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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 23 W 594/00
Rechtsgebiete: ZPO, KV


Vorschriften:

ZPO § 696 Abs. 1
KV Nr. 1201
Beantragt der Kläger nach voraufgegangenem Mahnverfahren die Abgabe der Sache an das Streitgericht nur wegen einer ermäßigten Forderung, so berechnet sich die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen mit ihrem dreifachen Satz auch dann nach dem ermäßigten Betrag, wenn schon im Mahnbescheidsgesuch dir Durchführung des streitigen Verfahrens für den Fall des Widerspruchs beantragt war.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 594/00 OLG Hamm

in dem aus dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 26. April 2001 auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 9. Mai 2000 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Hagen vom 13. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sandmann, den Richter am Oberlandesgericht Schnapp und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung des Kostenansatzes des Amtsgerichts Hagen vom 14. Januar 2000 wird die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses zum GKG auf 14.762,50 DM festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird auf 36.702,50 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist gemäß § 5 Abs. 2 GKG zulässig und überwiegend auch begründet.

Der Beteiligte zu 1) macht zu Recht geltend, dass die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses zum GKG nur nach einem Wert von 1 Mio. DM zu berechnen ist, weil er noch gegenüber dem Amtsgericht Hagen als Mahngericht mit Schriftsatz vom 21. März 2000 beantragt hat, das Verfahren nur wegen eines Teilbetrages in dieser Höhe an das Landgericht Essen als Prozeßgericht abzugeben. Für die Gebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses kommt es nicht darauf an, dass am 1. Dezember 1999 antragsgemäß ein Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 5.471.666,00 DM ergangen war.

Nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses schuldete der Antragsteller somit drei Gerichtsgebühren nach einem Wert von 1 Mio. DM, wobei hierauf die bereits gezahlte halbe Gerichtsgebühr nach Nr. 1100 des Kostenverzeichnisses nach dem selben Streitwert anzurechnen ist. Es ergibt sich somit ein Betrag von 5.905,00 DM x 2,5 = 14.762,50 DM, während der Beteiligte zu 1) zu Unrecht sogar nur zwei Gebühren á 5.905,00 DM = 11.810,00 DM für gerechtfertigt hält.

I.

Der Senat ist für die Entscheidung über die Beschwerde des Beteiligten zu 1) nach § 5 Abs. 4 Satz 2 GKG zuständig, obwohl das Amtsgericht Hagen als Mahngericht den angefochtenen Beschluss vom 13. April 2000 erlassen hat, mit dem es die Erinnerung des Beteiligten zu 1) gegen den Kostenansatz vom 14. Januar 2000 zurückgewiesen hat. Das Verfahren ist nämlich inzwischen an das Landgericht Essen als Prozeßgericht abgegeben worden, so dass der Rechtsstreit gemäß § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO dort anhängig ist und die Zuständigkeit für die vom Eingangsgericht zu treffenden Entscheidungen auf das Landgericht Essen übergegangen ist. Dementsprechend hat das Landgericht gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 GKG in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 3 GKG die Entscheidung darüber getroffen, ob der Beschwerde des Beteiligten zu 1) abzuhelfen war. Als im Rechtszug nächst höheres Gericht hat der Senat die Beschwerde des Beteiligten zu 1) nunmehr zu bescheiden, nachdem das Landgericht eine Abhilfe abgelehnt hat.

II.

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses zum GKG ist lediglich nach einem Wert von 1 Mio. DM zu berechnen, weil der Streitgegenstand nur in dieser Hohe in das Prozeßverfahren übergegangen ist. Es ist heftig umstritten, ob die Gebühr nach Nr. 1201 nach dem Wert des Mahnbescheids oder dem später noch gegenüber dem Mahngericht ermäßigten Wert zu berechnen ist, wenn der Kläger für den Fall des Widerspruchs schon im Mahnbescheidsantrag die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt hatte. Der Senat vertritt die zweite Meinung.

1.

