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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 05.03.2001
Aktenzeichen: 23 W 27/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 577 Abs. 2
ZPO § 170 Abs. 1
ZPO § 516
ZPO § 101 Abs. 1
Gesetz:

§§ 577 Abs. 2, 170 Abs. 1, 516 ZPO; § 101 Abs. 1 ZPO

Leitsatz:

1. Wird der Kostenfestsetzungsbeschluß in unvollständiger Form hier: fehlende Ausgleichung - zugestellt, so ist die Zustellung unwirksam und setzt die Beschwerdefrist nicht in Gang.

2. Behandeln die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin wie ihre eigenen unterschiedslos als solche des Rechtsstreits und unterstellen sie auch diese einer bestimmten Quote, so liegt darin eine zulässige und damit auch zu beachtende Abweichung von § 101 Abs. 1 ZPO.

OLG Hamm, Beschluß vom 05.03.2001 - 23 W 27/01 -


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 27/01 OLG Hamm 43 O 111/96 LG Essen

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 5. März 2001 auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 21. Dezember 2000 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß I der Rechtspflegerin des Landgerichts Essen vom 25. Oktober 2000 (Kostenerstattung der Streithelferin an den Kläger) durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sandmann, den Richter am Oberlandesgericht Schnapp und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 2.983,02 DM zurückgewiesen

Gründe:

Die sofortige Beschwerdedes Klägers (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG) ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die nach § 577 Abs. 2 ZPO geltende zweiwöchige Beschwerdefrist war bei Eingang des Rechtsmittels des Klägers am 27. Dezember 2000 noch nicht abgelaufen. Zwar ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluß seinem Prozeßbevollmächtigten erstmals am 30. November 2000 zugegangen. Dadurch ist die Beschwerdefrist aber nicht in Gang gesetzt worden, weil die in dem Beschluß in Bezug genommene Kostenausgleichung nicht mitübersandt worden ist.

Eine wirksame Zustellung im Sinne von § 170 Abs. 1 ZPO liegt nur dann vor, wenn das übersandte Schriftstück vollständig ist (Zöller-Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 170 Rdn. 3). Für den Fall der Zustellung eines Urteils sieht § 516 ZPO ausdrücklich die Notwendigkeit der Zustellung in vollständiger Form vor. Daran fehlt es zumindest, wenn ganze Seiten fehlen (BGH NJW 1998, 1959, 1960). An die Zustellung von Beschlüssen, die lediglich innerhalb einer bestimmten Beschwerdefrist angefochten werden können, müssen dieselben Maßstäbe angelegt werden. Ihrem Empfänger muß ebenso wie dem Empfänger eines Urteils ermöglicht werden, auf gesicherter Grundlage innerhalb der gesetzlichen Frist darüber zu entscheiden, ob er ein Rechtsmittel einlegt. Mit dieser Zielsetzung wäre es nicht vereinbar, wenn jede Zustellung die Rechtsmittelfrist unabhängig von der Vollständigkeit der zugestellten Ausfertigung in Lauf setzen würde.

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat die Kostenausgleichung, aus der sich die Begründung für den nach dem angefochtenen Beschluß von der Streithelferin zu erstattenden Betrag ergibt, erst mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Dezember 2000, das bei ihm am 21. Dezember 2000 eingegangen ist, erhalten.

II.

Der Kläger greift den Kostenfestsetzungsbeschluß I vom 25. Oktober 2000 in der Sache jedoch zu Unrecht mit der Begründung an, die Rechtspflegerin habe die im Vergleich vom 15. Mai 2000 getroffene Kostengrundentscheidung mißverstanden, indem sie ihn an den außergerichtlichen Kosten der ihm beigetretenen Streithelferin beteiligt habe.

Im Vergleich sind die Kosten unter Nr. 5 wie folgt verteilt worden:

Von den Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Streitverkündete 20 % ihrer eigenen Kosten selbst; im übrigen tragen der Kläger 20 % und die Beklagten 80 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Streitverkündete 30 % ihrer eigenen Kosten; im übrigen tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.

