewesen wäre. An die bei Verfahrenseinleitung von einem Kläger, der nicht beim Prozeßgericht ansässig ist, anzustellende Prognose, ob die Beauftragung eines Anwalts an seinem Wohnort oder am Prozeßort kostengünstiger sein wird, sind nach Änderung des § 78 Abs. 1 ZPO, der nunmehr eine Vertretung bei den Landgerichten auch durch auswärtige Anwälte zulässt, keine hohen Anforderungen zu stellen (siehe Senatsbeschluss 23 W 8/01 von 12.02.2001). Die Prognose setzt nämlich nicht nur die Kenntnis von Kostentatbeständen voraus, sondern hängt auch von der tatsächlichen Entwicklung des Prozesses ab, die in aller Regel nicht voraussehbar ist.

Hier kommt hinzu, dass die Klägerin ihren Hauptbevollmächtigten zunächst als Mahnanwalt beauftragt hatte und dabei aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 09.10.1999 (Bl. 67 GA, Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 14.11.2000) mit einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid des Amtsgerichts N nicht zu rechnen brauchte. Sie durfte auch deshalb bei Einleitung des Verfahrens ohne Verstoß gegen das Gebot zur sparsamen Prozeßführung ihren N Anwalt beauftragen (zur Erstattung von Mahnanwaltskosten siehe z.B. Senatsbeschluss vom 16.02.1999, - 23 W 535/98 - in AnwBl. 2000, 322 = OLG Report 2000, 49).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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