Teil 1 des Kostenverzeichnisses zum GKG unterscheidet unter I. und II. das Mahnverfahren und das Prozeßverfahren. Unter dem Gliederungspunkt "Prozeßverfahren" regelt Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses den Anfall der gerichtlichen Verfahrensgebühr u.a. für den Fall, dass "ein Mahnverfahren vorausgegangen ist", dessen Streitgegenstand "in das Prozeßverfahren übergegangen ist". Die Verfahrensgebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses ist dabei nach dem Wert des Gegenstandes zu berechnen, der Gegenstand des Prozeßverfahrens geworden ist, wie daraus folgt, dass der Gebührentatbestand nach Nr. 1201 die Anrechnung der Gebühr für das Mahnverfahren nach Nr. 1100 ebenfalls nach diesem Wert vorsieht.

Der für die Berechnung der Gebühr nach Nr. 1201 maßgebliche Wert des Streitgegenstandes bei Übergang in das Prozeßverfahren betrug hier lediglich 1 Mio. DM. Zwar hätte der Kläger am 31. Dezember 1999 einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids über eine Forderung in Höhe von 5.471.666,00 DM gestellt und schon dabei für den Fall des Widerspruchs gemäß § 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt. Nachdem die Beklagte gegen den antragsgemäß am 5. Januar 2000 ergangenen Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatte, hat der Kläger aber noch vor Abgabe an das Prozeßgericht mit Schriftsatz vom 21. März 2000 erklärt, das Klageverfahren solle nur wegen eines Teilbetrages von 1 Mio. DM durchgeführt werden. Als die Akten am 9. Mai 2000 beim Landgericht Essen eingingen und der Rechtsstreit gemäß § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO ab diesem Zeitpunkt dort als anhängig galt, war der Streitwert bereits ermäßigt.

2.

Der prozessuale Begriff der Anhängigkeit (§ 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO) bestimmt auch den für den Gebührentatbestand nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses maßgeblichen Begriff des Beginns des Prozeßverfahrens. Dem Gerichtskostengesetz ist insoweit kein eigener gebührenrechtlicher Anhängigkeitsbegriff zu entnehmen (so auch OLG Hamburg MDR 2001, 294, 295 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung in MDR 1998, 1121; OLG München NJW-RR 1998, 504 und NJW-RR 1999, 944; OLG Stuttgart MDR 1999, 634; Liebheit NJW 2000, 2235, 2238; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. vor § 688 Rdnr. 20; offen gelassen von BVerfG JurBüro 2000, 538, 539).

a)

Insbesondere lässt sich ein solcher nicht aus § 61 GKG ableiten. Die Vorschrift regelt die Fälligkeit von Gebühren, die nach der in ihrem 1. Halbsatz genannten 1. Alternative mit der Antragstellung eintritt. Daraus wird teilweise entnommen, die Gebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses werde ausgelöst, wenn der Antragsteller im Mahnverfahren von der Möglichkeit des § 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht habe und der bedingte Antrag mit Eingang des Widerspruchs unbedingt geworden sei. Der Eingang beim Prozeßgericht sei nicht zusätzlich erforderlich, so dass es für die Gebührenberechnung ohne Bedeutung sei, wenn der Antragsteller des Mahnverfahrens den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens vor Abgabe gegenüber dem Mahngericht beschränke (siehe OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 704 und NJW-RR 1998, 1077, 1078; OLG Bamberg JurBüro 1998, 653).

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Mit der Abgrenzung zwischen Mahnverfahren und Prozeßverfahren in den maßgeblichen Gebührentatbeständen des Kostenverzeichnisses ist es nicht vereinbar, den Beginn des Prozeßverfahrens schon mit dem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid vor Abgabe durch das Mahngericht und Eingang beim Prozeßgericht anzunehmen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und fast einhelliger Meinung endet das Mahnverfahren jedenfalls aus prozessualer Sicht erst mit der Abgabe an das Streitgericht (z. B. BGH NJW 1988, 1980, 1981; Liebheit NJW 2000, 2235, 2237 m.w.N.). § 61 1. Halbsatz GKG steht hiermit für das Gebührenrecht schon deshalb nicht in Widerspruch, weil die Vorschrift lediglich die Fälligkeit von Gebühren regelt (so auch Beschluss des OLG Bamberg vom 17.08.2000 - 4 W 78/2000), jedoch nicht die vorrangige Frage des Entstehens einer Gebührenforderung betrifft. Eine noch nicht entstandene Gebühr wird durch § 61 GKG nicht erfaßt.