Von den Vergleichskosten tragen der Kläger 30 % und die Beklagte 70 %.

Die Streitverkündete beteiligt sich an den von dem Kläger zutragenden Gerichtskosten mit jeweils 50 %.

Im Rahmen ihrer Kostenbeteiligung tritt die Streitverkündete dem Vergleich bei.

Diese Regelung hat die Rechtspflegerin zu Recht dahin ausgelegt, daß der Streithelferin ihre von ihr nicht selbst zu tragenden Kosten anteilig nach der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestimmten Kostenquote auch von dem Kläger erstattet werden müssen. Da der Streithelferin von ihren erstinstanzlichen Kosten nur 20 % auferlegt worden sind, hat der Kläger ihr 20 % des Restbetrages, also 1.103 20 DM zu ersetzen. Für die zweite Instanz ergibt sich ein Anteil des Klägers von 30 %, also 1.879,82 DM, an den auszugleichenden eigenen Kosten der Streithelferin.

Dagegen meint der Kläger, vor dem Hintergrund des § 101 Abs. 1 ZPO sei der Vergleich dahin zu verstehen, daß die von der Streithelferin nicht selbst zu tragenden außergerichtlichen Kosten von 80 % bzw. 70 % allein von der Beklagten zu übernehmen seien. Diese Auffassung ist durch den Wortlaut des Vergleichs und die sonstigen für die Auslegung relevanten Umstände nicht gedeckt. Wie sich aus der Formulierung ergibt, haben die Beteiligten die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin als Teil der Kosten der ersten und zweiten Instanz behandelt. Wenn jeweils für beide Rechtszüge vorangestellt worden ist, welchen Prozentsatz die Streithelferin von ihren Kosten selbst zu tragen hat, und daran anschließend festgelegt worden ist, wie "im übrigen" die Kosten auf den Kläger und die Beklagte verteilt werden, muß dies dahin verstanden werden, daß sich die zwischen dem Kläger und der Beklagten geltende Quote auf alle übrigen Kosten, also auch die auszugleichenden Kosten der Streithelferin, bezieht. Die Auslegung des Klägers, "im übrigen" erfasse nur seine und die Kosten der Beklagten, während die der Streithelferin zu erstattenden Kosten nicht zu den übrigen Kosten gehörten, sondern gemäß § 101 Abs. 1 ZPO von der Beklagten zu tragen seien, widerspricht dem Sinnzusammenhang der vergleichsweisen Regelung. Der Vergleich verteilt unmittelbar alle Kosten der Beteiligten, ohne eine durch gesetzliche Vorschriften zu schließende Lücke offen zu lassen, und weicht dabei rechtlich zulässig von der im Falle eines Urteils maßgeblichen Vorschrift des § 101 Abs. 1 ZPO ab.

Es ist auch nicht ersichtlich, daß sich die Vergleichsparteien abweichend vom Wortlaut des Vergleichs auf die Anwendung des § 101 Abs. 1 ZPO geeinigt haben. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt dies nicht daraus, daß im Falle eines Urteils wegen § 101 Abs. 1 ZPO anders zu entscheiden gewesen wäre. Im Rahmen von Vergleichsgesprächen gehört die Kostenverteilung zur Verhandlungsmasse und ist weitgehend frei regelbar, wobei das beiderseitige Nachgeben in der Hauptsache und bei der Kostenfrage durchaus unterschiedlich sein kann. Eine Auslegung gegen den Wortlaut ist auch nicht deshalb geboten, weil die Quote der Streithelferin bezüglich ihrer eigenen Kosten für beide Instanzen der Quote des Klägers an den übrigen Kosten entspricht. Dies läßt keinen Schluß darauf zu, daß die Quote des Klägers nicht auch für die auszugleichenden Kosten der Streithelferin Anwendung finden sollte.

Andere Umstände, die die Auslegung des Klägers stützen würden, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Abänderungsbegehren des Klägers entspricht, beruht auf § 12 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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