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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 23 W 650/00
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 273 Abs. 2 Nr. 4
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3
Gesetz:

§§ 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO

Leitsatz:

1. Die prozeßleitende Ladung von Zeugen begründet keine Beweisgebühr, desgleichen nicht die Bezeichnung des Termins als solchen zur Beweisaufnahme und auch nicht die vorsorgliche Belehrung der Zeugen im Termin.

2. Dagegen beginnt die Beweisaufnahme mit der Verkündung des Beschlusses auf Vernehmung der Zeugen im Termin; insofern ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die anwesenden Anwälte die Beweisanordnung auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen und demgemäß innerhalb des Beweisverfahrens tätig werden, auch wenn sie dazu keine besonderen Erklärungen abgeben; unter den gegebenen Umständen entsteht mit der Verkündung der Beweisanordnung die Beweisgebühr.

3. Die Beweisgebühr gerät nicht dadurch in Wegfall, daß die Beweisanordnung - sei es als von vornherein überflüssig, sei es als durch die weitere prosessuale Behandlung überholt - später nicht mehr zur Ausführung kommt.

OLG Hamm, Beschluß vom 15.02.2001 - 23 W 650/00 -


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 650/00 OLG Hamm 15 O 169/00 LG Münster

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 15. Februar 2001 auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 08. Dezember 2000 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Rechtspflegers des Landgerichts Münster vom 23. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sandmann, die Richterin am Oberlandesgericht Rautenberg und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Funke

beschlossen:

Tenor:

Der der Klägerin von dem Beklagten zu erstattende Betrag wird abändernd auf 1.887,47 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Oktober 2000 festgesetzt.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 396,33 DM.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin (§ 104 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG) ist zulässig und begründet.

Der Rechtspfleger hat zu Unrecht die von beiden Seiten zur Festsetzung angemeldete Beweisgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO) abgesetzt. Denn die Anwälte haben die Parteien in einem Beweisaufnahmeverfahren i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vertreten.

Die vom Landgericht zum Kammertermin vom 29. August 2000 gem. § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO vorbereitend geladenen Zeugen sind allerdings nicht vernommen worden. Auch die Anordnung der vorbereitenden Ladung von Zeugen stellt selbst dann noch keine Beweisaufnahme dar, wenn - wie hier - den Zeugen ein Beweisthema mitgeteilt worden ist (vgl. OLG Hamm JurBüro 1990, 864). Ebenso wenig reicht aus, daß der Einzelrichter den Kammertermin vom 29. August 2000 im Zusammenhang mit der vorbereitenden Zeugenladung als "Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Durchführung einer Beweisaufnahme" bezeichnet hat (vgl. unveröffentlichten Senatsbeschluß vom 27.02.1992, 23 W 72/92). Schließlich ist auch die vorsorgliche Belehrung von Zeugen, wie sie hier ebenfalls erfolgt ist, noch kein Beginn einer Beweisaufnahme.

Eine Beweisgebühr ist hier aber dadurch entstanden, daß die Kammer im Termin vom 29. August 2000 den Beschluß verkündet hat, die Zeugen sollten über die in ihr Wissen gestellten Tatsachen vernommen werden, und die Anwälte diesen Beschluß - wie regelmäßig vermutet werden kann - überprüft haben.

Ein Beweisaufnahmeverfahren beginnt jedenfalls mit der Anordnung der Beweisaufnahme durch das Gericht im Termin. Für die Entstehung einer Beweisgebühr ist zusätzlich subjektiv eine Vertretung durch den Anwalt im Beweisaufnahmeverfahren erforderlich. Er muß in Wahrnehmung der Parteirechte zur Förderung der Beweisaufnahme tätig werden. Seine bloße Anwesenheit bei der Verkündung des Beweisbeschlusses und die Kenntnisnahme von seinem Inhalt unterfallen zwar noch der durch die Prozeßgebühr abgedeckten Tätigkeit. Es reicht aber, wenn der Rechtsanwalt den Beweisbeschluß auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft (von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 31 Rdn. 124: Keller in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 31 Rdn. 130; Göttlich/Mümmler, BRAGO, Stichwort: "Beweisgebühr Anm. 8.2). Dabei ist grundsätzlich anzunehmen, daß der innerhalb des Beweisverfahrens tätige Anwalt eine solche Prüfung auch vornimmt (von Eicken, a.a.O.).

Nach den Umständen des vorliegenden Falles muß auch hier von einer solchen Sachlage ausgegangen werden. Im Anschluß an die Belehrung der Zeugen und den gerichtlichen Beschluß, sie sollten vernommen werden, hat das Gericht zwar zunächst die gleichzeitig angeordnete Anhörung der Parteien durchgeführt, die keine Beweisaufnahme darstellte. Dennoch bestand für die Anwälte nach der Anordnung der Zeugenvernehmung unmittelbar Veranlassung, auch diese nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern in Erfüllung ihrer Pflicht zur umfassenden Wahrnehmung der Rechte und Interessen der Parteien zu prüfen. Dabei schadet nicht, daß sie sich zu diesem Punkt nicht geäußert haben. Ein Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren liegt nämlich unabhängig davon vor, ob die Anwälte das Ergebnis der Prüfung gegenüber anderen Prozeßbeteiligten zum Ausdruck bringen.

Für die Entstehung der Beweisgebühr ist schließlich nicht erforderlich, daß die Beweisanordnung später tatsächlich zur Ausführung kommt, oder schädlich, daß sie sich als von vornherein überflüssig oder überholt erweist. Auch insoweit bestehen daher gegen den Ansatz der Beweisgebühr keine Bedenken, nachdem die Kammer von der Zeugenvernehmung nach Klärung durch Parteianhörung abgesehen hat.

Bei der Kostenfestsetzung ist folglich entsprechend dem Begehren der Klägerin auf beiden Seiten (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., § 106 Rn. 6) eine Beweisgebühr von 1.025,00 DM zuzüglich 16 % Umsatzsteuer (1.199,00 DM) zu berücksichtigen. Da der Beklagte nach dem am 21. September 2000 geschlossenen Vergleich 2/3 und die Klägerin 1/3 der Kosten zu tragen hat, erhöht sich der der Klägerin zu erstattende Betrag um 2/3 x 1.189,00 DM - 1/3 x 1.189,00 DM = 396,33 DM.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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