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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.11.2006
Aktenzeichen: 23 W 80/06
Rechtsgebiete: ZPO, RVG VV


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
RVG VV Nr. 7008
1. Gehört der Gegenstand eines Rechtsstreits zur unternehmerischen Tätigkeit, bleibt insoweit die Vorsteuerabzugsberechtigung der Partei unabhängig davon bestehen, ob der Betrieb zwischenzeitlich aufgegeben wurde.

2. Umsatzsteuerzahlungen des Kostengläubigers an den eigenen Anwalt sind auch in diesen Fällen grundsätzlich nicht erstattungsfähig, es sei denn, die erforderliche Nachveranlagung gegenüber dem Fiskus schlägt fehl oder erscheint aussichtslos.


OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

23 W 80/06 OLG Hamm

in dem Rechtsstreit

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat am 20. November 2006 auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 8. Februar 2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss I der Rechtspflegerin des Landgerichts Münster vom 30. Januar 2006 durch

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung hat der Kläger an den Beklagten zu 1) 2.880,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Juli 2005 zu erstatten.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 1) nach einem Gegenstandswert von 460,88 Euro.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Ansatz von Umsatzsteuer auf die Gebühren der Prozessbevollmächtigten des Beklagten (zu 1) ist begründet, weil der Beklagte vorsteuerabzugsberechtigt ist und deshalb die Umsatzsteuer nicht von dem Kläger erstattet verlangen kann.

Der Vortrag des Beklagten vom 28. Juli 2005, er sei nicht mehr als selbständiger Handelsvertreter tätig und daher nicht vorsteuerabzugsberechtigt, ist offensichtlich unrichtig und daher unbeachtlich (vgl. BGH NJW 2003, 1534 = MDR 2003, 656 = Anwaltsblatt 2003, 371). Steuerrechtlich erlischt die Unternehmereigenschaft erst, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt hat, die mit dem aufgegebenen Betrieb in Zusammenhang stehen (BFH-Urteil vom 21. April 1993 - BStBl II, 696). Als Vorsteuer vom Fiskus zu erstatten sind auch solche Umsatzsteuern, die erst nach Aufgabe des Betriebes anfallen, sofern die abgerechnete Leistung der unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen ist. Der Beklagte kann daher jederzeit als Unternehmer im Sinne von § 2 UStG eine Nachveranlagung beantragen.

Allerdings hat der Senat bislang die Auffassung vertreten, dass ein Unternehmer nach Betriebsaufgabe trotz weiterhin bestehender Vorsteuerabzugsberechtigung ausnahmsweise berechtigt sei, die Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen, weil es einer obsiegenden Partei nicht zugemutet werden könne, allein im Interesse des unterlegenen Gegners das Nachveranlagungsverfahren gegenüber dem Fiskus zu betreiben. Das Gebot der sparsamen Prozessführung gebiete nicht, notwendig angefallene Kosten durch Ausnutzung aller Einsparmöglichkeiten bestmöglich zu minimieren, nur um auf diese Weise für eine Entlastung des erstattungspflichtigen Gegners Sorge zu tragen. Zwar mute das Gesetz einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer zu, dass dieser seine Anwaltskosten durch Voranmeldung der Umsatzsteuer gering halte. Das stelle jedoch keinen besonderen Aufwand dar, wenn er ohnehin am Besteuerungsverfahren teilnehme und die Rechnung der Anwälte nur einen von mehreren Abrechnungsposten ausmache. Anders verhalte es sich hingegen, wenn der Unternehmer nicht mehr werbend tätig sei (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juli 2001 in AGS 2002, 139).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat jedoch nicht länger fest. Die Nachveranlagung von Umsatzsteuer hat sich zu einem gewöhnlichen Geschäftsvorgang entwickelt, der sich durch einfachen Schriftverkehr bewerkstelligen lässt und in der Regel keine besonderen Anforderungen (mehr) stellt. Zudem eröffnet die bisherige Rechtsprechung des Senats ein erhebliches Missbrauchsrisiko, indem sie dem Kostengläubiger ermöglicht, die Umsatzsteuer doppelt abzurechnen, nämlich einmal gegenüber dem Kostenschuldner und zum anderen gegenüber dem Fiskus. Schließlich lässt das sumarische und standardisierte Kostenfestsetzungsverfahren nur dann Raum für einen Ausnahmetatbestand, wenn zwingende Gründe der Einzelfallgerechtigkeit es unerträglich erscheinen lassen, den gesetzlichen Regelfall anzuwenden. Das kann hier nicht angenommen werden. Insgesamt muss es daher auch für den Unternehmer nach Betriebsaufgabe bei dem Grundsatz verbleiben, dass einzig und allein derjenige Kostengläubiger, der die Umsatzsteuer "nicht als Vorsteuer abziehen kann" (§ 104 Abs. 2 S. 3 ZPO), diese vom unterlegenen Gegner einzufordern berechtigt ist.

Angesichts der aktuellen Änderung seiner Rechtsprechung hat der Senat dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, die Nachveranlagung gegenüber dem Fiskus zu betreiben und ggfls. einen ablehnenden Bescheid des Finanzamtes vorzulegen, falls die Erstattung der Umsatzsteuer - wider Erwarten - unterbleiben sollte. Hierauf hat der Beklagte nicht mehr reagiert, weshalb davon auszugehen ist, dass der Nachveranlagung Hindernisse nicht entgegen stehen. Mithin ist die Umsatzsteuer in Höhe von 460,88 Euro in Abzug zu bringen und nur der tenorierte Nettobetrag festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Gegenstandswert folgt aus dem Abänderungsbegehren.

Ende der Entscheidung

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