Im übrigen lässt sich für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses im Falle eines vorausgegangenen Mahnverfahrens zwanglos § 61 2. Halbsatz GKG anwenden. Der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt sich gegenüber seinem ursprünglichen Empfänger, dem Mahngericht, nämlich lediglich als Abgabeantrag dar. Diesem Antrag muss durch eine gerichtliche Handlung im Sinne von § 61 2. Halbsatz GKG seitens des Mahngerichts stattgegeben werden, bevor das Prozeßverfahren beginnen kann. Vorher kann demnach gemäß § 61 2. Halbsatz GKG die Gerichtsgebühr auch nicht fällig werden.

b)

Ebenso wenig kann aus § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG hergeleitet werden, die Gebühren entstünden bereits vor der Abgabe an das für das Streitverfahren zuständige Gericht. Sowohl die amtliche Überschrift als auch der Wortlaut der Vorschrift lassen ohne weiteres die Auslegung zu, dass sie aus Gründen der Prozeßökonomie (siehe OLG München NJW-RR 1999, 944) lediglich die Vorschusspflicht hinsichtlich einer erst später entstehenden Gebühr regelt (so auch OLG Stuttgart MDR 1999, 634, 635).

Selbst wenn man jedoch meinte, § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG sei auch für die Verfahrensgebühr selbst relevant, kann man daraus nicht herleiten, diese sei trotz einer Reduzierung des ursprünglich nach § 696 Abs. 1 Satz. 2 ZPO gestellten Antrags auf einen Teilbetrag nach dem vollen Wert des Mahnantrages zu berechnen. Ebenso wie im Falle eines Teilwiderspruchs des Antragsgegners gegen einen Mahnbescheid, den das Gesetz in § 694 Abs. 1 ZPO ausdrücklich vorsieht, kann auch im Falle eines Antrags des Antragstellers, das streitige Verfahren nur wegen eines Teils des im Mahnverfahren geltend gemachten Anspruchs durchzuführen, allein der Wert des Streitgegenstandes maßgeblich sein, der tatsächlich beim Prozeßgericht anhängig wird. Die lediglich der Verfahrensvereinfachung dienende Möglichkeit, die Abgabe vorab nach § 696 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu beantragen, liefe ansonsten Gefahr, ihren Zweck zu verfehlen, weil der Antragsteller befürchten müsste, trotz einer späteren Beschränkung des Antrags noch gegenüber dem Mahngericht die Verfahrensgebühr nach dem vollen Wert erbringen zu müssen. Allein interessengerecht ist es, den Antragsteller so zu stellen, wie er stunde, wenn er den Antrag auf Abgabe an das Prozeßgericht erst nach Eingang des Widerspruchs mit der Möglichkeit der Beschränkung gestellt hätte. Soweit in § 65 Abs. 1 Satz 2 GKG in Anlehnung an Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses von der "Gebühr für das Verfahren im allgemeinen" die Rede ist, muss dies dahin ausgelegt werden, dass das Verfahren gemeint ist, soweit es nach dem zuletzt im Mahnverfahren gestellten Antrag im streitigen Verfahren weiter betrieben werden soll.

c)

Schließlich ergibt sich aus Nr. 1202 des Kostenverzeichnisses nichts anderes. Entgegen der Ansicht des OLG Düsseldorf (NJW-RR 1997, 704 und NJW-RR 1998, 1077, 1078) ist es ohne Bedeutung, dass sich die Gebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses nur bei vollständiger Klagerücknahme oder Zurücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß Nr. 1202 des Kostenverzeichnisses ermäßigt. Da die Gebühr nach Nr. 1201 des Kostenverzeichnisses hier entsprechend den obigen Ausführungen schon nicht entstanden ist, kommt es auf eine Ermäßigung dieser Gebühr nach Nr. 1202 des Kostenverzeichnisses nicht an. Soweit Nr. 1202 des Kostenverzeichnisses auf die Zurücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens abstellt, ist dies dahin auszulegen, dass damit nur die Zurücknahme nach Eingang beim Prozeßgericht nach § 696 Abs. 4 ZPO gemeint ist (so auch OLG Stuttgart MDR 1999, 634, 635).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 6 GKG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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